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William Voltz

 

 

 

Sternenkämpfer

 

Roman

 

 

 

 

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WING Publishing

 

Cover

Über den Autor

I. SHAW

1.

2.

II. WADE QUENTIN

1.

2.

3.

III. SHAW

1.

2.

3.

4.

IV. TOBO

1.

V. SHAW

1.

2.

Impressum

 

Über den Autor

 

William Voltz wurde am 28.Januar 1938 in Offenbach geboren. Er interessierte sich bereits in früher Jugend für Science Fiction, wurde Mitglied im SFCD und war Mitbegründer des SF-Clubs STELLARIS in Frankfurt.

William Voltz begann mit dem Schreiben von Kurzgeschichten und auch ein Buch mit dem Titel STERNENKÄMPFER wurde veröffentlicht. Für seine Stories, die sich großer Beliebtheit erfreuten, bekam er im Jahr 1961 den »Besten Fan-Autor Preis«.

Sein Engagement ebnete ihm 1962 den Weg ins damals noch junge und kleine PERRY RHODAN - Team.

Bis zu seinem viel zu frühen Tod am 24. März 1984 schrieb der Autor nicht nur für diese und andere Serien, sondern veröffentlichte auch Serien unabhängige Romane und Kurzgeschichten.

Bookwire gab uns die Möglichkeit, diese William Voltz Veröffentlichungen als e-books anzubieten.

I.

 

SHAW

 

1.

 

Quentin beobachtete den Planeten durch die Sichtluke an meiner Seite. Für einen Moment schien er zu vergessen, dass ich nur ein Robot war, und seine Hand berührte meine Plastikschulter.

»Sieh hinaus, Shaw«, sagte er. (Meine Seriennummer ist Tna 347-56, aber Quentin nennt mich Shaw.)

Ich blickte auf die riesige, graue Scheibe. Bostik war der vierte Planet eines sterbenden Zwergsterns.

Die Lautsprecher knackten.

»Passagier Wade Quentin, bitte! Bringen Sie Ihr Gepäck zur Landerakete.«

Erstaunt richteten sich die Passagiere in ihren Sesseln auf und starrten uns an. Es war mehr als ungewöhnlich, dass ein Reisender hier ausstieg.

»Ihr Gepäck, bitte!«, kam es aus dem Lautsprecher.

Das Gepäck war ich. Quentin ging voraus, und während ich hinter ihm her stapfte, hörte ich, wie sich ein Passagier über die Tatsache erregte, dass ein Robot an Bord war. Er sprach sehr eindringlich, aber niemand hörte auf ihn, da er nur ein Marsianer dritter Klasse war.

Ein Offizier erschien und brachte uns zum Gleiter im Hangar.

»In letzter Zeit ist Bostik ein beliebtes Ausflugziel geworden«, sagte er. »Sie sind bereits der dritte Reisende in diesem Jahr.«

Er lachte über seinen dummen Scherz. Quentin lächelte höflich. Der Offizier wandte sich plötzlich an mich.

»Das ist wohl schon eine ältere Anfertigung?«, fragte er.

Bevor ich protestieren konnte, sprach er schon weiter. »Natürlich! Er hat noch die veralteten Quarzlinsen.«

»Er ist ein guter Robot«, erwiderte Wade ruhig.

»Alle Robots sind gut«, murmelte der Raumfahrer verlegen. Er wies auf den Gleiter. »Es wird Zeit.«

Ich kletterte neben Quentin auf den Sitz. Ich wiege vier Zentner, und das kleine Schiff ächzte unter meinem Gewicht.

»Wenn Sie ausgestiegen sind, legen Sie bitte die Schaltung um, damit wir den Gleiter zurückholen können«, bat uns der Offizier.

»Ja«, sagte Quentin, »fangen Sie an.«

Der Leitstrahl trug uns 2000 km hinab, und ich spürte den sanften Ruck, als das Beiboot aufsetzte. Die Luke öffnete sich automatisch, und wir kletterten hinaus. Es war Nacht. Am Rand des Landeplatzes leuchtete eine einsame Lampe. Dahinter waren die Umrisse eines Hauses zu erkennen. Schatten zeichneten sich ab, wahrscheinlich Felsen. Die Luft war kalt. Ich sah, dass Wade fror. Hinter uns schwebte der Gleiter in gespenstischer Stille davon. Die letzte Brücke war hinter uns abgebrochen.

»Gehen wir«, sagte Quentin und zog den Kopf zwischen die Schultern.

Wir liefen durch die Nacht auf das Haus zu.

»Schlag an die Tür, Shaw!«, befahl Quentin.

Ich begann mit der Faust gegen das zu klopfen, was in der Dunkelheit wie die Tür aussah. Es gab hohle, donnernde Geräusche, und im Innern hörte ich lautes Poltern. Durch ein Fenster drang Licht, und der Kopf eines Mannes erschien in dem hellen Viereck.

»Sie werden das Haus umwerfen«, gab er Wade zu verstehen. Wir hatten ihn aus dem Schlaf geweckt, und er war gereizt.

»Wade Quentin«, sagte Wade. »Sternenkämpfer-Liga.«

Der Kopf des Mannes verschwand, und einige klatschende Geräusche drangen aus dem Fenster. Dann stieß jemand einen wilden Fluch aus, und ein weiteres Fenster wurde hell. Es folgte wieder das Klatschen, und eine Frauenstimme rief: »Warum kriechst du mitten in der Nacht herum?«

Wade wartete. Hinter der Tür erklangen Schritte und das asthmatische Schnauben eines Menschen. Der Mann, der aus dem Fenster gesehen hatte, öffnete die Tür und starrte misstrauisch zu uns heraus.

»Jay, ist da jemand?«, kam die Frauenstimme aus dem Haus.

»Ja, verdammt!«, schrie der Mann. Er trug ein weites Nachthemd.

»Was wollen Sie?«, fragte er barsch, an Wade gewandt.

Ich trat aus der Dunkelheit. Das Gesicht des Mannes zeigte Bestürzung.

»Was soll diese Maschine?«, rief er. »Auf Bostik ist alles in Ordnung.«

»Von welcher Maschine sprichst du, Jay?« Das war die Stimme der Frau im Haus.

»Sie müssen uns zum Rektor bringen!«, verlangte Wade. »Jetzt!«

Der Mann im Nachthemd sah ihn böse an.

»Warum sollte ich das tun?«, fragte er.

»Ich werde jetzt hinunterkommen«, kündigte die Frau an. Es klang entschieden.

»Es eilt«, sagte Quentin bestimmt.

Jays Gesichtsausdruck zeigte, dass ihm der Gedanke, einige hundert Meilen fahren zu müssen, wenig Freude bereitete. Plötzlich schien ihm etwas einzufallen, denn er lachte erleichtert.

»Mein Subdrom hat Motorschaden. Sie müssen warten!«

Der Ausgang der Verhandlung schien ihn zu befriedigen, und er machte Anstalten, ins Haus zurückzukehren. Er war ein großer und schwerer Mann, aber Wade hatte nicht viel Mühe, ihn aufzuhalten.

»Ich sagte jetzt!«, rief Quentin. »Und ich habe wenig Geduld.«

»Jay, was machen sie mit dir?«, rief die Frau dazwischen.

»Die Methoden der Liga haben sich wohl geändert?«, fragte der Mann bitter.

»Nur die Menschen, mit denen sie zu tun hat«, antwortete Wade trocken. »Wer sind Sie?« Wade hatte eine unangenehme Art Fragen zu stellen. »Der Aufseher?«

»Jay Dustle«, sagte der Mann im Nachthemd.

»Sie wurden als Aufseher eingesetzt, nicht wahr?«, bohrte Wade. »Man hat Ihnen doch sicher empfohlen, Mitglieder der Liga jede Unterstützung zu gewähren?«

»Terra ist weit«, meinte Dustle lakonisch. Seine Haltung zeigte deutlich, dass die Macht der Erdregierung nur von ein paar Männern gestützt wurde, die unter dem Namen »Sternenkämpfer« die Galaxis in Atem hielten. Aber es gab zuviel Kolonialplaneten und zu wenig Sternenkämpfer. Die mühsam errichtete Galaktische Union war am Zerbröckeln. Wir waren hier, um das zu verhindern.

»Ihre Mutter war doch sicher Terranerin«, vermutete Wade.

Dustle pfiff verächtlich durch die Zähne.

»Denken Sie nur nicht, ich sei stolz darauf«, sagte er. »Eines Tages werden die Vereinigten Kolonien die Erde hinwegfegen.« Seine Augen nahmen einen fanatischen Glanz an.

»Die Kolonien?« Ich sah, wie sich das Gesicht des Sternenkämpfers unwillig verzog. »Pah! Diese Horde halbwilder Affen.«

Dustle schwieg. Er starrte Wade finster an.

»Bringen Sie uns zu Ihrem Subdrom!«, befahl Wade.

Der Aufseher ging uns mürrisch voraus. Wir liefen um das Haus, und Dustle beleuchtete einen Schuppen. Die Türen waren alt und schief, und es waren eine Menge Risse darin. Dustle öffnete. Das Fahrzeug im Schuppen sah aus wie ein Wrack. Wade schien das nicht zu erschüttern.

»Steig ein, Shaw«, sagte er.

»Sie werden das Monstrum doch nicht in mein Fahrzeug lassen?«, jammerte Dustle. Wade gab keine Antwort.

Ich kletterte in den Subdrom: eine raffinierte Mischung aus Auto, Rakete und Hubschrauber. Dustles Fahrzeug war ein älteres Modell ohne Beschleunigungsneutralisator. Dustle brachte den Zündhebel in die erforderliche Lage. Ein hysterisches Kreischen kam von den Turbinen, und zu dem Lärmen ausgelaufener Lager sang die Karosserie ein schepperndes Lied. Dann kam der Subdrom in Fahrt. Dustle fuhr gut, aber gefährlich. In etwa 20 Meter Höhe raste er über das nachtschwarze Land von Bostik, das wie ein riesiger, verschwommener Tintenfleck unter uns vorbeiglitt. Wade saß leicht vorgebeugt neben mir. Er vermittelte den Eindruck von Besorgtheit. Ich konnte mir nicht denken, dass die VK (Vereinigten Kolonien) gegen Rektor Jeyde vorgegangen waren, denn Bostik war ein armseliger, kaum belebter Planet, auf dem es nichts zu erobern gab.

Die VK-Leute hatten ihre eigenen Ansichten; eine davon war das Verbot von Robots innerhalb der menschlichen Gesellschaft. Sie behaupteten, wir wären der Anfang einer kommenden Perfektion, die zur Vermassung und Abstumpfung der Gefühle führen könnte.

Ich weiß nicht, was das ist: Gefühl. Es ist der Vorrang meiner Erbauer, Gefühle zu haben. Ich kenne nur Logik, Impulse und den Aufbau meines positronischen Gehirns. In der Regel verhalte ich mich nach den Robotgesetzen und befolge die programmierten Befehle.

Ich bin ein etwas unmodernes Modell, aus Leichtmetall, Plastik und pneumatischen Teilen hergestellt. Quentin hatte eine Reaktion auf den Namen »Shaw« in mir einbauen lassen, weil er glaubt, ich sei der menschlichste Robot, der jemals gebaut wurde.

Dustle stoppte so heftig, dass mein Kopf mit einem Knall gegen die Kontrollen prallte. Der Scheinwerfer des Subdroms erhellte die Nacht.

»Dort!«, rief Dustle und deutete hinaus.

Was ich sah, unterschied sich erheblich von der Vorstellung, die ich vom Regierungsgebäude eines irdischen Rektors hatte. Das Haus lag auf einem Plateau und war so winzig und verkommen, wie ein Haus eben nur sein konnte.

»Kein Licht!«, registrierte Quentin.

Das Haus war dunkel. Felsen kauerten davor – gleich einem Spalier für einen mächtigen Besucher. Dieser Planet wirkte in der Undurchdringlichkeit der Nacht ungewohnt und gespenstisch. Er schien uns nur widerwillig zu dulden. Jeden Augenblick konnten die tödlichen Gefahren seiner schrecklichen Natur über uns hereinbrechen.

»Shaw?«, flüsterte Wade.

»Ja, Herr.«

»Ich werde jetzt in dieses Haus gehen. Pass gut auf mich auf, Junge.«

»Natürlich, Herr.«

Wade nickte Dustle zu. »Landen Sie jetzt!«

Dustle brummte etwas Unverständliches und setzte das Fahrzeug auf eine Art Terrasse vor dem Haus.

»Ihre Lampe, bitte«, forderte Wade.

Dustle reichte ihm einen LL-Leuchter.

»Jeyde!«, rief Quentin und sprang aus dem Subdrom. Der Schein seiner Lampe verzehrte die Nacht und warf grelle Lichtfetzen gegen das Haus.

»Jeyde!«, rief Quentin, diesmal lauter. Seine Stimme klang dumpf, die Stille der Dunkelheit saugte sie in sich auf.

Unruhig bewegte sich Dustle neben mir auf dem Sitz.

»Welch eine Nacht«, murmelte er.

»Ja«, bestätigte ich. Sofort war er ruhig. Offenbar schätzte er keine Konversation mit Robots.

Vor uns schrie Quentin in die Nacht. Ich sah den Schatten seiner Gestalt im Lichtkreis des Leuchters. Einige Zeit beobachteten wir das Kreisen der Lampe, bis es plötzlich dunkel wurde.

»Er ist weg«, meinte Dustle überflüssigerweise.

Stille, Dunkelheit, Kälte.

»Shaw!« Nur wie ein Hauch erreichte mich Quentins Schrei.

Mit einem gewaltigen Satz verließ ich das Fahrzeug und rannte mit langen Schritten auf das Haus zu. Felsbrocken knirschten, zerbröckelten und spritzten zur Seite. Der Sternenkämpfer stand im Eingang und leuchtete in die schwarze Höhle des Flurs. Sein Gesicht war blass. Ich trat neben ihn und sah in den Gang hinein. Auf dem Teppich lag ein Mann. Der Strahl einer Shun-Waffe hatte ihn getroffen. Es war Jeyde – und er war tot.

Quentin ließ die Lampe sinken.

»Trag ihn hinaus, Shaw.«

Ich beugte mich zu dem toten Rektor hinab und legte ihn mir über die Schulter. Er war leicht und zerbrechlich wie ein Kind. Er war ein guter Mann gewesen, und jetzt war er tot.

»Wir sollten das Haus durchsuchen, Herr«, schlug ich vor.

»Es ist niemand mehr da. Er ist mindestens schon zwei Tage tot.«

Er richtete seine Lampe auf den Mann über meiner Schulter.

»Krieg!«, stieß er hervor. »Der Krieg hat ihn erledigt. So bringen sie sich gegenseitig um, für eine Idee oder ein Stück verwüstetes Land. Sie schicken ihre Völker in den Kampf, und keiner kommt und verlangt Rechenschaft von ihnen. Kinder der Erde ... Bastarde! Gehen wir.«

Dustle saß zusammengekauert und frierend in seinem Subdrom.

»Hier!«, sagte Wade scharf. »Sehen Sie sich das an.«

»Was ist da?« Dustle zitterte vor Angst und Kälte, und sein Hemd hing gleich einem schlaffen Segel an ihm herab.

»Jeyde. Ermordet«, antwortete Wade knapp.

Dustle zuckte zusammen. »Der Rektor!«, schrie er. »Wer hat das getan?«

»Ihre Freunde von den Kolonien werden das sicher ganz genau wissen«, sagte Wade trocken.

»Ich habe nichts damit zu tun. Ich werde sofort zur Erde zurückkehren.«

»Tun Sie das«, empfahl ihm Quentin. »Jeyde war offenbar wichtiger als wir wissen. Bostik dürfte die längste Zeit ein ruhiger Planet gewesen sein.«

»Was wollen Sie jetzt tun?«, fragte Dustle.

»Warten«, erklärte der Sternenkämpfer. Er wandte sich an mich. »Shaw!«

»Bitte, Herr?«

»Ich fahre mit Dustle zum Landeplatz zurück. Du bleibst bei dem Haus und bei Jeyde.«

»In Ordnung, Herr.«

Sie stiegen in das Fahrzeug und verschwanden in der Nacht. Ich blieb zurück.

2.

 

Die fahlgraue Dämmerung des Tages erhob sich hinter den kahlen Felsen von Bostik. Etwas später ging die Sonne auf. Ein dunkelroter, gewaltiger, im Sterben begriffener Stern. Das Land nahm eine rötliche Farbe an, die einer blutenden Wunde ähnelte. Schlangenähnliche Tiere huschten über die Steine und beäugten mich misstrauisch. Bostik wirkte verlassener als je zuvor. Es blieb mir nichts übrig, als dazustehen und zu warten.

Zuerst hielt ich es für das Lärmen eines Tieres, doch es kam näher und wurde zu einem lauten Rauschen in der Luft. Direkt hinter dem Haus sank ein schwarzes Schiff mit flammenden Bremsdüsen auf den Boden. Am Heck erkannte ich das Flammenzeichen der VK. Es musste einen guten Piloten haben, denn er hatte es genau auf das Plateau gesetzt. In meinem Innern arbeiteten mit geschäftiger Wachsamkeit Relais. Automatisch schoben sich fünf Einheiten aus dem Depot in die Abschussröhren meines Gammastrahlers. Die Schleusen des VK-Schiffes glitten auf, und drei Männer sprangen heraus. Groß, dünn, blass: Marsianer. Ich trat aus dem Schatten des Hauses und ging ihnen entgegen. Der Längste von ihnen sah mich zuerst. Er blieb abrupt stehen.

»Halt!«, rief er in der quäkenden Art seines Volkes. »Ein Robot der Liga.«

Die anderen erstarrten. Der Lange wedelte mit dem Arm in Richtung seines Schiffes. In der Schleuse erschien eine riesige Neutrinokanone, die einen kleinen Mond in Fetzen schießen konnte.

Dahinter stand ein fischäugiger Marsianer, schlotternd vor Angst, die Waffe bedienen zu müssen.

»So«, knurrte der Lange befriedigt und nickte mir zu. »Die Verhandlung ist eröffnet.«

Anscheinend glaubte er, gewaltigen Eindruck zu machen. Stolz ging er zwischen den Felsen auf und ab. Er und seine Begleiter hatten Mühe mit der Gravitation. Die Schwerkraft Bostiks ist etwa ein Drittel geringer als die der Erde, also immer noch doppelt so stark wie auf dem Mars. Vorerst schien das den kriegerischen Auftritt der Marsianer aber nicht zu beeinträchtigen, denn sie warfen wilde Blicke zu mir herüber. Ich sagte nichts, denn ich bin gewöhnt, nur auf Fragen zu antworten. Einer seiner Gefährten flüsterte dem Langen etwas zu. Er nickte und trat nach einem Blick zur Schleuse auf mich zu. Der Sperrriegel in den Abschussröhren schlug zurück. Ich war gewappnet.

»Wie kommst du hierher?«, wollte er wissen.

»Es tut mir leid, Herr«, antwortete ich abweisend.

Er sah ein, dass er einen Robot nicht zum Reden zwingen konnte. Vielleicht bestand die Möglichkeit, durch ihn etwas über Jeyde zu erfahren.

»Ich habe einen Vorschlag«, verkündete ich. Zum ersten Mal seit meiner Herstellung hatte ich das Wort Herr weggelassen. Der Raumfahrer machte den Eindruck, als wollte er sich auf mich stürzen, dann besann er sich eines Besseren und sagte:

»Ich werde mir den Vorschlag anhören.«

»Sagen Sie mir erst, wer Jeyde getötet hat.«

Er starrte mich entgeistert an.

»Jeyde? Der Rektor ist tot?« Seine Bestürzung war echt, und doch war er hier an dem Platz, wo Jeyde einige Zeit vorher gestorben war. Ich erzählte ihm, wie wir den Rektor gefunden hatten.

»Ich habe nichts damit zu tun«, behauptete er.

Ein Robot hat mit einem Menschen wenig gemeinsam, aber er handelt logisch. Meine Vollmachten – wenn es sie überhaupt gab – waren gering. Doch schließlich musste ich versuchen, Informationen für Quentin herauszuholen.

»Die Vereinigten Kolonien sollten mit der Liga Frieden schließen«, sagte ich.

Der Vorschlag erfüllte den Marsianer offenbar mit Misstrauen und Abneigung.

»Hinter der Liga steht die Erde – und die Erde ist schlecht.«

Er sprach wie ein Mann, der vollkommen überzeugt ist.

»Das kann sich ändern«, meinte ich, denn die Logik verlangte, ihn auf unsere Seite zu bringen. »Es muss jemand geben, der die Liga gegen die VK ausspielen will. Wir haben einen gemeinsamen Feind, und wir sollten ihn gemeinsam bekämpfen.«

Es war gewagt, denn ebenso konnten sie es gewesen sein, die Jeyde ermordet hatten. Und von einem gemeinsamen Feind konnte kaum die Rede sein. Der Marsianer trug einen stillen Kampf mit sich aus. Dann tat er für einen Menschen etwas sehr Ungewöhnliches. Er streckte den Arm aus und packte eine meiner Plastikhände.

»Die Erde baut gute Robots«, sagte er einfach. »Wie ist deine Bezeichnung?«

»Tna 347-56, Herr«, klärte ich ihn auf. Er hatte sichtlich Mühe, das zu behalten.

»Sie können mich auch Shaw nennen.«

Er war erleichtert und schüttelte mir vor Begeisterung die Hand. Der Kerl in der Schleuse begann zu rufen.

»Was ist los, Ultan? Wird die Maschine frech?« Er fummelte an seiner Kanone. Ultan beruhigte ihn, noch bevor er die erste Salve abfeuern konnte. Die Neutrinokanone verschwand in der Schleuse. Fünf Einheiten glitten aus den Röhren zurück in meinen Metallbauch. Noch wusste ich nicht, warum sie hier waren, aber das würde Quentin schon herausfinden.

Wenig später landete Dustles Subdrom in einer Wolke roten Staubes zwischen den Felsen. Der Aufseher hüpfte heraus, zögerte, als er das VK-Schiff sah, lief aber dann auf mich zu.

»Der Sternenkämpfer ist verschwunden!«, schrie er mir zu.

Sein Nachthemd hatte er inzwischen mit einer Lederweste vertauscht. In der Helle des Tages sah ich, dass sein Gesicht gelb war, wie bei allen Menschen, die sich längere Zeit auf Bostik aufhielten. Es lag an der Zusammensetzung der Luft, die zwar ungefährlich war, aber eine Substanz enthielt, die diese Tönung hervorrief. Es gab auch Wissenschaftler die behaupteten, es sei eine unbekannte Art von Sonnenstrahlung.

»Erzählen Sie der Reihe nach«, sprudelte Dustle hervor. »Ich überließ ihm mein Bett, da ich sowieso nicht mehr schlafen konnte. Dann ging ich in die Küche, um mir etwas zum Essen zu machen. Es dauerte eine knappe Stunde. Als ich wieder nach ihm sah, war das Bett leer. Er war verschwunden. Ich suchte und schrie, aber es war zwecklos.« Seine Blicke irrten umher, als suchte er eine Bestätigung seiner Worte.

»Und Ihre Frau?« Ich erinnerte mich der Stimme im Haus des Aufsehers.

»Sie hat sich ins Vorratszimmer eingeschlossen. Ich glaube, sie ist krank. Nichts kann sie bewegen zu öffnen. Sie sagt, die schwarzen Felsen von Bostik seien über den Landeplatz gekrochen und hätten ihre unheilvolle Spur hinterlassen. Ganz sicher ist sie krank. Dieser verdammte Planet.«

Die schwarzen Felsen von Bostik wandern tatsächlich. Es ist ein unheimliches Naturereignis. In den ersten Tagen der Besiedlung Bostiks hatte eine gewaltige Herde dieser Felsen eine neu errichtete Kuppel niedergewalzt. Damals erst hatte man festgestellt, dass die Atmosphäre Bostiks atembar war – entgegen allen anderslautenden Analysen. Es war eines der unlösbaren Geheimnisse dieses Planeten, und es würde immer ein Geheimnis bleiben.

Quentins Verschwinden hatte mit den Felsen bestimmt nichts zu tun, sondern war die Folge der physischen Schwäche meiner Erbauer, ab und zu in eine Art Koma zu verfallen, die sie Schlaf nannten. Unbekannte mussten den Sternenkämpfer im Ruhezustand überfallen und verschleppt haben. Es war die einfache Folge von Ursache und Wirkung. Zwecklos, den Marsianern oder Dustle das zu erklären. Sie waren viel zu sehr Menschen, um diese Logik zu erkennen. Es gab zwei Faustregeln in der Robottechnik:

Der Erbauer ist Mensch und nicht logisch.

Die Erbauten sind logisch und nicht Mensch.

Zwei nüchterne Sätze, über die sich die Philosophen in die Haare gerieten. Aber Ultan und Dustle waren keine Philosophen.

»Wir sollten mit dem Schiff zum Landeplatz fliegen«, schlug ich vor. Der marsianische Kommandant war einverstanden.

Wir gingen an Bord, und einige Zeit später sank das Schiff vor Dustles Haus nieder. Wir fanden keine Spur von Quentin. Er schien sich in dem rötlichen Staub Bostiks aufgelöst zu haben. Ultan trat neben mich und wies mit der Hand auf eine Felsformation am Horizont. »Dort liegen die Siedlungen. Vielleicht ist er dorthin gegangen.«

»Der Weg ist weit, und er hatte keinen Grund, allein und zu Fuß zu gehen«, wandte ich ein.

»Und was willst du jetzt tun?«, wollte Ultan wissen.

»Die Gelegenheit war da, und ich musste sie nutzen.«

»Warum wolltet ihr zu Jeyde, Herr?«

Ultan antwortete, ohne zu überlegen.

»Er hatte uns bestellt. Er gab vor, wichtige Mitteilungen über die irdische Raumflotte zu haben. Er war ein Verräter, Shaw.«

»Das war er auf keinen Fall. Jemand muss ihn gezwungen haben so etwas zu tun. Ein weiterer Faktor, der für eine dritte Macht spricht.«

»Vielleicht«, sagte Ultan. »Aber weiterhelfen dürfte uns das kaum.«

Ich zeigte auf das Haus.

»Nehmen wir an, Wade musste verschwinden, weil er von Jeydes Tod wusste – zu früh wusste. Dann könnte man versuchen, auch uns zu beseitigen. Gut! Ich werde Jeydes Mördern eine Chance geben.«

Ich rief Dustle. Der Mann war vollkommen verwirrt und schien hinter jedem Felsen einen Gegner zu vermuten.

»Ich werde jetzt ein wenig in Ihrem Bett schlafen«, verkündete ich.

»Es wird zusammenbrechen«, behauptete er. Ich versprach, vorsichtig zu sein.

»Ultan wird Sie und Ihre Frau mitnehmen. Nach drei Stunden kommt Ultan zurück und sieht nach, ob sich etwas ereignet hat.«

»Meine Frau sitzt noch in der Vorratskammer«, erinnerte Dustle.

Ich ging ins Haus und brach die Tür auf. Dustle tröstete seine verstörte Frau und begab sich mit ihr an Bord des VK-Raumers, der gleich darauf startete. Ich wartete, bis er verschwunden war.

Dustles Schlafzimmer besaß zwei Zugänge: Tür und Fenster. Es war ein schmuckloser, quadratischer Raum, der einen Menschen mit der Zeit anöden musste. Ein Bild hing an der Wand, es zeigte Dustle, als er noch etwas jünger war. Der Rahmen war verstaubt. Die Vorhänge an den Fenstern waren verblichen und bestanden zum großen Teil aus Flicken. Das Bett war zu klein, ich hatte Mühe hineinzukriechen. Ich legte mich so, wie ich glaubte, ein Mensch liegen musste, der schläft. Ich lag und wartete. Es geschah nichts.