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Prinzessinnen

Geschichten

Prinzessin Sarah erlebt, dass Herzensgüte mehr wert ist als der schönste Schmuck. Prinzessin Annika merkt, dass sie gemocht wird, auch wenn sie nicht perfekt ist. Und Prinzessin Malinda entdeckt, wie wichtig Freundlichkeit ist.

14 zauberhafte Geschichten erzählen einfühlsam von Freundschaft, Mut und Hilfsbereitschaft, von Werten, die Mädchen wichtig sind und an denen sie wachsen und sich entwickeln können. Ein ganz besonderer Erfahrungsschatz mit starken Vorbildern für Mädchen ab 4 Jahren.

eISBN: 9783815575512

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Inhalt

Die Prinzessin der Herzen

Ein kleines Wunder

Zwei ungleiche Prinzessinnen

Geburtstag im Schloss

Der große Ball

Die königliche Schneiderin

Das Sommerkonzert

Ein Pony für Malinda

Kleine Prinzessin ganz groß

Willkommen in Friedland!

Das Regenspiel

Die Wunschfee

Glück gehabt!

Wunderbare Reise in den Schlaf

Die Prinzessin der Herzen

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Prinzessin Sarah war wunderschön. Sie hatte lange blonde Haare und samtweiche Haut. Sarahs Bewegungen waren voller Anmut, und der melodische Klang ihrer Stimme erinnerte an ein Glockenspiel.

Wenn die Prinzessin den König mit ihren großen braunen Augen anblickte, schmolz er nur so dahin. Er liebte seine Tochter über alles und erfüllte ihr jeden Wunsch.

Der König und die Prinzessin lebten in einem kleinen, aber feinen Schloss.

Sarahs Mutter war schon vor vielen Jahren gestorben. Sie hatte ihrer Tochter nur ein Kästchen mit kostbarem Schmuck hinterlassen.

Prinzessin Sarah war sehr stolz auf ihre Schönheit. Oft saß sie vor dem Spiegel und bewunderte sich selbst.

Sie bürstete ihre Haare, bis sie wie flüssiges Gold über ihre Schultern fielen. Ihre Kleiderschränke waren voll mit prächtigen Kleidern, und der Prinzessin fehlte es an nichts.

Oder etwa doch? Der König machte sich Sorgen um seine Tochter. „Du bist zu viel allein, meine liebe Sarah“, sagte er immer wieder. „Und du beschäftigst dich zu sehr mit dir selbst. Was soll nur aus dir werden, wenn ich einmal nicht mehr bin?“

Doch wenn Prinzessin Sarah dann fröhlich um ihren Vater herumtanzte und ihm ein Küsschen auf die Wange drückte, schob der König die finsteren Gedanken schnell wieder beiseite.

„Mach dir keine Sorgen“, lachte Prinzessin Sarah. „Ich bin so schön, dass ich mir später einmal den besten und reichsten Königssohn aussuchen kann.“ Da stimmte der König ihr zu, und ihm wurde wieder leicht ums Herz.

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Doch dann kamen schwere Zeiten für das kleine Königreich. Der König wurde sehr krank und konnte sich nicht mehr um sein Reich kümmern. Das nutzte der Herrscher des Nachbarlandes aus. Er fiel mit seinen Soldaten in das kleine Königreich ein. Die Soldaten raubten das Land aus und räumten alle Lagerhäuser leer.

Voller Angst und Schrecken sah die Prinzessin, wie die hoch beladenen Fuhrwerke über die Grenze verschwanden. Bald zogen sich die Soldaten wieder zurück. Doch sie hatten alle Rüben und Kartoffeln, alle Hafer- und Weizensäcke mitgenommen.

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Im kleinen Königreich herrschte nun große Armut. Alle hatten Hunger. Es dauerte nicht lange, bis eine Abordnung von Bürgern im Königsschloss vorsprach. Die Männer baten Prinzessin Sarah, etwas zu unternehmen.

Die Prinzessin hatte ein gutes Herz. Aber sie hatte keine Ahnung, wie man ein Land regierte und was bei einer Hungersnot zu tun war. Sie versprach den Untertanen, etwas zu unternehmen. Aber was? Ihren Vater konnte sie nicht um Rat fragen. Er sollte von all dem Leid nichts erfahren. Die Prinzessin befürchtete, dass die Sorgen ihn womöglich noch kränker machen würden.

So beschloss Prinzessin Sarah, dem Herrscher des Nachbarlandes einen Besuch abzustatten. Sie schlüpfte in ihr schönstes Kleid und legte den kostbaren Schmuck an, den sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Dann ließ sie ihr treues Pferd Tristan herbeirufen, sattelte es und machte sich auf den Weg.

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Als Sarah im Schloss des Nachbarlandes vorsprach, stand große Not in ihrem Gesicht. „Verehrter Herrscher“, begann sie und machte einen Knicks. „Ich möchte Euch bitten, uns unsere Vorräte zurückzugeben. Die Menschen in unserem Land haben nichts mehr zu essen. Vor Hunger und Schwäche sind viele schon krank geworden.“

Der Herrscher blickte auf den funkelnden Schmuck, den Sarah trug.

„Was ist das für eine wunderschöne Kette? Und welch prächtigen Goldreif trägst du an deinem Handgelenk?“ Seine Augen funkelten vor Habgier.

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Die Prinzessin trat einen Schritt zurück. Sie war blass geworden. „Das ist der Schmuck meiner Mutter“, sagte sie mit zitternder Stimme.

„Wenn du mir diesen Schmuck gibst“, rief der Herrscher, „dann sollt ihr eure Vorräte zurückbekommen!“

Da drehte sich die Prinzessin um und lief schnell davon. Draußen vor dem Schloss sprang sie auf ihr Pferd. Im wilden Galopp ritt sie los – zurück in ihr kleines, armes Königreich. Niemals würde sie den geliebten Schmuck ihrer Mutter hergeben! Niemals!

Als sie in ihr Reich zurückkehrte, standen überall Menschen am Wegesrand. Mit hoffnungsvollen Augen blickten sie der Prinzessin entgegen. Prinzessin Sarah schluckte. Was sollte sie den Bürgern sagen?

„Was habt Ihr erreicht, edle Prinzessin?“, riefen die Männer und Frauen ihr zu. „Bekommen wir bald wieder etwas zu essen?“

„Geduldet euch noch etwas“, sagte die Prinzessin. „Bald kann sich jeder wieder satt essen.“ Sie brachte es nicht übers Herz, den Menschen die Wahrheit zu sagen.

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In der nächsten Nacht wälzte sich die Prinzessin im Bett hin und her. Was sollte sie nur tun? Sie liebte den Schmuck ihrer Mutter über alles. Viele Stunden lang hatte sie sich damit im Spiegel betrachtet.

Doch wenn sie an die flehenden Blicke der Menschen dachte, an die hungernden Kinder und an die schwachen, alten Leute im Lande, dann wurde ihr ganz schwer ums Herz.

Am nächsten Morgen wusste die Prinzessin, was sie zu tun hatte. Wieder sattelte sie ihr Pferd und ritt ins Nachbarland. Der Herrscher lächelte siegesgewiss, als die Prinzessin bei ihm vorsprach. Seine Augen glänzten, als sie ihm den Schmuck gab. Sarah warf noch einen letzten Blick in das Schmuckkästchen, doch sie blieb bei ihrem Entschluss.

Der Herrscher hielt Wort. Noch am gleichen Tag rumpelten die ersten Fuhrwerke mit Getreide und Kartoffeln zurück in das kleine Königreich. Der Jubel bei den Menschen war groß.

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Die Bürger des Landes veranstalteten ein großes Fest. Es gab köstliche Speisen und die leckersten Kuchen und Torten. Zum ersten Mal seit Langem konnten sich alle satt essen. Die Menschen ließen Prinzessin Sarah hochleben und jubelten ihr zu.

Als Prinzessin Sarah die dankbaren Gesichter der Menschen sah, begann sie wieder zu strahlen. Sie spürte, dass der Dank der Menschen tausendmal mehr wert war als der kostbarste Schmuck der Welt. Jetzt tat es ihr nicht mehr leid, dass sie den Schmck ihrer Mutter hergegeben hatte. Sie spürte, dass sie richtig entschieden hatte!

Ohne dass die Prinzessin es merkte, wurde sie noch viel schöner als vorher. Doch diesmal war es eine Schönheit, die von innen kam.

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Bald ging es dem kranken König besser. Als er zum ersten Mal das Krankenbett verlassen konnte, staunte er über die gute Stimmung in seinem Königreich. Noch mehr wunderte er sich aber über seine Tochter, die sich liebevoll um die Menschen im Lande kümmerte. Prinzessin Sarah besuchte kranke Untertanen, las den Kindern Geschichten vor und brachte alten Leuten einen Korb voll feinster Speisen oder ein paar Blumen vorbei.

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Der König sah seine Tochter nie mehr lange vor dem Spiegel sitzen. Denn dafür hatte sie einfach keine Zeit mehr.

Als er wieder ganz gesund war, rief der König seine Tochter zu sich. Er dankte ihr dafür, dass sie ihn so gut vertreten hatte. Dann ließ er den königlichen Schneider kommen und seine schönsten Modelle zeigen.

„Du darfst dir ein neues Kleid aussuchen“, sagte der König zu Prinzessin Sarah. „Das hast du dir wahrlich verdient.“

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Doch die Prinzessin winkte lächelnd ab. „Vielen Dank, lieber Vater“, sagte sie mit ihrer klaren, wohlklingenden Stimme. „Aber meine Schränke sind voll. Lass uns stattdessen lieber ein paar Kleider an die Armen verteilen.“ Der König freute sich über Sarahs Entscheidung. Nun verstand er auch, weshalb seine Tochter überall im Lande die Prinzessin der Herzen genannt wurde.

Bald sprach es sich herum, dass in dem kleinen Königreich eine besonders schöne und liebenswerte Prinzessin lebte. Viele Prinzen hielten um Sarahs Hand an. Doch die Prinzessin ließ sich von Prunk und Reichtum nicht blenden. Sie schlug alle Angebote aus und heiratete schließlich einen Maler. Er war nicht besonders reich, aber er hatte das Herz auf dem rechten Fleck – genau wie die Prinzessin selbst!

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Ein kleines Wunder

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Es war ein sonniger Sonntagmorgen, und am Königshof herrschte reges Treiben. In der Küche verzierte die Köchin eine Geburtstagstorte. In der Eingangshalle fegte das Hausmädchen die letzten Staubkörnchen von der Treppe, und im Schlossgarten wählte Königin Mathilda persönlich die schönsten Blumen für einen Geburtstagsstrauß aus.

König Edward rief seine drei Töchter zu sich. „Wie ihr wisst, hat Tante Amanda heute Geburtstag“, sagte er. „Ich hoffe, jede von euch hat eine schöne Darbietung für sie vorbereitet.“

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Prinzessin Paula trat vor. „Ich habe für Tante Amanda ein Lied auf der Geige eingeübt.“

Der König nickte wohlwollend.

Prinzessin Emma sagte: „Ich habe einen Tanz einstudiert, den ich Tante Amanda zeigen möchte.“

Der König lächelte zufrieden.

Nun blickten alle auf Prinzessin Bea. Doch die jüngste Prinzessin hatte den Geburtstag der Tante völlig vergessen!

„Ich ... äh, ich überlege mir noch eine Überraschung für Tante Amanda“, sagte sie schnell.

König Edward zog die Augenbrauen hoch. „Tante Amanda kommt am Nachmittag“, meinte er. „Du hast also nicht mehr viel Zeit.“ Nach diesen Worten ging er hinaus.

Prinzessin Paula lächelte Bea aufmunternd an. „Lerne doch schnell noch ein Gedicht auswendig“, schlug sie ihrer Schwester vor.

Auch Prinzessin Emma hatte eine Idee. „Du könntest für Tante Amanda ein Bild malen“, meinte sie.

Prinzessin Bea freute sich über die Vorschläge.

„Vielen Dank“, sagte sie. „Ich glaube, ich werde beides tun.“

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Als Erstes suchte Prinzessin Bea nach einem passenden Gedicht. Das war gar nicht so einfach, denn Tante Amanda hatte sich noch nie über irgendetwas gefreut. Die Tante kam jedes Jahr an ihrem Geburtstag ins Königsschloss. Jedes Jahr studierten die Prinzessinnen etwas für sie ein. Und jedes Mal saß Tante Amanda einfach da, ohne auch nur zu lächeln.