Das Buch

Im Juli fliegt Mia nach Florida, denn der HipHop-Star Anton Santiago hat sie als Tänzerin für sein neues Musikvideo gebucht. Dass es in Miami mehr als heiß wird, ist Mia klar, als sie den Musiker sieht. Beim Sex mit Anton Santiago könnte sie vielleicht sogar vergessen, was sie im Juni in Washington D.C. erlebt hat. Doch langsam wird Mia klar, dass es nur einen Mann gibt, in dessen Armen ihre Wunden heilen können ...

Die Autorin

Audrey Carlan schreibt mit Leidenschaft heiße Unterhaltung. Ihre Romane veröffentlichte sie zunächst als Selfpublisherin und begeisterte damit eine immer größere Fangemeinde, bis der Verlag Waterhouse Press sie unter Vertrag nahm.

Ihre Serie »Calendar Girl« stürmte die Bestsellerlisten von USA Today und der New York Times und wird als das neue »Shades of Grey« gehandelt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Kalifornien.

Homepage der Autorin: www.audreycarlan.com

AUDREY CARLAN

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Juli



Aus dem Amerikanischen von
Christiane Sipeer

Verlagsqualität Ullsteinbuchverlage

Ullstein

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ISBN 978-3-8437-1357-3


Deutsche Erstausgabe im Ullstein Taschenbuch

1. Auflage Oktober 2016

© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016

© 2015 Waterhouse Press, LLC

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

The Calendar GirlJuly (Waterhouse Press)

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Titelabbildung: © FinePic®, München

Buchgestaltung: Axel Raidt

E-Book: LVD GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

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Rosa McAnulty

Der Juli ist dir gewidmet, meine puerto-ricanische Prinzessin.
Danke, dass du dafür gesorgt hast, dass die Sprache und die Eigenheiten der Kultur Puerto Ricos authentisch und lebensecht sind.
Du bist ein so wundervoller Teil meines Teams und Unterstützernetzwerks und vor allem eine Freundin.

BESOS, mein Engel.

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Kapitel 1

Blond. Blauäugig. Groß. Eine Göttin. Meine Güte. Das Universum lachte mich aus, und ich stand völlig erstarrt da und musterte die Frau mit der Modelfigur von oben bis unten. Sie sah aus wie Rachels übermenschlich perfekte Schwester. Und ich dachte schon, Rachel sei umwerfend. Weit gefehlt.

Die Frau stand neben einem glänzenden schwarzen Porsche Boxster und wirkte ganz zappelig, als wäre sie unglaublich aufgeregt. Rhythmisch trommelte sie mit den Fingern gegen das Schild mit meinem Namen darauf, das sie hochhielt. Die Art, wie sie auffällig von einem Stilettoabsatz auf den anderen trat, verstärkte die glühenden Wellen nur noch, die sie auszuströmen schien. Aber vielleicht war das auch bloß die Hitze von Miami. Himmel, ich ging fast ein, und die Frau war einwandfrei zurechtgemacht, als wäre sie gerade einem Rockvideo entsprungen. Ihre Jeans war so eng, dass ich die schöne Kurve ihres Hinterns bewundern konnte. Aber das Tanktop war der Knaller. Quer über die großen Möpse stand Fass mich an und stirb geschrieben. Um den glatten Hals trug sie bestimmt zehn Ketten verschiedener Länge und Größe, teilweise mit Perlen. Ihr Haar war rockstarmäßig zu einem komplizierten Geflecht gezwirbelter und loser Strähnen zusammengesteckt.

Nachdem ich sie, wie mir schien, minutenlang angestarrt hatte, traf mich ihr stahlblauer Blick. Schnaufend warf sie das Pappschild durch das Autofenster und schlenderte zu mir herüber. Sie betrachtete meine fließenden schwarzen Haare, das leichte Sommerkleid und die schlichten Ballerinas, die ich an den großen Füßen trug.

»Das wird doch nie was.« Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. »Na los, Zeit ist Geld«, meinte sie flapsig über die Schulter. Der Kofferraum ging auf, und ich warf meinen Koffer hinein.

»Ich bin übrigens Mia.« Ich streckte die Hand aus, und sie setzte eine ultracoole Pilotensonnenbrille auf, drehte sich zu mir und sah mich über den Rand hinweg an.

»Ich weiß, wer du bist. Immerhin habe ich dich ausgewählt.« In ihrer Stimme schwang etwas Widerwille mit. Sie ließ den Wagen an und gab Gas, ohne darauf zu warten, dass ich mich angeschnallt hatte. Mein Körper wurde nach vorn geschleudert, und ich hielt mich am Armaturenbrett aus Glattleder fest.

»Hab ich dir was getan, oder wieso bist du so genervt?« Ich zog meinen Gurt zurecht und schaute sie von der Seite an.

Sie atmete langsam aus und schüttelte den Kopf. »Bin ich nicht«, stöhnte sie. »Tut mir leid. Ich bin wütend auf Anton. Ich hatte gerade was Wichtiges zu tun, als er meinte, ich solle dich abholen, weil er unseren Fahrer braucht, damit er hinten im Escalade ein paar Groupies flachlegen kann.«

Ich schüttelte mich. Großartig, das hörte sich an, als sei mein neuer Boss für diesen Monat ein widerlicher Mistkerl. Nicht noch einer. »Das ist ja blöd.«

Sie bog schnell nach rechts auf den Freeway ein. »Können wir noch mal von vorn anfangen?« Ihr Tonfall war jetzt ernst und entschuldigend. »Ich bin Heather Renee, persönliche Assistentin von Anton Santiago, dem heißesten Hip-Hop-Star des Landes.«

»Ach, ist er das?« Wow. Mir war nicht klar gewesen, dass er eine so große Nummer war. Ich hörte nicht besonders viel HipHop. Eher Alternative und Rock.

Heather nickte. »Ja, alle seine Alben haben Platinstatus erreicht. Er ist der Glamour-Boy des Hip-Hop, und leider weiß er das auch ganz genau«, grinste sie. »Anton will dich gleich kennenlernen. Aber das da kannst du nicht anziehen.« Ihr Blick wanderte über das schlichte grüne Kleid, das ich trug. Es hob meine Augenfarbe hervor und ließ meine Haare fantastisch aussehen. Außerdem war es bequem auf der Reise.

»Warum nicht?« Ich zupfte am Saum des Kleides und wurde plötzlich unsicher.

»Anton erwartet eine Sexbombe mit Killerkurven.« Sie beäugte noch einmal mein Outfit. »Die Kurven hast du ja, aber das Kleid erinnert zu sehr an Sandra Bullock. So wirkst du wie das Mädchen von nebenan. Du musst etwas von den Sachen anziehen, die ich für dich gekauft habe. Im Haus wartet ein Schrank voller Klamotten auf dich. Nimm die. Er erwartet, dass du jederzeit ein Augenschmaus bist.«

Finster blickte ich aus dem Fenster, während der Porsche über den Ocean Drive fuhr. Art-déco-Gebäude mit Blick auf den Atlantik reihten sich an dem langen Küstenstrich aneinander.

»Also ist auf beiden Seiten Wasser?«, bemerkte ich, nachdem wir eine der großen Brücken überquert hatten.

Heather vollführte eine ausholende Handbewegung. »Die Lagune Biscayne Bay und der Atlantik befinden sich jeweils auf einer Seite des Streifens. Wie du siehst«, sie zeigte nach oben zu einer Reihe von Hochhäusern, »sind die meisten Gebäude hier Hotels, wie das Colony Hotel und andere bekannte Wahrzeichen. Und dann gibt es noch die Leute«, sie wackelte mit den Augenbrauen, »die es sich leisten können, hier zu wohnen. Wie Anton.«

Ich betrachtete flüchtig die Häuser, während der Porsche die Straße entlangschoss und der Wind mir durch die Fenster das Haar aufwirbelte. Unzählige kräftige Farben fielen mir auf, wie ich sie nicht oft zu sehen bekam. In Vegas war alles irgendwie braun oder terrakottafarben. In L. A. fand sich von strahlendem Weiß bis hin zu verschiedenen gedeckten Farbtönen alles, was dem kalifornischen Flair entsprach. Aber hier leuchtete die Welt in hellem Orange, Blau und Rosa zusammen mit Weiß.

»Siehst du die ganzen Häuser?« Heather wedelte kurz mit der Hand im Wind in Richtung der Hotels, darunter das Colony und das Boulevard. Ich nickte und beugte mich ein Stück zu ihr, um eine bessere Sicht zu haben. »Abends leuchten die alle in Neonfarben. Fast wie in Vegas.«

Vegas. Wahrscheinlich riss ich die Augen auf, als mein Herz zu pochen anfing. Ich verspürte einen schmerzhaften Drang, der mir fast das Herz abdrückte. Den Drang, Maddy und Ginelle anzurufen. Oh Gott, Gin würde sich unglaublich aufregen, wenn ich ihr erzählte, was in Washington, D. C. passiert war. Besser, ich erwähnte es gar nicht. Vielleicht konnte ich ja damit durchkommen? Die Idee hatte auf jeden Fall was für sich. »Das ist ja cool. Ich stamme eigentlich aus Vegas. Ich freue mich schon darauf, die Gebäude leuchten zu sehen.« Ich lehnte mich in meinem Sitz zurück und genoss die leichte Brise, die langsam die Spannung vertrieb, die mir aus D. C. und Boston, wo ich Rachel und Mason hatte zurücklassen müssen, noch in den Knochen steckte.

Ich holte mein Handy heraus und schaltete es ein. Es gab mehrere Töne von sich. Ich überflog die Nachrichten. Rachel bat mich, mich zu melden, wenn ich angekommen war. Tai fragte, ob der neue Kunde ein Gentleman sei oder ob er sich wieder ins Flugzeug setzen solle. Und eine SMS von Ginelle. Oh Mist. Das war nicht gut.

Mein Magen fühlte sich so riesig an wie der Grand Canyon, als ein unendliches Grauen sich darin ausbreitete.

An: Mia Saunders

Von: Hurenschlampe

Du wurdest verletzt? Und warst im Krankenhaus? Wieso zum Teufel habe ich das in einer SMS von Tais Bruder erfahren? Wenn du nicht schon tot bist, bringe ich dich um!

Ich sog Luft durch die Zähne und schrieb zurück.

An: Hurenschlampe

Von: Mia Saunders

Nur ein kleiner Zwischenfall. Da war nichts weiter. Alles okay. Mach dir keine Sorgen um mich. Ich ruf dich später an, wenn ich beim Latin Lov-ah bin.

An: Mia Saunders

Von: Hurenschlampe

Latin Lov-ah? Echt jetzt? Der ist die Riesennummer im Hip-Hop und heiß wie eine Habanero.

An: Hurenschlampe

Von: Mia Saunders

Soll aber das Hinterletzte sein, wie ich gehört habe.

An: Mia Saunders

Von: Hurenschlampe

Also an meinen Hintern dürfte der jederzeit … am besten mit der Zunge!

An: Hurenschlampe

Von: Mia Saunders

Du bist doch pervers!

An: Mia Saunders

Von: Hurenschlampe

Ich wäre gern die Beilage zu seinem Hauptgericht. Der Churro zum Nachtisch. Der flambierte Flan, den er auspustet und ableckt.

An: Hurenschlampe

Von: Mia Saunders

Hör auf! Blöde Schlampe. Meine Güte, gegen dich bin ich ja ’ne Heilige.

An: Mia Saunders

Von: Hurenschlampe

Na wenigstens weiß ich, dass du garantiert mit an Bord bist, wenn ich zur Hölle fahre!

Ich lachte laut auf, und Heather fragte: »Arbeit?« Sie zeigte auf mein Handy. Ich stellte es lautlos und steckte es in meine Tasche.

»Tut mir leid. Meine beste Freundin fragt, was bei mir los ist.« Ich seufzte und warf meine Haare über die Schulter. Die Hitze machte mir zu schaffen. Ich beugte mich vor und drehte die Klimaanlage auf, damit sie mich abkühlte. Ah, viel besser. Heather schien sich nicht daran zu stören, die kühle Luft zu verschwenden, denn sie hatte auch noch die Fenster unten.

»Seid ihr eng befreundet?« Sie spitzte die Lippen und bog in eine Tiefgarage ein.

Ich runzelte die Stirn. Welchen Teil von »beste Freundin« hatte sie nicht verstanden? »Ja. Enger geht’s nicht. Wir kennen uns schon seit Ewigkeiten.«

Sie schnaufte und parkte ein. »Du Glückliche. Ich habe keine Freunde.« Ihre Worte trafen mich wie ein Stromschlag.

»Wie meinst du das? Jeder hat Freunde.«

Heather schüttelte den Kopf. »Ich nicht. Arbeite zu viel, um Beziehungen zu pflegen. Anton hat immer Vorrang. Ich bin zwar nur seine persönliche Assistentin, aber ich muss den Laden zusammenhalten. Außerdem habe ich einen Abschluss in Betriebswirtschaft. Vielleicht treffe ich eines Tages die Entscheidungen für einen Künstler. Wenn ich mir meine Träume erfüllen will, muss ich hart arbeiten.«

»Scheint so.« Ich zuckte mit den Schultern und folgte ihr. Sie ging entschlossen an einer Reihe beeindruckender Luxusautos vorbei auf einen Fahrstuhl zu.

»Wow«, flüsterte ich, als ich einen Blick auf den Mercedes, den Range Rover, einen Escalade, BMW, Bentley, Ferrari und noch andere europäische Wagen erhaschte, die ich nicht genauer betrachten konnte. Doch plötzlich erblickte ich etwas, das mich wie angewurzelt stehen bleiben ließ – ich klebte förmlich am Beton fest. Die heißesten Maschinen, die ich je gesehen hatte.

Eine BMW HP2 Sport – weiß mit blauen Felgen und 1170 Kubikzentimetern. Ich hätte mir fast in die Hose gemacht. Dann war da noch eine MV Augusta F4 1000, das einzige Bike der Welt mit radial angeordneten Ventilen. Ich drehte mich um, ließ meinen Koffer los und berührte den scharfen Sitz des dritten Gerätes. Eine Icon Sheene komplett in Schwarz mit glänzendem Chrom. Ich streichelte darüber wie ein Liebhaber, folgte mit der Fingerspitze den runden Kurven und kräftigen Kanten. Diese Maschine kostete über einhundertfünfzigtausend Dollar. Scharfes Teil. Macht mich auch gleich ganz scharf.

Luft, ich brauchte Luft! Ich keuchte, ging in die Hocke und konnte meine Augen immer noch nicht von der Schönheit abwenden. Süßes Baby, komm zu Mama. Ich hätte in dieser Garage wohnen und einfach die Maschinen meiner Träume anstarren können.

»Äh, hallo? Erde an Mia! Was zum Teufel tust du da?«

Ich hörte ihre Stimme, antwortete aber nicht. Sie war wie eine lästige Mücke, die immer wiederkam, egal wie oft man danach schlug.

Ich stand langsam auf, holte tief Luft und sah mir die Reihe noch einmal an. Am Ende ragte eine orangeschwarze und hochgetunte KTM Super Duke hervor. Wahrscheinlich die Erschwinglichste der ganzen Sammlung und weit oben auf der Liste der Wahnsinns-Bikes, die ich mir eines Tages vielleicht würde leisten können. »Wem gehören die Maschinen?«, fragte ich. Meine Stimme klang im Angesicht der supersexy Zweiräder eine Oktave tiefer.

»Anton. Das ist sein Haus. Hier drinnen befinden sich sein Studio, sein Tanzclub, sein Fitnessstudio und natürlich das Penthouse, in dem er wohnt. Die anderen aus seinem Team haben auch jeweils eine Wohnung hier im Gebäude. Du hast sogar dein eigenes Loft, in dem wir sonst Promis unterbringen, die zu Besuch kommen, oder Leute, die an einem seiner Alben mitarbeiten.«

»Fährt er auch mit den Bikes?«

Sie grinste. »Bikerbraut, was?«

»Kann man so sagen.« Ich musste mich zwingen zu antworten, auch wenn ich den Blick noch nicht von den wunderschönen Maschinen losreißen konnte.

»Vielleicht nimmt er dich ja mal mit.«

Das erregte meine Aufmerksamkeit. »Mitnehmen?«

Sie nickte und lächelte hübsch. Mit diesem Lächeln hätte sie jedes Produkt der Welt bewerben können.

»Bestimmt nicht. Liebes, ich fahre nicht mit, ich fahre selbst

***

Heather gab mir ganze fünfzehn Minuten, um mich frisch zu machen, bevor sie mich zu Anton hinunterbringen wollte. Ich sprang unter die Dusche, wusch den Reisedreck ab und entdeckte das Outfit, das sie für mich herausgelegt hatte. Outfit war eigentlich nicht das richtige Wort. Was da auf dem Bett lag, waren ein Stofffetzen, eine Hotpants und Stilettos mit Riemchen, die sich bis zum Knie überkreuzten. Ich zog die Hose an und betrachtete die Saumlänge im Spiegel. Dem aufmerksamen Betrachter würde der Streifen Pobacke nicht entgehen. Na toll. Ich drehte mich nach vorn. Die Shorts war so kurz, dass das Taschenfutter unten herausschaute. Das Top war süß. Es war blusig und wurde an den Schultern von zwei dünnen Bändchen zusammengehalten. Ich schloss die Augen, zählte bis zehn und redete mir selbst gut zu.

Du schaffst das schon, Mia.

Vor etwas mehr als einem Monat bist du mit Tai und dem Modelteam im Bikini herumgesprungen. Das hier sind doch sogar noch eher richtige Klamotten. Außerdem bist du nicht aus moralischen Gründen oder Schicklichkeit hier, du sollst heiß aussehen und die weibliche Hauptrolle in einem Rockvideo spielen. Äh, einem Hip-Hop-Video.

Ich stöhnte und band mir einen Pferdeschwanz. Es kam mir vor, als wäre es tausend Grad heiß, aber vielleicht hatte sich auch nur meine Körpertemperatur erhöht.

Langsam atmete ich durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus, dann ging ich in den Wohnbereich. Dort war Heather und telefonierte. Sie musterte mein Outfit von den Zehenspitzen bis zu den Haaren. Als sie meinen Kopf sah, verzog sie das Gesicht. Ohne das Handy aus der Hand zu legen trat sie zu mir, zog am Haargummi und ließ mir die dicken Locken über die Schultern fallen. »Besser«, flüsterte sie und zupfte noch ein bisschen daran herum. Dann schnippte sie mit den Fingern und ging zur Tür.

»Hast du gerade ernsthaft nach mir geschnippt?« Der lockere Umgang, den wir auf der Fahrt vom Flughafen noch miteinander gehabt hatten, löste sich in Luft auf.

Heather hatte immerhin den Anstand, betroffen dreinzuschauen. »Tut mir leid«, formte sie mit den Lippen. »Ja, Anton, sie ist jetzt bei mir.« In ihren Worten schwang so viel Ärger mit, dass man ihn fast mit Händen greifen konnte. »Wir kommen in den Tanzraum. Ja, in fünf Minuten.«

»Tut mir leid, Mia. Anton macht mich ganz verrückt. Er ist leider gerade ziemlich in Eile. Ich wollte nicht unhöflich sein. Anscheinend waren die Hintergrundtänzer sehr schlecht. Die könnten sich wohl nicht mal bewegen, wenn sie Bienen in der Hose hätten.«

Ich versuchte, mit ihr zu lachen, aber es klappte nicht richtig. Panik rieselte durch mich hindurch und blieb schwer in meiner Magengrube liegen. Anton würde mit Sicherheit nicht begeistert sein, wenn er merkte, dass das weiße Mädchen hier nicht tanzen konnte. Wenigstens hatte er kein Widerrufsrecht. Er musste die Rechnung bezahlen, egal ob ich tanzen konnte oder nicht. Das stand nicht in meinem Profil, und ich hatte es auch nie behauptet.

Der Fahrstuhl ging auf, und wir standen in einem Raum, der komplett von Glaswänden umgeben war. Das normale Licht war ausgeschaltet, dafür flackerte Schwarzlicht, und ein paar Scheinwerfer waren auf mehrere Körper gerichtet, die sich zu dem wahnsinnig lauten Beat bewegten. Ein Mann in Jogging-Shorts und T-Shirt klatschte im Takt und rief den Tänzern Zahlen zu, vielleicht Positionen für ihre Füße oder Hände, keine Ahnung.

Körperwelle

»With me, I’ll go all night …« Stoß

»Let me do you right …« Körperwelle

»And ride it baby, ride …« Stoß

Er griff sich mit der großen Hand in den Schritt, zog sie nach oben und bäumte den Körper auf. Er sah aus wie ein goldbrauner Gott, der es seiner Traumfrau gerade besorgt hatte und den Zustand seiner Waffe überprüfte, bevor er sich wieder in die Sexschlacht stürzte.

Die Musik stoppte abrupt. »Okay, Leute, das reicht für heute. Anton, gut gemacht«, rief der Typ in der kurzen Hose.

Anton sagte nichts und reagierte nur mit einem sehr coolen Zucken des Kinns. Zwei Mädels hängten sich mit Wasser und einem Handtuch an ihn. »Oh, Anton, du warst der Hammer. Total scharf.«

Er blieb ein paar Meter vor mir stehen und hielt meinen Blick fest. Grün zu grün. Seine Augen funkelten, und ich war auf einmal erregt. »Geht jetzt.«

»Aber ich dachte, wir würden nach der Probe noch ein bisschen Spaß haben?« Die beiden rissen sich lautstark um seine Aufmerksamkeit.

Er runzelte die Stirn. »Anton wiederholt sich nicht gern. Vete al carajo«, sagte er und scheuchte sie mit einer Handbewegung weg. Den traurig verzogenen Gesichtern nach zu urteilen konnte das, was er gesagt hatte, nichts Gutes bedeuten. Später fand ich heraus, dass es »Verpisst euch« hieß.

»Lucita.« Er leckte sich die Lippen, und zwar so, dass einem der Rücken kribbelte und sich die Körpermitte verkrampfte. Ja, meine Pussy krampfte sich schon nach einem einzigen Lippenlecken zusammen. »Jetzt bist du also hier, was sollen wir denn nun mit dir anstellen?« Sein puerto-ricanischer Akzent stellte zumindest allerhand mit meinen Sinnen an. Er musterte meinen ganzen Körper noch einmal, langsam und tastend. Ich spürte seinen Blick so stark, als würde er mir mit der Hand über die Haut streichen.

Aus seinen grünen Augen sprach die nackte Lust. Wir standen da, wichen einander nicht aus und trugen einen stillen Kampf der Blicke aus. Nasenflügel bebten, Augen verengten sich, und schließlich brach ich das Schweigen.

»Du könntest mir was zu essen geben. Ich verhungere«, sagte ich. Heather, die viel näher bei mir stand, als ich dachte, lachte prustend auf und lockerte damit die Spannung zwischen mir und dem Latin Lov-ah. Als ich ihn jetzt vor mir stehen sah, war mir völlig klar, woher er den Namen hatte.

Er warf ihr einen Blick zu. »Entschuldige, Anton«, sagte sie und wandte sich ab, konnte ihr Lächeln aber nicht verbergen.

Anton streckte mir die Hand entgegen. »Dann sorgen wir dafür, dass du was zu beißen bekommst, Mia.« So, wie er das sagte, musste ich an hundert andere unanständige Sachen denken, nur nicht ans Essen. Ich leckte mir die Lippen und schmatzte.

»Oh ja, bitte.«