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Originalausgabe

2. Auflage 2019

 

© 2016 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
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Redaktion: Claudia Fregiehn

Umschlaggestaltung: Isabella Dorsch

Umschlagabbildung: ullstein bild – Pressefoto Ulmer

Satz: inpunkt[w]o, Haiger

 

 

ISBN Print: 978-3-7423-0005-8

ISBN E-Book (PDF): 978-3-95971-358-0

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95971-359-7

 

 

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Inhalt

Einleitung

Teufelchen

Schnitzelfreund

Mi amor

Kommunionsparty

Los, arbeiten!

Bye, bye, Baby

Stillen mal anders

Der letzte Tanz

Heilige Scheiße!

Erzählt mir etwas

Babyface

Stein auf Stein

Pater Paella

Mit List zum Diktator

Der Kirchenexperte

Flieger, grüßt mir ...

Die kleinste Hütte

Lösung für alles

Ordnung muss sein!

Nur der Mensch zählt

Clean

Gibt es einen Fußballgott?

Keuschheit

Lieblingsplatz

Guten Morgen, Buenos Aires!

Working Class Hero

Pause muss sein

Ohne Doppelmoral

Die Rechnung, bitte!

Secondhand

Natürlich geht das!

Bälle statt Kamelle

Des Papstes neue Schuhe

Großvater

Leibspeise

Red Nose Day

Ist hier noch frei?

Taschenkontrolle

Nähe zeigen

Einsichten

Gar nicht kreuzbrav

Pope-Dope

Weckruf

Sturm ums Wasserglas

Tschüss, Leute!

Held der Gegenwart

Angela arrabbiata

Papa-Mobil

Quellen

Einleitung

Papst Franziskus ist ein Phänomen. Er ist der »Papst der Armen«, er ignoriert die kirchliche Etikette, sprengt das Protokoll, er ist ein Reformer und ein Konservativer zugleich. Und er ist immer für Überraschungen gut, ob bei Reformen der Vatikanbank, in seinen – für die katholische Kirche seltenen – anerkennenden Worten für homosexuelle Menschen, in seinen Überlegungen zu Frauen in kirchlichen Ämtern, in seinen klaren Äußerungen zur Politik. Franziskus ist aber auch der Papst der kleinen Geschichten, die seine Einstellung zur Menschlichkeit zum Ausdruck bringen. Es sind Geschichten aus dem Alltag, und sie werden deshalb in der ganzen Welt weitererzählt, weil kaum jemand mehr damit gerechnet hätte, dass ein Papst auch alltagstauglich sein kann, geerdet, fast normal. Franziskus zeigt damit, dass er sich in erster Linie als Mensch versteht, weniger als Stellvertreter Gottes auf Erden; dass er nicht abheben will, obwohl man das von ihm in seiner Position nahezu erwartet.

Papst Franziskus wurde als Jorge Mario Bergoglio am 17. Dezember 1936 in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires geboren. Seine Eltern waren aus Italien eingewandert. Er ging in Buenos Aires zur Schule, absolvierte eine Ausbildung zum Lebensmittelchemiker und trat 1958 in die Gesellschaft Jesu ein, den Jesuiten-Orden. Am 13. Dezember 1969 wurde er zum Priester geweiht. 1973 ernannten ihn die argentinischen Jesuiten zu ihrem Leiter (Provinzial). Von 1980 bis 1986 war er Leiter der Theologischen Fakultät der Jesuiten-Hochschule im argentinischen San Miguel. 1992 wurde er Weihbischof von Buenos Aires und 1998 Erzbischof seiner Heimatstadt. Kardinal wurde er am 21. Februar 2001, ernannt von Papst Johannes Paul II. Im Konklave (der Papstwahl) 2005 erhielt er zunächst sehr viele Stimmen, ließ sich dann aber nicht mehr für weitere Wahlgänge aufstellen, sodass Kardinal Joseph Ratzinger zum Papst gewählt wurde. Nach dessen Rücktritt wählten die Kardinäle den Argentinier am 12. März 2013 zum neuen Papst. Jorge Mario Bergoglio wählte als erstes Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche den Papstnamen Franziskus. Der Heilige Franziskus (Franz) von Assisi lebte im Mittelalter und setzte sich ebenso für die Armen ein wie für eine arme Kirche. Dieser Papstname fiel Jorge Mario Bergoglio noch im Konklave ein, direkt nach seiner Wahl, als ihm der brasilianische Kardinal Cláudio Hummes zuflüsterte: »Vergiss die Armen nicht!«

Das Pontifikat begann also mit einer Anekdote, und nur wenig später kam eine zweite hinzu, als der soeben gekürte Papst auf die Loggia des Petersdoms trat und lächelnd sagte: »Brüder und Schwestern ... Guten Abend!«

Franziskus ist der erste Papst, dessen Leben und auch dessen theologische Grundeinstellung sich in Anekdoten erzählen lassen. Das liegt nicht daran, dass es ihm an Ernsthaftigkeit und Tiefgründigkeit fehlen würde, sondern an seiner Nähe zu den Menschen, zum Alltag und zur Normalität. Er hat immer Wert darauf gelegt, unter Menschen zu sein und so gewöhnlich und bescheiden zu leben wie möglich. Ob die U-Bahn-Fahrt als Bischof oder seine Untermiete in Boppard als Doktorand – es sind diese normalen Dinge, die in Form von kleinen Geschichten erzählen, was der heutige Papst unter Demut, Bescheidenheit, Barmherzigkeit und Menschlichkeit versteht. Er lebt sie selbst vor, und die Geschichten, die man über ihn erzählt, sind nicht nur charmant, sondern sie tragen eine Botschaft. Auch in der Bibel stehen viele kleine Geschichten, die Großes verdeutlichen: die Gleichnisse.

Papst Franziskus lebt vor, was er predigt, und ist damit eine Inspiration: Wenn der Papst seine Aktentasche selbst tragen kann – was gibt es dann im Alltag, das sich nicht bewältigen ließe? Wenn der Papst ohne Designerschuhe auskommt, warum dann nicht alle anderen Menschen auch? Man muss nicht katholisch sein, nicht einmal gläubig, um Franziskus zu mögen. Er ist ein Vorbild in Sachen Menschlichkeit.

Teufelchen

»Er war ein kleiner Teufel, wie jeder Junge«, sagte Schwester Rosa, die erste Lehrerin von Jorge Mario Bergoglio. Der Kleine kam in die katholische Schule in Flores, einem kleinbürgerlichen Wohnviertel von Buenos Aires. Dort unterrichteten damals Nonnen, und die Schule gibt es immer noch. Auch als Bischof hielt Jorge Mario Bergoglio noch Kontakt zu seiner Lehrerin Schwester Rosa und besuchte sie regelmäßig auf eine Tasse Tee. Schwester Rosa wurde 101 Jahre alt. Das Gespräch der beiden begann jedes Mal ähnlich, erinnert sich Schwester Martha, die heute die Schule leitet: Bergoglio fragte immer, wie er denn als kleiner Junge so gewesen sein. »Du warst ein Teufel«, sagte Schwester Rosa, und fragte dann direkt weiter: »Hast du dich gebessert?« Darauf brach Bergoglio in schallendes Gelächter aus.

Schnitzelfreund

Papst Franziskus kann kochen. Das hat er als Kind von seiner Mutter zu Hause in Argentinien gelernt. Am besten kann er Milanesas, panierte Schnitzel, auch in Südamerika ein Leibgericht vieler Kinder. Der elfjährige Jorge Mario und seine Geschwister erhielten von ihrer Mutter Regina Maria Sívori Kochunterricht. Der Grund des Koch-Coachings ist allerdings etwas traurig: Nach der schweren Geburt der Tochter Elena Maria war die Mutter eine Zeit lang gelähmt, und die größeren Kinder mussten im Haushalt mit anpacken. Das Baby Maria war wohlauf, und auch die Mutter erholte sich wieder. Die Leidenschaft fürs Kochen hat sich Jorge Mario bewahrt. Von seiner Großmutter Rosa María Vasallo lernte er, gefüllte Tintenfische zuzubereiten, das Leibgericht seiner Schwester Maria, das »kocht er wie kein anderer«, wie Maria sagt. Und Schnitzel isst er immer noch gern – etwa bei und mit Gerhard Ludwig Müller, dem Präfekten der Kongregation für Glaubenslehre, der 2012 von Regensburg nach Rom gekommen war Nach einem ausgiebigen Schnitzelmahl in Müllers römischer Residenz soll er auf Bayerisch gesagt haben: »I ko nimma.«

Mi amor

Jose Mario Bergoglio lebt mit seinen Eltern in der Membrillar 531 im Stadtviertel Flores in Buenos Aires. Es ist eine urbane Wohngegend mit einfachen Einfamilienhäusern. Bäume überschatten die Gehwege, draußen spielen die Kinder. Auch Jorge Mario ist dabei und das Nachbarsmädchen Amalia. Die gefällt ihm gut. Sogar sehr gut. Er ist zwar erst zwölf Jahre alt, aber es ist ihm sehr ernst mit der gleichaltrigen Amalia. Daher schreibt er ihr einen Liebesbrief. Darin steht, dass er sie heiraten und ihr ein schönes weißes Haus mit einem roten Dach kaufen wird. Jorge malt das Häuschen sogar dazu.

Amalias Vater entdeckt den Brief und gibt dem Mädchen eine schallende Ohrfeige. Die Eltern fordern eine Erklärung dafür, wie Amalia dazu kommt, im Alter von zwölf Jahren Liebesbriefe anzunehmen. Amalias Mutter vernichtet den Brief und verbietet dem Mädchen, auf der Straße zu spielen. Amalia beantwortet den Brief nie.

Um seine ehrlichen Absichten zu bekräftigen, sagt Jorge wenig später, als sie sich dennoch treffen, zu Amalia: »Wenn ich dich nicht heiraten kann, werde ich Priester!«