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Based on
Star Trek
created by Gene Roddenberry

Ins Deutsche übertragen von
Markus Müller

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Titel der Originalausgabe: STAR TREK: THE SHOCKS OF ADVERSITY

German translation copyright © 2017 by Amigo Grafik GbR.

Original English language edition copyright © 2013 by CBS Studios Inc. All rights reserved.

™ & © 2017 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

Print ISBN 978-3-95981-176-7 (Februar 2017) • E-Book ISBN 978-3-95981-265-8 (Februar 2017)

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Für Chris, Karl, Teri, Laura und Mike

Sei höflich gegen alle, aber mit wenigen vertraut,

und prüfe diese wenigen genau, ehe du ihnen dein Vertrauen schenkst.

Wahre Freundschaft ist eine edle Pflanze, die langsam wächst

und zunächst die Stürme der Widrigkeiten überstehen

und gefestigt werden muss,

ehe sie es verdient, ihren schönen Namen zu tragen.

– George Washington

Inhalt

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

DANKSAGUNG

EINS

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James Kirk verlor den Boden unter den Füßen, und für einen Moment schwebte er schwerelos mitten in der Luft.

Im nächsten Augenblick erfasste ihn das künstliche Schwerkraftfeld des Schiffs, und er krachte mit einem lauten Scheppern auf die Deckplatten der Sporthalle. Trotz der Polsterung, mit der das Deck unter ihm überzogen war, schlug sein Kopf fest genug auf, um blinkende Sterne in seinem Sichtfeld vorüberziehen zu lassen. Ich habe aber auch geradezu darum gebettelt, rügte er sich in Gedanken.

»Captain!« Als sich die blitzenden Sterne lichteten, erblickte er Lieutenant D’Abruzzo, der sich über ihn beugte und auf seinem jungen Gesicht einen besorgten Ausdruck zur Schau trug. »Geht es Ihnen gut, Sir?«

»Geht schon«, antwortete Kirk und versuchte dabei so zu klingen, als habe es ihm nicht gerade eben die Luft aus der Lunge gepresst. »Warum fragen Sie?«

Er streckte den rechten Arm D’Abruzzo entgegen, der Kirks Hand ergriff und ihm auf die wackligen Beine half. »Es tut mir leid, Sir. Ich hatte nicht die Absicht, Sie mit solcher Wucht durch die Gegend zu schleudern. Wirklich.«

»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Mister D’Abruzzo«, versicherte Kirk dem jüngeren Mann und rückte die Schulterpartien seines strahlend orangefarbenen Judo-Anzugs zurecht. Anschließend fuhr er gegenüber dem Lieutenant, der exakt dasselbe Outfit trug, fort: »Ich hatte Sie ja mit Absicht gebeten, mein Sparringspartner zu sein, weil ich wusste, dass Sie mich vor eine echte Herausforderung stellen.« D’Abruzzo war zu seiner Zeit an der Sternenflottenakademie Kapitän des Kampfsport-Teams gewesen, und ohne seinen Beitrag hätte die Mannschaft während seines Abschlusssemesters kaum die Hochschulmeisterschaft der Vereinigten Erde gewonnen. »Das Letzte, was ich von Ihnen erwarte, ist, dass Sie Zurückhaltung üben. Weiter geht’s«, sagte Kirk und trat einige Schritte bis zu der weißen Linie zurück, die seine Ausgangsposition markierte. D’Abruzzo nahm seinen Platz an der gegenüberliegenden Markierung ein. Beide Männer verbeugten sich, bevor sie vorrückten und im Zentrum der Matte aufeinandertrafen.

Fünf Sekunden später lag Kirk erneut der Länge nach ausgestreckt auf dem Boden. Hmm … vielleicht ist Zurückhaltung doch nicht das Letzte, was ich von ihm erwarten sollte, grummelte der Captain der Enterprise lautlos in sich hinein.

»Zumindest bist du diesmal nicht durch die Luft geflogen.«

Kirk hob den Kopf und drehte ihn dorthin, wo Leonard McCoy stand und ihnen zusah. Pille lehnte neben der Eingangstür an der Wand der Turnhalle. In seinen Augen blitzte diebisches Vergnügen, und er grinste wie ein Irrer. Kirk rappelte sich langsam wieder auf – dabei ignorierte er diesmal die Hand, die ihm D’Abruzzo reichte. »Hast du nichts anderes zu tun, Doktor? Etwas Besseres vielleicht?«

»Anderes mit Sicherheit, aber mit Sicherheit nichts Besseres. Ein Schauspiel wie dieses hier steht ganz oben auf meiner Prioritätenliste«, stichelte McCoy.

»Ach was.« Kirk ließ die rechte Schulter rotieren, in der Hoffnung so den dumpfen Schmerz zu lindern. »Ständig bestehst du darauf, dass deine Patienten regelmäßig Sport treiben. Aber der einzige Grund, warum du selbst den Trainingsraum besuchst, ist, andere zu verspotten.«

»Du solltest doch wissen, dass ich regelmäßig jeden Morgen noch vor dem Frühstück meine spezifisch ausgearbeiteten Fitnessübungen mache. Deine Gesellschaft wäre mir dabei herzlich willkommen«, lud ihn McCoy ein. »Die körperliche Beanspruchung ist nicht allzu hoch. Das scheint mir eher das Richtige für dich zu sein.«

Mit einem eisigen Grinsen wandte sich Kirk wieder D’Abruzzo zu. »Noch mal?« Der Lieutenant, der dem verbalen Schlagabtausch mit dem emotionsfreien Gesicht eines Kadetten beim Appell gelauscht hatte, nickte und begab sich in Position.

Und erneut glitt das Deck unter Kirks Füssen weg. Doch diesmal hatte D’Abruzzo nichts damit zu schaffen – im Gegenteil: Er verlor selbst die Balance, ebenso wie McCoy und alle anderen Anwesenden. Vermutlich aufgrund eines Ausfalls der Trägheitsdämpfer des Schiffs, schlussfolgerte der Captain der Enterprise. »Was ist denn hier los?«, platzte es aus McCoy heraus, während er sich von dem Schott abstieß, gegen das er gefegt worden war.

Als sowohl das Schiff als auch Kirk das Gleichgewicht wiedergefunden hatten, durchquerte der Captain den Raum, hin zum nächsten in die Wand integrierten Interkom und drückte den Knopf für die Übertragung. »Kirk an Brücke. Wie sieht es oben bei Ihnen aus?«

Commander Spocks Stimme erklang wie immer kühl und unerschütterlich aus dem vergitterten Lautsprecher: »Die Enterprise ist soeben aus dem Warp gestürzt, Captain, und beim Übergang in den Normalraum kollidierten wir mit einer Subraumturbulenz, die wir vorher nicht orten konnten.«

»Vermutlich eine weitere Überraschung der Nystrom-Anomalie.«

»Dem Anschein nach, Sir.«

»Ich bin gleich da. Kirk Ende.« Er schloss den offenen Kanal und drehte sich zu D’Abruzzo um, der hinter ihm stand und wartete. »Ich fürchte, wir müssen das Training frühzeitig abbrechen, Lieutenant.«

»Ja, Sir.« D’Abruzzo verbeugte sich in traditioneller Weise. Kirk erwiderte die Geste, bevor er die Umkleidekabine ansteuerte. Unterwegs nestelte er so lange am Knoten des Stoffgürtels an seiner Hüfte herum, bis dieser sich löste. Nachdem er in der Umkleide seinen Judo-Anzug abgestreift und in den Wäsche-Reklamator am Ausgang gestopft hatte, registrierte er, dass ihm McCoy auf dem Fuß gefolgt war.

»Dir ist doch klar, Jim«, bemerkte der Doktor und reichte Kirk ein Handtuch, »dass du eigentlich etwas lockerer mit D’Abruzzo umgehen solltest.«

»Was?« Kirk nahm das angebotene Frotteetuch entgegen und rubbelte damit seine schweißnasse Brust und die schmerzenden, malträtierten Schultern ab.

»Du könntest ihn vielleicht einfach ein wenig … schonen.«

Kirk hielt inne und starrte McCoy fassungslos an. »Ich soll ihn schonen? Hast du nicht gesehen, was er da draußen mit mir angestellt hat?«

»Das habe ich. Und ich habe die Blicke gesehen, die du ihm zugeworfen hast.«

»Welche Blicke?«

»Solche von der Art, die bedeuten: Wenn du deinen vorgesetzten Offizier noch einmal wie eine Stoffpuppe durch die Gegend wirbelst, brauchst du dich nicht zu wundern, wenn du für den Rest unserer Mission in die Müllaufbereitungsstation versetzt wirst.«

»Zumindest habe ich es nicht laut ausgesprochen. Das musst du mir zugutehalten.« Kirk gab McCoy das Handtuch zurück, drehte sich um und öffnete den Spind, in dem er zu Trainingsbeginn seine Uniform und seine Stiefel verstaut hatte.

Während er sich anzog, erwiderte McCoy: »Nein, so eindeutig bist du nicht geworden. Aber die Art, wie du Lieutenant und Mister D’Abruzzo betont hast, haben ihm ohne Umschweife klargemacht, wo sein Platz in der Befehlshierarchie ist.«

Kirk verharrte mit dem Uniformoberteil in Händen. »Du willst mir doch nicht sagen, dass ich ihn absichtlich unter Druck gesetzt habe, Pille?«

»Nicht vorsätzlich, nein, Jim«, räumte McCoy ein. »Aber du bist nun einmal der Captain, und das allein reicht aus, um die meisten der jungen Leute einzuschüchtern. Genug, um D’Abruzzo in eine Lage zu versetzen, in der er keine andere Wahl hatte, als sich dir gegenüber zu mäßigen.«

»Oh nein, er hat sich nicht zurückgehalten.« Kirks misshandelte Muskeln stöhnten auf, als er die Hände in die Ärmel der grünen Uniformtunika schob.

»Okay, wenn du das glauben willst.« McCoys Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran, dass Kirk ernsthaft darüber nachzudenken hatte, dass er nicht scherzte. »Worauf ich hinauswill: Du musst gegenüber der Mannschaft immer bedenken, wer und was du bist. Das hier hat eine Wirkung auf die Leute.« Der Doktor streckte die Hand aus und zupfte an den goldenen Kordeln, die sich um die Taille das Captains wanden. »Selbst wenn du sie gerade nicht trägst.«

Kirk dachte einen Moment schweigend über McCoys Worte nach. Es wirkte fast schon ironisch, dass dieser Hinweis von einem Mann kam, den sein Rang wenig zu beeinflussen schien. »Du hast recht. Danke, Pille.« McCoy nickte zustimmend und ließ Kirk allein mit seinen Gedanken in der Umkleidekabine zurück.

Auch wenn Pille es garantiert gut gemeint hatte, bestand im Prinzip keine Notwendigkeit, Kirk daran zu erinnern, wie weit er über dem Rest der Mannschaft stand. Als Captain eines Raumschiffs war er in erster Linie der Anführer seiner Leute, und als solcher musste er von ihnen Gehorsam einfordern sowie regelmäßig bedeutende und schwer nachvollziehbare Entscheidungen fällen. Unter diesen Voraussetzungen konnte es sich ein Captain nicht gestatten, zu viele enge Freundschaften einzugehen. McCoy bildete eine Ausnahme, da er über eine ausgesprochen untypische Persönlichkeit für ein Mitglied der Sternenflotte verfügte. Das Gleiche traf auf Spock zu. Obwohl er die Freundschaft des Vulkaniers hoch schätzte, würde sie nie die gleiche Ebene erreichen wie jene zu Gary Mitchell, mit dem er zu Beginn ihrer beiden Karrieren quasi unzertrennlich gewesen war. Als Kirk sein erstes Kommando erhalten hatte, hatte er seinen besten Freund als Brückenoffizier an Bord der Enterprise geholt. Und als Gary während der Durchquerung der Galaktischen Barriere transformiert worden war, hatte es an Kirk gelegen, ihn zu töten.

Der Captain schüttelte kurz den Kopf, um die Erinnerungen an alte Tage zu vertreiben, dann zog er seine Stiefel an und brach auf. Mit großen Schritten durchquerte er den Flur, vorbei an Mitgliedern der Mannschaft, die in Zweieroder Dreiergruppen unterwegs waren. Kirk bedachte sie auf dem Weg zum Turbolift mit der Andeutung eines Nickens. Dann fuhr er alleine hoch zur Brücke.

Die Nystrom-Anomalie erschien auf dem Hauptschirm als kaum mehr als ein leuchtendes Oval vor dem Hintergrund einer Landschaft aus Sternen. Selbst mit den hochmodernen Sensoren und computergesteuerten Farbverstärkern, mit denen die Enterprise ausgerüstet war, lieferte das übermittelte Bild nur geringfügig mehr wissenschaftliche Daten als die bereits vorhandenen aus dem Bestand der Friendship 1, einer Warp-Sonde der ersten Generation, die das stellare Objekt vor 90 Jahren entdeckt hatte.

Auf den ersten Blick schien es, als sei das einzig Bemerkenswerte an den Bildern der uralten Sonde aus der Zeit vor der Gründung der Föderation, dass sie so lange funktionstüchtig geblieben und in der Lage gewesen war, diese zurück zur Erde zu übermitteln. Das namenlose stellare Objekt wurde zunächst als kleiner planetarischer Nebel identifiziert, dessen Hülle sich aus Wasserstoff und anderen Gasen zusammensetzte, die ein Roter Riese im Zuge seiner Transformation zu einem Weißen Zwerg ausgestoßen hatte. Dann registrierte Doktor Loretta Nystrom, eine Nachwuchswissenschaftlerin, die man damals mit der Begleitung der Langzeitmission beauftragt hatte, dass der Nebel während des weit entfernten Vorbeiflugs der Friendship 1 keinerlei Zeichen von Ausdehnungen oder Verdichtung zeigte. Stattdessen stellte sich heraus, dass es sich bei dem Objekt um eine weitgehend stabile Akkretionsscheibe mit einem statischen Durchmesser von fünf Milliarden Kilometern handelte.

Naturgemäß wurden diese Informationen heute als unzuverlässig betrachtet, da man aufgrund der großen Entfernung bei der Erhebung der Messungen von einer Signalverschlechterung ausging. Hinzu kam, dass der Einsatz der Raumsonde fast ein Jahrhundert zurücklag. Die Datenübertragung von der Friendship 1 war einige Monate später abgerissen, woraus man schloss, dass die Sonde den Dienst aufgegeben hatte und verloren war. Die im Anschluss in die Tiefen des Alls ausgesandten Sonden zur weiteren Erforschung der Anomalie bestätigten nicht nur die ursprünglichen Abtastungen, sondern brachten auch noch eine weitere unerklärliche Eigenheit des Phänomens zum Vorschein.

Im Laufe der Jahrzehnte mauserte sich die Nystrom-Anomalie unter den Astronomen der Föderation zu einem ihrer merkwürdigsten Mysterien. Manche von ihnen hatten die Theorie aufgestellt, dass sie aus einer bislang unbekannten Form von Dunkler Materie bestand, andere mutmaßten, dass sie es mit einem fremdartigen extradimensionalen Konstrukt zu tun hatten. Es gab sogar die Meinung, dass sie in der Realität gar nicht existiere und es sich bei ihr lediglich um einen Sensorschatten handele. Diese Debatten führten letztendlich zum aktuellen Auftrag der Enterprise: Die Mannschaft sollte die Anomalie in Echtzeit untersuchen und Antworten auf seit Langem offene Fragen liefern. Bislang waren diese jedoch versagt geblieben.

Spock studierte das Bild der Anomalie von seiner aktuellen Position im Kommandosessel, während Ensign Pavel Chekov die Wissenschaftsstation bemannte. Unfähig, aus der unscharfen visuellen Darstellung nützliche Informationen zu gewinnen, wandte sich der Erste Offizier dem jungen Ensign zu, der sich gerade über das Sichtgerät beugte. Spock fühlte den unlogischen Drang, einen Bericht zu verlangen, obwohl er wusste, dass man ihm sämtliche neuen Erkenntnisse sofort melden würde. Dennoch fand es der Vulkanier weniger interessant, den Bildschirm zu beobachten, als die Bewegungen von Chekovs Rücken und Schultern, der weiter still seinen Untersuchungen nachging.

Spock hörte, wie hinter ihm die Türen des Turbolifts aufglitten. Da es sich mit 99,9-prozentiger Wahrscheinlichkeit um Captain Kirk handelte, der zu seiner Ablösung kam, erhob sich Spock von seinem Sitz. »Captain«, begrüßte er Kirk, als dieser die Stufen zum Platz des kommandierenden Offiziers hinabschritt, und schickte sich an, seinerseits Chekov auf dessen zeitweilig eingenommenem Posten abzulösen.

»Spock«, erwiderte Kirk den Gruß. »Bericht.«

»Wir sind annähernd drei Milliarden Kilometer von der Nystrom-Anomalie entfernt«, sagte Spock, während er sich einen ersten Überblick über die Anzeigewerte der Wissenschaftsstation verschaffte. »Unglücklicherweise sind die Daten, die unsere Sensoren sammeln, beklagenswert unvollständig.«

»Wir können das Mysterium also nicht der minderwertigen Ausrüstung der alten Sonden ankreiden.« Kirk nahm seinen Platz im Kommandosessel ein. Neugierig betrachtete er den Hauptschirm, bevor er fragte: »Ist das die maximale Auflösung, die wir hinbekommen?«

»Ja, Sir«, antwortete Chekov und setzte sich vor das Navigationspult neben der Steuerkonsole von Lieutenant Hikaru Sulu. »Woraus auch immer diese Anomalie besteht, es lässt unsere Abtastversuche nicht durch. Was das Phänomen betrifft, sind wir blind wie ein Maulwurf, wie man so schön zu sagen pflegt.«

»Und gibt es etwas Neues über die Subraumturbulenz, auf die wir eben getroffen sind?«

»Ja, Sir«, meldete sich Sulu zu Wort, ohne die Steuerkonsole zu vernachlässigen. »Wir stoßen immer noch auf eine große Anzahl an Subraumverzerrungen, aber ich kann sie kompensieren.«

»Gute Arbeit, Mister Sulu. Ich spüre nicht das Geringste davon.« Kirk schenkte dem Steuermann ein anerkennendes Lächeln und wandte sich seinem Ersten Offizier zu: »Hätten die alten Sonden nicht selbst mit ihren beschränkten Möglichkeiten die Subraumverzerrungen aufspüren müssen? Und überhaupt: Warum haben wir sie nicht rechtzeitig bemerkt?«

»Das wäre zu erwarten gewesen, Sir.« Spock blickte von seinen Instrumenten auf. »Das Muster der Subraumverzerrung, mit der wir es hier zu tun haben, deutet darauf hin, dass die Nystrom-Anomalie das örtliche Raum-Zeit-Kontinuum und den Subraum krümmt, etwa so wie ein Stern oder ein anderes Objekt mit vergleichbar großer Masse. Allerdings fehlt der zugehörige Gravitationseffekt.«

»Verquerer und verquerer«, murmelte Kirk gedankenverloren und blickte erneut auf das rätselhafte Objekt auf dem Hauptschirm. »Mister Sulu, wie schlimm sind die Subraumverzerrungen?«

»Nicht besonders, Sir«, antwortete Sulu. »Sie sind aber ziemlich unkalkulierbar.«

Kirk nickte. »Aktuelle Annäherungsgeschwindigkeit?«

»Ein Viertel Impuls.«

»Holen wir sie uns. Halbe Impulskraft voraus.«

»Aye, Sir«, antwortete Sulu, während er die nötigen Befehle eintippte. »Halber Impuls.«

Das Deck begann merklich zu erbeben, als das Schiff durch eine Reihe von Subraumresonanzwellen, die es hier eigentlich gar nicht geben dürfte, hindurch beschleunigte. Während Spock die Subraummesswerte, die regelmäßig an seine Station übermittelt wurden, analysierte, nahm in seinem Kopf eine Hypothese langsam Gestalt an. Je mehr Daten dem Wissenschaftsoffizier zur Verfügung standen, desto leichter fiel es ihm, mögliche Schlüsse daraus zu extrapolieren. Plötzlich störte der Captain seine Konzentration, als er von seinem Sessel zu der roten Reling ging, die das Zentrum der Brücke von den höher gelegenen Stationen trennte. »Spock … bilde ich mir das nur ein … oder strahlt die Anomalie in ihrem Kern jetzt heller?«

Spock drehte sich um und betrachtete den Hauptschirm. Er zog die linke Augenbraue hoch. »Dem Anschein nach ist das korrekt.« Er wandte sich wieder seinen Monitoren zu und verglich die älteren Messwerte mit den aktuellen. »Die Spitzenwerte der Lumineszenz in diesem speziellen Bereich haben seit dem Beginn unserer Annäherung um 15,80 Prozent zugenommen.«

»Was wir hier vor Augen haben ist lediglich eine computergenerierte und verstärkte visuelle Interpretation unserer Sensordaten«, stellte Kirk fest.

»Korrekt, Sir«, bestätigte Spock. »Die Subroutinen der Sensoren sind zur Kompensation des subjektiven Eindrucks von Entfernungen programmiert und führen notwendige Korrekturen durch, um eine möglichst hohe Genauigkeit bei wissenschaftlichen Analysen zu gewährleisten. Demzufolge sollte eine Annäherung keinen Einfluss auf die Darstellung der Lumineszenz haben.«

Kirk fasste den Hauptschirm mit nachdenklichem Gesicht erneut ins Auge. »Wir analysieren die Nystrom-Anomalie mit denselben Methoden, wie früher die Sonden. Wie wäre es, wenn wir sie uns einmal mit bloßem Auge nur innerhalb des sichtbaren Lichtspektrums ansehen würden?«

Spock war sich darüber im Klaren, dass ihn der Captain mit seiner Bemerkung nicht zu Spekulationen animieren wollte, sondern ihm einen Befehl erteilt hatte. Nachdem er an seiner Station die Computerprotokolle zur Sensorverstärkung des Bildschirms deaktiviert hatte, war ein kleiner aber signifikanter Unterschied erkennbar. Die Anomalie erschien nun als durchsichtiges Feld mit einer einzelnen großen, Licht emittierenden Quelle im Zentrum.

»Ein Stern«, sagte Kirk. »Nein, ein komplettes Planetensystem, umgeben von …«

Der Wissenschaftsoffizier schüttelte den Kopf. »Wir empfangen keine gravimetrischen Daten oder irgendetwas anderes, das einem Planetensystem entspräche. Es könnte sich also um eine Illusion handeln.«

Kirk zuckte mit den Achseln. »Wie lautet das alte vulkanische Sprichwort, Spock? Indizien, die das Auge liefert, sind bisweilen resistent gegen Logik.«

Spock zog, beeindruckt vom Wissen des Captains, einen Mundwinkel langsam nach oben. »Oder wie die Menschen sagen: Glaube nicht alles, was du siehst.«

Kirk lächelte. »Und was, wenn es sich hier um ein Planetensystem handelt, dessen Gravitationsfeld durch eine Art Schild begrenzt wird? Wir müssen es uns aus der Nähe anschauen.« Der Captain rief Sulu zu: »Steuermann, volle Impulskraft. Bringen Sie uns direkt bis an den Rand der Anomalie.«

Der Flug dorthin entpuppte sich als turbulenter als erwartet – zumindest verlief er weniger glatt, als Sulu es gerne gehabt hätte. Selbst die kleinste Erschütterung kränkte seinen Stolz auf seine Fähigkeiten als Pilot. Beim leichtesten Schlingern, das die Impulstriebwerke als Reaktion auf eine unerwartete Subraumenergiewelle verursachten, zuckte er innerlich zusammen. Mit Improvisationsgeschick brachte er die Enterprise jedes Mal schnell wieder auf geraden Kurs. Gelinde gesagt stellte es sich als eine echte Herausforderung dar, die Enterprise in ein Planetensystem zu steuern, das keinen bekannten Regeln folgte. Die spärliche Menge an Sensordaten, die sie der Nystrom-Anomalie entlocken konnten, legte die Vermutung nahe, dass es sich bei dem Stern in ihrem Zentrum um einen Unterzwerg der Spektralklasse M handelte. Mithilfe dieses Wissens gelang es ihm, den Flug größtenteils reibungsfrei zu gestalten. Sein Vorgehen ähnelte seiner Vorstellung davon, wie seine Vorfahren vor langer Zeit – nur mithilfe des Nordsterns und unzureichenden meteorologischen Informationen, dafür aber mit viel Intuition – auf dem Pazifischen Ozean navigiert hatten.

Als die Enterprise immer weiter zu dem vermeintlichen Rand des Objekts aufschloss, löste sich die Anomalie auf dem Hauptschirm auf und verwandelte sich von einem verschwommen Schleier in ein schimmerndes Feld, bestehend aus Billionen funkelnder Edelsteine. Obwohl die vorderen Sensoren nur das sichtbare Licht erfassten, wuchsen die Juwelen beständig zu riesigen onyxfarbenen kristallinen Asteroiden an, die das Licht der Sonne in der Mitte der Anomalie brachen. Der Annäherungsalarm blieb verdächtig ruhig. »Captain, trotz der geringen Entfernung erhalte ich keine akkuraten Messungen«, verkündete Sulu. Wenn er seinen Augen trauen durfte, besaßen die größten der Objekte mindestens den dreifachen Umfang der Enterprise.

»Maschinen stopp, Mister Sulu«, wies ihn Kirk an. Für einen Moment sprach keiner auf der Brücke auch nur ein Wort. Alle nahmen still den Eindruck in sich auf.

Es lag an Lieutenant Uhura, die sich auf ihrem Sitz am Kommunikationspult vorbeugte, das Schweigen zu brechen: »Es ist wunderschön.«

»Und faszinierend.« Spock blickte von seinen Anzeigen hoch zum Hauptschirm. »Unsere Scans liefern noch immer keine Messwerte. Es scheint, als absorbiere das Feld sämtliche Energie von außen – sowohl die unserer Sensoren als auch die Mehrheit der stellaren Emissionen.«

»Mit Ausnahme des sichtbaren Lichts«, bemerkte Kirk.

»Ja«, pflichtete ihm Spock bei. »Äußerst seltsam.«

Nach Jahren des gemeinsamen Dienstes mit dem vulkanischen Wissenschaftsoffizier konnte Sulu die kleinste Spur von Sorge aus dessen ansonsten emotionsloser Stimme heraushören. Und in diesem Augenblick klang der Vulkanier verunsichert. »Keinem unserer Standard-Analyseprotokolle gelingt es, irgendeine Information über die Natur und die Zusammensetzung der Objekte zu gewinnen.«

»Können wir ein kleineres davon an Bord beamen?«, fragte der Captain. »Um es aus der Nähe zu untersuchen?«

Spock antwortete: »Unmöglich. Der Transporter ist ohne wirksame Zielerfassung der Koordinaten nicht dazu in der Lage.«

»Traktorstrahl?«, machte Kirk einen zweiten Vorschlag. Als Spock die Idee nicht sofort verwarf, ordnete der Captain an: »Mister Sulu, versuchen Sie, ein nicht allzu großes zu uns herzuziehen.«

»Aye, Sir.« Der Steuermann musste die Traktorstrahlemitter zwar manuell justieren, dennoch schaffte er es, den Strahl treffsicher auf einen der seltsamen Kristalle zu richten. Der Effekt auf die Flugbahn des Objekts war gleich null. »Offensichtlich werden Gravitonen ebenfalls absorbiert.«

Kirk rieb sich das Kinn, während er darüber nachdachte. Schließlich sagte er: »Dann machen wir es halt auf die gute alte Art.« Er drehte sich zu seinem Sessel um und drückte einen Knopf auf einer der Armlehnen. »Kirk an Maschinenraum.«

Die unverkennbare Stimme des Chefingenieurs ertönte aus dem Lautsprecher des Interkoms: »Scott hier, Captain.«

»Korrigieren Sie mich, wenn ich falschliege, Mister Scott«, sagte Kirk und nahm Platz, »aber haben wir nicht noch einen Greifer auf Lager?«

»Aye, das haben wir.«

»Und ist er funktionsfähig?«

»Sir!« Scotty klang aufrichtig empört. »Sie wollen mir doch nicht unterstellen, dass es an Bord meines Schiffs auch nur ein einziges defektes Arbeitsgerät gibt?«

»Um Himmels willen, nein, Mister Scott.« Kirk gelang es erfolgreich, sein Lächeln nicht durchklingen zu lassen. »Wie lange brauchen Sie, um ihn betriebsbereit im Frachtraum aufzubauen?«

»Eine Stunde, Sir. Darf ich fragen zu welchem Zweck?«

»Natürlich. Wir gehen Angeln.«

Je länger sich Scotty mit dem Innenleben der alten Greifvorrichtung beschäftigte, desto nervöser wurde er und fürchtete, den Zeitplan nicht einhalten zu können, obwohl er ihn schon vervierfacht hatte.

Der Ingenieur lag im großen Frachtraum am hinteren Ende des Schiffs flach auf dem Bauch und leuchtete mit einer Lampe in die geöffneten Armaturen der unförmigen grauen Apparatur. Mit der anderen Hand stocherte er mit einer Sonde in den veralteten Schaltkreisen herum. Die Traktorstrahlemitter an den Seitenwänden des Frachtraums dienten gewöhnlich dazu, den Ein- und Austritt von Nachschubpaletten durch die Tore zu steuern, die sich im höher gelegenen Heck-Hangar für die Raumfähren befand. Die Energieversorgung und das Steuerkabel des Emitters waren nun mit dem älteren Gerät verbunden, aber es weigerte sich aus irgendeinem Grund hartnäckig, sich aktivieren zu lassen. Oder aus einer Myriade von Gründen, wie Scotty inzwischen erkannt hatte.

»Ach«, ächzte der Ingenieur mit einem Mikrolaser zwischen den zusammengebissenen Zähnen. Er tauschte das Werkzeug mit demjenigen aus, das er zuvor in der Hand gehalten hatte, und griff tief in die Innereien der Maschine, um eine weitere defekte Verbindung zu reparieren. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er geglaubt, dass dieses uralte Stück Technik aus der Prä-Föderations-Enterprise ausgeschlachtet worden sei. Baugleiche Greifer waren Teil der Standardausrüstung auf fast allen Raumschiffen jener Ära gewesen. Dies hatte sich bis Anfang des aktuellen Jahrhunderts nicht geändert. Mit der Weiterentwicklung und Ausreifung der Traktorstrahltechnik verloren die alten Apparaturen ihren Zweck. Scotty hatte seit seinem ersten Trainingsflug auf der Akademie keinen Greifer mehr im Einsatz gesehen; und es hatte ihn wirklich überrascht, bei einer Inspektion kurz nach seiner Versetzung auf die Enterprise hier einen solchen vorzufinden. Soweit er es nachvollziehen konnte, war der Greifer – noch vor dem Stapellauf – auf Betreiben des Ersten Offiziers von Captain April, eingelagert worden. Seitdem hatte er keine Verwendung gefunden.

Schließlich gelang es Scotty, die richtige Diagnose zu ermitteln. Er verschraubte gerade die Abdeckung des Greifers wieder, als eine der seitlichen Türen des Frachtraums aufglitt und Captain Kirk eintrat. »Wie geht es voran, Mister Scott?«

»Alles im Lot, Sir.« Zusammen gingen sie aus dem Frachtraum in die kleine Kontrollstation neben der Raumschleuse. Sofort nachdem Scotty die Tür hinter sich verriegelt hatte, setzte er sich an das primäre Kontrollpult. Von hier aus hatte der Ingenieur durch das transparente Aluminiumschott den besten Blick auf das geräumige, leere Deck.

»Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Sir«, sagte Scotty, während er das Werk seiner Hände einem letzten Check unterzog. »Ich war nie ein guter Fischer, und mit dieser Sorte von Angelrute fehlt mir jegliche Erfahrung.« Es hatte einiges an Improvisation und kreativer Computerprogrammierung bedurft, um die Traktorstrahlkontrollen für den Greifer zu modifizieren, und Scotty konnte nur hoffen, dass in der Praxis alles so funktionieren würde, wie er es sich in der Theorie vorstellte.

»Das Angeln ist ein Sport, bei dem man Geduld braucht.« Kirk setzte ein ungezwungenes Lächeln auf. Scotty nickte, dankbar für den Zuspruch des Captains. Insgeheim wünschte er sich jedoch handfesteren Beistand.

Zufrieden mit den Anzeigen des Emitters aktivierte Scotty die Sequenz zur Einleitung des Druckausgleichs. Ein Alarm schrillte, als die Atmosphäre austrat. Nachdem die Luft vollständig entschwunden und das Alarmsignal verstummt war, tippte Scotty ein weiteres Kommando ein. Durch die transparente Trennwand beobachtete er, wie sich die gewaltigen Hangartore öffneten. Dabei erhielt er einen ersten Eindruck davon, was hinter dem Schiff lag.

Die Enterprise hatte so weit beigedreht, dass Kirk und Scott von ihrem Aussichtspunkt am Heck des Schiffs direkt auf das enorme Feld kristalliner Brocken sehen konnten, die langsam durch den Orbit des Sterns trudelten. Bei jeder Bewegung reflektierten die schwarzen Stellen auf ihrer Oberfläche ein sonderbar gedecktes, aber dennoch atemberaubendes Farbspektrum, ähnlich einem Ölfleck auf einer seichten Pfütze. »Meine Güte, was für ein herrlicher Anblick«, flüsterte Scotty ergriffen. Es kam ihm fast schon unglaublich vor, dass Objekte, die für Sensoren unsichtbar waren, auf das bloße Auge einen so wundervollen Eindruck machten.

»Der Bildschirm wurde dem alles andere als gerecht«, begeisterte sich Kirk, nicht weniger berührt. »Das beweist einmal mehr, dass es keinen Ersatz dafür gibt, Menschen hier raus zu entsenden, damit sie so etwas wie dies aus nächster Nähe betrachten können.« Der Captain riss den Blick von der wundervollen Szenerie los und sagte: »Jetzt gehen wir fischen.«

»Aye, Sir.« Scotty konzentrierte sich wieder auf seine Instrumente. »Zumindest ist der Angelteich gut gefüllt.« Der Greifer war zu einer Zeit konstruiert worden, in der sich der Mann, der ihn einsetzte, beim Zielen – eher häufiger als seltener – auf seine visuelle Wahrnehmung verlassen musste. Trotz dieses Umstands gelang es Scotty, einen der sich langsam bewegenden Asteroiden aus dem Feld herauszupicken und seine Flugbahn abzuschätzen. Als der Himmelskörper das Zentrum seines Sichtfelds erreichte, drückte er den Auslöser. Am Ende eines Carbonfaserkabels schoss die Duranium-Klaue der Greifvorrichtung aus der offenen Luke – und traf. Der vier Meter lange Splitter von der Form eines Bleistifts trudelte in die entgegengesetzte Richtung, nicht jedoch, bevor der Kopf des Greifers aufprallte und sich in einem kleinen Riss oder einer von einem Mikrometeor verursachten Pockennarbe festsetzte. Scotty hämmerte auf den Kontrollknopf, der das weitere Abwickeln des Carbonfaserkabels stoppte. Er biss die Zähne zusammen, als der Asteroid mit seiner gesamten Masse das Ende des Kabels erreichte. Als das Gewicht des kleinen Planetoiden seine kinetische Energie entfaltete, ruckte das Kabel kurz, aber es hielt.

»Gut gemacht«, lobte Kirk beeindruckt.

Scotty zuckte kurz mit den Achseln und leitete die Rückführung des Kabels in das Schiff ein. Der Kristall wurde langsam herangezogen, Meter um Meter, bis er schließlich sanft auf die Hangartore zuschwebte. Der Ingenieur startete zur Anpassung des Annäherungswinkels des eingefangenen Objekts eine der winzigen Steuerdüsen, die ringförmig am Klauenkopf des Greifers angebracht waren. Da er sich dabei minimal verschätzte, wollte er die Flugbahn mithilfe der gegenüberliegenden Düse korrigieren, um das Objekt sauber durch die Öffnung zu bringen. Der Jetmotor gab ein klägliches Lebenszeichen von sich, dann fiel er aus. »Verdammt!« Plötzlich erstarben sämtliche Anzeigen auf der Fernsteuerung der Greiferklaue.

»Was ist los?«, fragte Kirk.

»Ich weiß es nicht, Sir.« Scotty betätigte eine Kontrolle nach der anderen – keine von ihnen reagierte. »Ich habe keine Ahnung, ob es am Aufprall oder am Alter dieser verfluchten Maschine liegt, aber ich habe keinen Zugriff mehr auf die Fernsteuerung.«

»Kann es sein, dass der Kristall die Befehlsübertragung stört?«, überlegte Kirk. Nicht, dass der Grund für den Ausfall im Moment von großer Wichtigkeit gewesen wäre. Viel spannender war die Frage, was sie dem Asteroiden, der unkontrolliert auf sie zukam, entgegenzusetzen hatten? Die Schilde des Schiffs waren nutzlos, da es sich um ein energieabsorbierendes Objekt handelte. Und es trudelte direkt auf die Kante des Hangartors zu, wo es ernsthaften Schaden anrichten konnte.

Scottys erste Idee war, das Kabel zu durchtrennen. Aufgrund der Massenträgheit wäre dies jedoch zwecklos. Er ging in Gedanken rasend schnell verschiedene Optionen durch. Keine war besonders erfolgversprechend, aber eine erschien zumindest halbwegs geeignet, die dringliche Herausforderung zu bewältigen. Er rief: »Captain, Sie gehen jetzt besser in Deckung.« Dann regulierte er das Drehmoment der Kabelrolle des Greifers auf höchste Leistung. Als sich die Leine spannte, war die Belastung der Spule selbst durch das Schott zu hören. Der Kristall wirbelte herum und steuerte nun wie eine übergroße Harpune direkt auf die Enterprise zu.

»Mister Scott, was …«

In Anbetracht der wachsenden Geschwindigkeit des hereinkommenden Objekts ignorierte Scotty sämtliche Bedenken, die ihm durch den Hinterkopf schossen. Der längliche und verstörend spitze Kristallsplitter nahm stetig Fahrt auf und hatte eine gerade Flugbahn direkt in den offenen Frachtraum eingeschlagen, also stoppte er die Kabelaufwicklung. Der Asteroid stellte zwar seine Beschleunigung ein, er kam aber immer noch mit 30 Metern pro Sekunde heran.

»Runter«, brüllte Scotty und schmetterte die Faust auf den Schalter für die Rekompression des Frachtraums. Dann warf er den Captain mit einem Hechtsprung flach zu Boden. Auf der anderen Seite des Schotts öffneten sich die Luftventile und füllten die Halle mit Gas – das meiste davon entwich schnell durch die offene Luke ins Weltall. Der Strom aus Sauerstoff bot dem Asteroid ausreichend Widerstand, um seine Kollisionsgeschwindigkeit minimal zu verringern, dennoch donnerte er mit einem mächtigen Schlag in den Frachtraum, prallte vom Boden ab und traf die durchsichtige Wand mit genug Wucht, um sie zum Splittern zu bringen. Als die Luft aus dem Kontrollraum zischte, hievte sich Scotty vom Rücken des Captains nach oben und schloss die Schleuse ins All. Wenige Sekunden später war das Deck abgedichtet. Mit einem Blick durch das größtenteils noch intakte Sichtfenster stellte Scotty fest, dass ihr Fang in ungefähr ein Dutzend scharfkantige Stücke – keines davon länger als einen Meter – zerbrochen war, die verstreut herumlagen.

Neben sich hörte er den Captain ächzen und dann sagen: »Wissen Sie was? Langsam reicht es mir für heute damit, von meinen Offizieren zu Boden geschleudert zu werden…«

ZWEI

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Spock richtete den Lauf des Phasergewehrs auf das Ziel und feuerte.

Der Strahl schlug präzise im Zentrum des Kristallfragments ein, das von einer länglichen Klammer auf der anderen Seite des Labors in erhobener Position gehalten wurde. Zunächst schien es keinerlei Auswirkung auf die Probe zu geben. Nach 8,8 Sekunden konstanter Einwirkung formten sich sichtbare Frakturen, die stetig wuchsen. Nach 20 Sekunden löste sich der Kristall in Stücke auf. Dies geschah nicht wie zu erwarten in einer explosiven Eruption, sondern er zersplitterte und fiel einfach auseinander. Die kleinen Scheiben, die sich von der Hauptprobe trennten, klangen wie Glöckchen, als sie auf das Deck herabrieselten.

Spock nahm den Finger vom Auslöser und wandte sich zu Kirk um, der hinter ihm stand. »Wie Sie sehen, kann dieser Kristall keine unbegrenzte Menge an Energie absorbieren«.

»Allerdings hat er zunächst eine beachtliche Menge Phaserfeuer aufgenommen.« Kirk ging zum anderen Ende des improvisierten Schießplatzes. Dort hockte er sich hin, um die Bruchstücke zu untersuchen. »Haben Sie eine Theorie, wohin die ganze Energie verschwindet?«

»Vermutlich wird sie in eine Subraumdimension umgeleitet. Die Kristalle besitzen auf molekularer Ebene Ähnlichkeit mit Dilithium, allerdings haben sie nicht den gleichen Effekt auf den Subraum.«

»Können wir das Feld durchqueren, ohne unser Schiff einer Gefahr auszusetzen?«, wollte Kirk wissen.

Spock schüttelte den Kopf. »Die Energieverlagerung stellt keinen Risikofaktor dar. Wir müssen jedoch die Gefahr physischer Beschädigungen durch die Kristalle einkalkulieren.«

»Und wenn wir versuchen, uns mit den Phasern des Schiffs einen Weg freizuschießen?« Der Captain stand auf und streckte die offene Hand aus, in der ein mickriges Häufchen Kristallscheiben ruhte. »Wir hätten es dann zwar mit entsprechend mehr Nystromit zu tun, aber in kleineren Stücken.«

»Ja, Sir.« Spock verzichtete darauf, gegen die Bezeichnung Nystromit aufzubegehren. Die anderen Wissenschaftler in seinem Team hatten sie zu Beginn der Untersuchungen geprägt, ohne zuvor seine molekulare Zusammensetzung festzustellen und dann vielleicht einen passenderen wissenschaftlichen Namen dafür zu finden. Da der Begriff inzwischen selbst vom Captain verwendet wurde, war er quasi zu Allgemeingut geworden und lies sich kaum noch ändern.

Kirk schloss die Faust um die Scheibchen und eilte in seiner bekannten Ungeduld aus dem Labor. »Mister Spock, wir haben bis jetzt nur an der Oberfläche eines der seit langer Zeit ungelösten wissenschaftlichen Mysterien der Föderation gekratzt. Ich habe nicht vor, so schnell aufzugeben.«

»Nicht, dass ich das vorgeschlagen hätte, Sir«, versicherte ihm Spock. »Der Fokus meiner Studie lag auf der Eigenschaft des Nystromits, verschiedene Energien zu absorbieren. Auch wenn es sich den meisten gegenüber resistent zeigt, so gibt es doch eine Energieform, für die es anfällig ist.«

Kirk drehte sich abrupt um. »Welche?«

Spock hielt ihm zur Antwort die rechte Handfläche entgegen. Nach kurzem Zögern ließ der Captain die Kristallbröckchen in Spocks Hand rieseln. Der Wissenschaftsoffizier wählte das Größte darunter aus und pfefferte es quer durch das Labor. Zielsicher traf er den Rest der Probe, der samt seiner Halteklammer nach hinten umkippte. »Kinetische Energie, Sir.«

»Kinetische Energie«, nuschelte Chekov in seinen nicht vorhandenen Bart, gerade noch laut genug, dass es keiner außer Sulu hören konnte.

Sulu quittierte die Bemerkung mit einem Achselzucken. »Hey, was funktioniert, das funktioniert.«

»Ich weiß, aber …« Chekov deutete auf den Hauptschirm. »Wir wurden quasi zu Steinschubsern degradiert.«

Bei besagtem Stein handelte es sich um einen gewöhnlichen Nickel-Eisen-Asteroiden, der sich unter die Nystromitkristalle gemischt hatte, die das All vor ihnen dominierten. Sie hatten ihn mittels des Traktorstrahls aus seiner natürlichen Bahn gezogen und dirigierten ihn nun durch das dichter werdende Feld. Er fegte die kleineren Kristalle einfach zur Seite und schlug bei seinem Vorstoß eine Schneise frei.

»Traktorstrahl unterbrechen«, befahl Spock.

»Traktorstrahl unterbrochen«, bestätigte Chekov und nahm den Finger mit einem Seufzen von der Stopptaste.

Die Untersuchungen des Wissenschaftsteams am Nystromit hatten ihnen erlaubt, einige nützliche Sensorenanpassungen vorzunehmen. Die Abtastungen waren zwar noch immer unscharf – sie glichen eher Sensorschatten als zuverlässigen Angaben –, aber sie waren zumindest aussagekräftig genug, damit Chekov erkennen konnte, dass der frei geräumte Pfad zu schmal für die Enterprise sein würde. Also mussten sie die Prozedur noch einmal mit einem Felsen wiederholen, der mindestens die Größe ihres Schiffs hatte. Vorausgesetzt, ein Objekt dieser Masse würde die Traktorstrahl-Emitter nicht bis zum Ausbrennen überlasten. Es fiel Chekov schwer zu verstehen, warum Spock sich an ein so offenkundig aussichtsloses Unternehmen wagen wollte.

»Mister Chekov«, schaltete sich der Captain ein. »Photonentorpedo laden. Maximale Streuwirkung.«

Da verstand der Russe. »Photonentorpedo feuerbereit«, meldete er, nachdem er die nötigen Kommandos eingetippt hatte. In Gedanken entschuldigte sich der Navigator bei Spock für seinen Argwohn.

»Feuer.«

Der Torpedo sauste von der Abschussrampe durch den freien Raum bis zur Oberfläche des Asteroiden, auf der er detonierte. Die folgende Explosion brachte den Hauptschirm zum Aufleuchten. Nachdem der Computer die Polarisationsfilter zugeschaltet hatte, begrüßte sie der Anblick eines weiten Tunnels, der bis zur Nystrom-Anomalie führte. Plötzlich erwachten sämtliche Stationen auf der Brücke aus ihrem Dornröschenschlaf und lieferten eine Flut von Sensordaten, die in die Computerspeicher strömten und umgehend verarbeitet und analysiert wurden. Chekov erschrak, als er erkannte, wie still es zuvor gewesen war.

»Jetzt haben wir Gewissheit. Es ist tatsächlich ein Unterzwerg der Spektralklasse M«, verkündete Sulu, voller Stolz, weil er richtig gelegen hatte.

»Exakt«, bestätigte Spock von der Wissenschaftsstation aus. »Dazu kommen mindestens sechs Planeten und acht Planetoiden. Der vierte Planet könnte zur M-Klasse gehören.«

»Könnte, Mister Spock?«, hakte Kirk nach.

Spock zögerte kurz, dann setzte er zu einer Erklärung an: »Anscheinend ist das Nystrom-System nicht vollständig frei von Nystromit. Es kommt dort in Teilchenform vor, und hat nach wie vor einen leichten Effekt auf unsere Sensoren.«

»Stellen diese Nystromitteilchen eine Gefahr für das Schiff dar?«, erkundigte sich Kirk. »Können wir die Enterprise in das System fliegen und den Planeten aus der Nähe erkunden?«