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DR. LENELOTTE MÖLLER
studierte Geschichte, Latein und evangelische Theologie in Saarbrücken, Basel und Mainz; die Promotion in Geschichte folgte im Jahr 2000; sie unterrichtet am Gymnasium Schifferstadt im Rhein-Pfalz-Kreis. Im marixverlag sind von ihr u.a. folgende übersetzungen erschienen: Die Enzyklopädie des Isidor von Sevilla, die Cicero-Briefe, Titus Livius’ Römische Geschichte, Senecas Vom glücklichen Leben, Plutarchs Von Liebe, Freundschaft und Feindschaft,Polybios’ Der Aufstieg Roms und Lukians Vom beinahe vollkommenen Menschen. Sie ist außerdem Mitherausgeberin der 2-bändigen Plinius-Ausgabe.

GAIUS PLINIUS SECUNDUS
(der Ältere) wurde 23 n. Chr. im heutigen Como geboren. Er war römischer Verwaltungsbeamter, Naturphilosoph, Universalgelehrter, Offizier und enger Freund des Kaisers Vespasian. Er starb 79 n. Chr. beim Ausbruch des Vesuv. Heute gilt Plinius als einer der wichtigsten Schriftgelehrten der Antike, dessen umfassende Naturgeschichte Naturalis Historia heute als Ur-Enzyklopädie bekannt ist. In insgesamt 37 Büchern versammelt er das Wissen der antiken Welt. Sie ist ein unvergleichlicher Schatz für Historiker und in vielen Belangen überhaupt die einzig erhalten gebliebene Quelle für bestimmte Informationen über Kulturtechniken und den Wissensstand der römischen Antike: Botanik und Kosmologie, Geographie, Medizin, Agrartechnik und Bergbau, Kunst und Zoologie. Der hier vorliegende Auszug aus dem monumentalen Werk dient als kosmologische und naturphilosophische Einleitung zum Übrigen.

Zum Buch

„Sei mir gegrüßt, Natur, du Mutter aller Dinge, und nimm es gütig auf, dass unter den Quiriten ich allein es bin, der dich in allen deinen Werken verherrlicht hat.“

Gaius Plinius Secundus

Gaius Plinius Secundus war so etwas wie der Diderot der römischen Antike. Seine ausführliche Naturgeschichte liefert einen umfassenden Überblick über alle bekannten Kulturtechniken und den Wissensstand seiner Zeit. Damit stellt sie eine unschätzbare Quelle des antiken Wissens dar. Dieser Auszug behandelt die damals gängige Elementenlehre und Kosmologie und dient als Einführung in das übrige Werk. Plinius rühmt die Freigiebigkeit und Hoheit, die Erhabenheit und Kraft der Natur und schreibt ihr göttliche Providenz zu.

Gaius Plinius Secundus
Von der Welt und den Elementen

Gaius Plinius Secundus

Von der Welt
und den
Elementen

Übersetzt und mit Anmerkungen versehen
von Prof. Dr. G. C. Wittstein

Mit einer Nachbemerkung
von Manuel Vogel

Behutsam angepasst
von Lenelotte Möller

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ISBN: 978-3-8438-0387-8

Inhalt

Aus der Vorrede zum Gesamtwerk

von Georg Christoph Wittstein

Plinius’ praefatio zum Gesamtwerk

Kurzer Inbegriff der Kosmologie des C. Plinius Secundus

Von der Welt und den Elementen

Statt eines Nachwortes

Aus der Einleitung zum Gesamtwerk
von Dr. Manuel Vogel

Literaturauswahl

Aus der Vorrede zum
Gesamtwerk

von Georg Christoph Wittstein

Caius Plinius Secundus wurde im Jahre 23 nach Christi Geburt (im Jahre Roms 775, im neunten Jahre der Regierung des Kaisers Tiberius) zu Como geboren, und starb unter Titus, im Jahre 79 nach Christo, dem 56. Jahre seines Alters bei einem Ausbruch des Vesuvs, demselben, der auch die beiden Städte Pompeji und Herculaneum verschüttete. Sein Vater hieß Celer, seine Mutter Marcella, durch welche er mit Pomponius Secundus verwandt war, und von deren Familie er den Namen »Secundus« erhielt. Er tat zuerst Kriegsdienste in Germanien unter der Regierung des Kaisers Claudius, verwaltete nachher mehrere bedeutende Zivil- und Militärämter unter Nero und Titus Vespasian, und kommandierte zuletzt die Flotte zu Misenum.

Was wir außerdem noch Näheres von dem Leben, Wirken und dem Tode unsers Plinius wissen, enthalten zwei Briefe seines Neffen, die daher hier folgen sollen.

C. Plinius Caecilius1 an seinen Freund Macer2
(III. Buch. 5. Brief)

»Es ist mir sehr angenehm, dass Du die Werke meines Oheims so fleißig liest, dass Du wünschest, sie alle zu besitzen und zu wissen, welche es sind. Ich will daher die Rolle eines Anzeigers übernehmen und Dir zugleich bemerken, in welcher Ordnung er sie geschrieben hat, denn auch dies erfährt der Studierende gern.

Ein Buch über das Spießwerfen der Reiterei. Dieses verfasste er als Befehlshaber eines Flügels3 mit ebenso viel Scharfsinn als Sorgfalt.

Zwei Bücher Lebensbeschreibung des Pomponius Secundus4, der ihn zärtlich liebte, und dem er, gleichsam als schuldigen Tribut, darin die Erinnerungen an seinen Freund darbrachte.

Zwanzig Bücher über die Kriege in Germanien, worin er alle von den Römern mit den Germanen geführten Kriege beschreibt. Ein Traum veranlasste ihn dazu, als er in Germanien diente. Ihm erschien nämlich die Gestalt des Drusus Nero5, der in Germanien große Siege erfochten hatte und daselbst gestorben war; er empfahl sich seinem Andenken und bat, er möge ihn der Vergessenheit entziehen.

Drei Bücher betitelt Der Zögling, wegen ihrer Stärke in sechs Bände verteilt, in welchen er den Redner von den ersten Elementen an behandelt und endlich vollendet darstellt.

Acht Bücher über zweifelhafte Fälle im Ausdruck. Diese schrieb er in den letzten Jahren der Regierung des Nero6, wo die Tyrannei jede freiere und erhabenere Art von Studien gefährlich machte.

Einunddreißig Bücher einer Fortsetzung der von Aufidius Bassus begonnenen Geschichte7.

Siebenunddreißig Bücher einer Naturgeschichte, ein umfassendes, gelehrtes Werk und so mannigfaltig als die Natur selbst8.

Wirst Du nicht erstaunen, dass ein mit Geschäften überhäufter Mann so viele Bücher schreiben und in manchen derselben so schwierige Gegenstände behandeln konnte? Dein Erstaunen wird sich noch vermehren, wenn ich hinzufüge, dass er eine Zeitlang Rechtsgeschäfte trieb, dass er im sechsundfünfzigsten Jahre starb, und dass ihm die Zwischenzeit teils durch die wichtigsten Ämter, teils durch die Freundschaft der Fürsten zerstreut und in Anspruch genommen wurde. Aber er besaß einen lebhaften Geist, unglaublichen Fleiß und seine Wachsamkeit war von größter Ausdauer. Mit den Vulkanalien9 fing er bei Einbruch der Nacht an zu arbeiten, nicht des Herkommens wegen, sondern aus Eifer, im Winter aber von der siebenten, spätestens achten, oft aber schon von der sechsten Stunde an.10 Er war sehr sparsam mit dem Schlafe, der ihn daher auch zuweilen beim Arbeiten überfiel, doch auch wieder verließ. Vor Anbruch des Tages ging er zum Kaiser Vespasian11, der ebenfalls bei Nacht arbeitete, dann zu den ihm obliegenden Geschäften. Nach Hause zurückgekehrt widmete er die übrige Zeit den Studien. Nach dem Mittagsmahl, das, wie bei den Alten, aus leichten Speisen bestand, legte er sich oft im Sommer zur Erholung in die Sonne, las in einem Buche, notierte und exzerpierte, denn aus allem, was er las, machte er Auszüge. Auch pflegte er zu sagen, es sei kein Buch so schlecht, dass es nicht etwas nützen könne. Nach dem Sonnen nahm er meistens ein kaltes Bad, aß etwas und schlief ein wenig. Dann studierte er, als ob ein neuer Tag angebrochen sei, bis zur Zeit des Abendessens.12 Während der Tischzeit las er in einem Buch und machte Bemerkungen, jedoch nur flüchtig. Ich erinnere mich, dass, als einst der Vorleser etwas unrichtig ausgesprochen hatte und ein gleichzeitig anwesender Freund den Satz wiederholen ließ, mein Oheim fragte: >Du hattest es doch verstanden?<, und, als jener dies bejahte, fortfuhr: >Warum ließest Du es denn wiederholen? Durch Dein Zwischenreden haben wir nun schon zehn Zeilen verlore<. So karg war er mit seiner Zeit.

Im Sommer erhob er sich noch bei Tage von der Abendtafel, im Winter bei einbrechender Nacht, und diese Ordnung beobachtete er wie ein Gesetz. So hielt er es mitten unter Geschäften und im Geräusche der Stadt. Auf dem Lande war bloß die Badezeit von gelehrter Tätigkeit frei; doch meine ich damit nur die Zeit, wo er sich im Bad selbst befand, denn während des Entkleidens und Abtrocknens ließ er sich vorlesen oder diktierte etwas. Auf Reisen, gleichsam von jeder Sorge entbunden, war dies seine einzige Beschäftigung. Zur Seite saß ihm dann ein Schreiber mit Buch und Schreibtafel, der im Winter Handschuhe trug, damit selbst die Rauigkeit der Witterung ihm keine Zeit zur Tätigkeit rauben möchte. Aus diesem Grunde ließ er sich auch zu Rom in einem Stuhlwagen fahren. Als ich einmal spazieren ging, tadelte er mich mit den Worten: >Du solltest diese Stunden besser anwenden.< Er hielt nämlich alle Zeit, die nicht zur Tätigkeit verwendet würde, für verloren. Auf solche Weise war es ihm möglich, jene Anzahl von Schriften zu vollenden; mir hinterließ er noch 160 Erläuterungen auserlesener Bücher, welche auch auf der Rückseite des Papiers und sehr klein geschrieben waren, sodass sich ihre Zahl eigentlich verdoppelt. Er selbst sagte, er habe als Prokurator in Spanien diese Erläuterungen dem Largius Licinius13 für 400000 Sesterzen verkaufen können, und damals waren ihrer doch weit weniger.

Dünkt Dich nicht, wenn Du bedenkst, wie viel er gelesen und geschrieben hat, er könne weder öffentliche Ämter bekleidet noch der Kaiser Freundschaft genossen haben? Ferner, wenn Du hörst, welchen Fleiß er auf Amtsarbeiten verwendet, er könne weder zum Schreiben noch zum Lesen die nötige Zeit gehabt haben? Denn, was kann nicht durch jene Abhaltungen vereitelt, was hingegen durch solche Beharrlichkeit ermöglicht werden? Ich pflege daher zu lachen, wenn man mich fleißig nennt, denn mit ihm verglichen gehöre ich zu den Untätigsten. Tue ich aber nur so viel, wie teils meine öffentlichen, teils meine Pflichten gegen die Freunde mir erlauben? Wer von denen, welche ihr ganzes Leben den Wissenschaften weihen, möchte nicht, ihm zur Seite gestellt, als ein dem Schlafe und dem Müßiggange Ergebener erröten?

Ich habe diesen Brief sehr ausgedehnt, obgleich ich nur, Deinem Wunsche gemäß, schreiben wollte, welche Werke mein Oheim hinterlassen hat. Ich glaube jedoch, dass Dir die übrigen Nachrichten von ihm nicht weniger angenehm sein werden als die Bücher selbst, weil sie Dich nicht nur zum Lesen derselben, sondern auch zu ähnlichen Ausarbeitungen anregen können. Lebe wohl.«

C. Plinius Caecilius an seinen Freund Tacitus14
(VI. Buch. 16. Brief)

»Du wünschest, dass ich Dir über den Tod meines Oheims schreibe, damit Du ihn der Nachwelt umso getreuer berichten kannst. Ich danke Dir dafür, weil ich sehe, dass seinem Tode, wenn er von Dir verherrlicht wird, ein unsterblicher Ruhm bevorsteht. Denn, obgleich er bei dem Untergange der schönsten Gegenden, gleichwie Städte und Völker durch einen denkwürdigen Umstand als ewiger Sieger gestorben ist; obgleich er sehr viele und eine feste Dauer versprechende Werke geschaffen hat, so wird doch die Unsterblichkeit Deiner Schriften seinem steten Andenken das größte Gewicht geben. Zwar halte ich diejenigen für glückselig, denen die Götter verliehen haben, entweder so zu handeln, dass es schreibenswert, oder so zu schreiben, dass es lesenswert ist; jedoch scheinen mir diejenigen die Glückseligsten zu sein, denen beides zu Teil wurde. Unter die Zahl der Letzteren wird mein Oheim durch seine und Deine Schriften gehören; umso freudiger empfange, ja fordere ich Deinen Auftrag.

Er befand sich zu Misenum15 und befehligte die kaiserliche Flotte. Am 24. August um 1 Uhr mittags meldete ihm meine Mutter, es zeige sich eine Wolke von ungewöhnlicher Größe und Gestalt. Er hatte kurz zuvor ein kaltes Bad genommen, kaltes Wasser getrunken, lag wie gewöhnlich in der Sonne und studierte, forderte aber sogleich seine Schuhe und bestieg eine Anhöhe, von wo aus er jene merkwürdige Erscheinung am besten beobachten konnte. Eine Wolke (es war nicht genau zu unterscheiden, von welchem Berge sie kam; erst später erfuhr man, dass es der Vesuv war), welche einem Baume, und zwar einer Fichte, nicht unähnlich schien (denn sie zeigte gleichsam einen hohen Stamm, der sich in mehrere Äste ausbreitete), stieg auf. Wie mir schien, wurde sie durch einen starken Wind herbeigeführt, dann zerteilte sie sich, als dieser schwächer werdend sie verließ, infolge ihres eigenen Gewichts in die Breite, an einigen Stellen weiß von Farbe, an anderen schmutzig und fleckig, je nachdem sie Erde und Asche mit sich führte. Dem gelehrten Manne schien es der Mühe wert, sie näher kennenzulernen. Er ließ ein leichtes Schiff16 in Bereitschaft setzen; mir stellte er es frei, ihn zu begleiten. Ich erwiderte, ich wolle lieber studieren, und zufälligerweise hatte er mir gerade etwas zu schreiben gegeben. Als er aus dem Hause trat, empfing er einen Brief von den Marinesoldaten zu Retina, welche durch die drohende Gefahr erschreckt (denn dieses Landgut lag am Fuß des Berges17 und bloß zu Schiff war die Flucht möglich) ihn dringend ersuchten, sie dem herannahenden Unglück zu entreißen. Er änderte daher seinen Entschluss und unterzog sich nun dem, was er mit dem Eifer eines Gelehrten begonnen hatte, mit dem größten Mut. Er ließ die Vierruderer in See bringen und bestieg sie selbst mit, um nicht nur jenen, sondern auch vielen anderen (denn die Küste war wegen ihrer angenehmen Lage stark bevölkert) zuhilfe zu kommen. Er eilt dahin, von wo andere fliehen, steuert geraden Laufs auf die Gefahr los und so unerschrocken, dass er alle Bewegungen und Gestalten jener furchtbaren Erscheinung diktierte und aufzeichnen ließ.

Schon fiel die Asche, je mehr er sich näherte, desto heißer und dichter in die Schiffe; schon stürzten selbst Bimssteine, schwarze, verbrannte und durch die Hitze geborstene Steinmassen herab; schon machten ihm das plötzlich seicht gewordene Wasser und ein Einsturz des Berges die Küste unzugänglich. Da war er einige Augenblicke unschlüssig, ob er umkehren sollte, sprach aber bald darauf zu dem zur Rückkehr ratenden Steuermanne: >Den Kühnen begünstigt das Glück; fahre zu Pomponianus!< Dieser war zu Stabiae18 und durch einen dazwischen liegenden Meerbusen getrennt, denn das Meer dringt hier durch eine allmähliche Schwenkung und Krümmung der Küste ins Land. Jener19 hatte, obgleich noch keine Gefahr herannahte, dieselbe aber doch vor Augen lag und wahrscheinlich groß werden würde, sein Gepäck in die Schiffe bringen lassen, entschlossen zu fliehen, sobald der widrige Wind sich gelegt haben würde. Als mein Oheim, den dieser Wind gerade begünstigt, dort ankommt, umarmt er den Zagenden, tröstet ihn, lässt sich, um dessen Furcht durch eigene Sorglosigkeit zu beseitigen, in ein Bad bringen, setzt sich sodann zu Tische und speist völlig heitern Gemüts, oder, was gleiche Seelenstärke beweist, scheinbar heiter. Inzwischen leuchteten aus dem Vesuv an mehreren Stellen große Flammen hervor, deren Glanz und Feinheit durch die nächtliche Finsternis noch erhöht wurden. Um die Furcht seiner Umgebung zu verscheuchen, sagte mein Oheim, die Flammen seien nichts als brennende Häuser, welche von den Landleuten aus Angst verlassen wären; dann begab er sich zur Ruhe und schlief auch wirklich ein, denn die vor dem Gemache wachenden Diener vernahmen sein Atemholen, welches wegen seiner Korpulenz etwas stark und laut war. Aber schon hatte sich der Hof, welcher zu dem Zimmer führte, mit Asche und Steinen so sehr angefüllt, dass bei längerem Aufenthalt darin der Ausgang nicht mehr möglich gewesen wäre. Er wurde daher geweckt, ging hinaus und begab sich zu Pomponianus und den Übrigen, welche gewacht hatten. Man beratschlagte nun, ob man im Hause bleiben oder ins Freie gehen sollte, denn das Gebäude zitterte bereits von den häufigen und starken Stößen, und schien, gleichsam aus seinen Fugen gehoben, bald hierhin, bald dorthin zu wanken; andererseits aber fürchtete man im Freien das Herabfallen wenn auch leichter und ausgebrannter Bimssteine. Indessen wählte man bei Vergleichung der Gefahren das Letzte, da bei ihm ein Grund den anderen, bei den anderen eine Furcht die andere besiegte. Man legte zum Schutz gegen die herabfallenden Steine Kissen um den Kopf und band sie mit Tüchern fest. Schon war es anderwärts heller Tag, hier aber noch dichte schwarze Nacht, jedoch verbreitete man durch zahlreiche Fackeln und Lichter hinreichende Helle. Man beschloss, an die Küste zu gehen und nachzusehen, ob das Meer schon fahrbar sei; allein dieses war immer noch sehr ungestüm. Hier legte sich mein Oheim auf ein hingebreitetes Tuch, verlangte einige Male kaltes Wasser und trank davon, bis Flammen und ein denselben vorausgehender Schwefelgeruch, welche die Andern zur Flucht trieben, auch ihn aufschreckten. Durch zwei Diener unterstützt, erhob er sich, sank aber sogleich tot nieder, indem ihm, wie ich vermute, durch den dicken Dampf der Atem benommen und die Luftröhre, welche bei ihm von Natur schwach, enge und entzündet war, geschlossen wurde. Als es wieder Tag geworden war (und dies geschah erst am dritten Tage danach), fand man ihn unverletzt und noch in seiner Kleidung; sein Ansehen glich mehr dem eines Schlafenden als eines Toten.

Während dieser Katastrophe befand ich mich mit der Mutter zu Misenum. Doch das gehört nicht zu meiner Erzählung, und da Du nur einen Bericht über seinen Tod haben willst, so eile ich zum Schlüsse. Nur eins füge ich noch hinzu, nämlich, dass ich alles, wovon ich selbst Augenzeuge war und was ich gleich anfangs als authentisch vernommen, treu wiedergegeben habe. Du wirst nun das Wesentlichste daraus entnehmen, denn es ist ein Unterschied zwischen einem Briefe und einer Geschichte; für einen Freund schreibt man anders als für das Publikum. Lebe wohl.«20

*

Wie schon erwähnt, besitzen wir von den Schriften des C. Plinius Secundus nur noch die Naturgeschichte, welche aus XXXVII Büchern besteht. Das I. enthält die Dedikation an den Kaiser Titus nebst dem Inhaltsverzeichnisse der folgenden. II. Kosmographie. III. bis VI. Geographie. VII. handelt vom Menschen. VIII. bis XI. Naturgeschichte der Tiere. XII. bis XIX. Naturgeschichte der Pflanzen. XX. bis XXVII. Arzneimittel von den Pflanzen. XXVIII. bis XXXII. Arzneimittel vom Menschen, vom Wasser und von den Tieren. XXXIII. bis XXXVII. Von den Metallen, Steinen und den bildenden Künsten in Verbindung mit der Geschichte der vorzüglichsten Künstler und Kunstwerke.

Deutsche Bearbeitungen dieses Werkes sind schon mehrere Male unternommen worden. Die älteste erschien zu Straßburg in Folio, aber nur teilweise, und zwar vom I. bis V. Buche im Jahre 1509 und vom VII. bis XI. Buche im Jahre 1542 von Heinrich Eppendorf. – Bald darauf gab Johann Heyden Bruchstücke einer Übersetzung des Plinius heraus. Von dieser sagt Große in der Vorrede zum neunten Bande seiner Übersetzung des Plinius: »Ich habe die Heyden’sche Übersetzung, erschienen 1580 zu Frankfurt a. M. in Folio mit Holzschnitten, an mich gebracht, die aber kaum des Titels einer Übersetzung wert ist. Der Verfasser nennt sich Johannes Heyden von Dhann. Trotz eines langen vielversprechenden Titels begreift diese Übersetzung doch nur das VII., VIII., IX., X. und XI. Buch des Plinius, und bei Weitem nicht vollständig, sondern nur stellenweise; aus einigen der übrigen Bücher sind nur wenige Data genommen. Der Übersetzer hat den Plinius zum Grunde gelegt und sein Werk aus mehreren Schriftstellern zusammengeschrieben. Es ist also ein Irrtum, diese Kompilation von etwa 1 Zoll Dicke für eine Übersetzung der Historia naturalis Plinii auszugeben oder zu halten.«

Bei der Übersetzung selbst machte ich es mir zum Gesetz, den lateinischen Text möglichst treu im Deutschen wiederzugeben; um aber nicht bloß eine kahle Übersetzung zu liefern, fügte ich, wo es mir nötig schien, erläuternde Anmerkungen hinzu.

München, 1880

G. C. Wittstein.

1C. Plinius Caecilius Secundus, wurde 62 n.Chr. zu Como geboren, erwarb sich als gerichtlicher Redner viel Beifall in Rom, war unter Domitian Prätor, unter Nero und Trajan Konsul, dann Augur und zuletzt Statthalter in Bithynien. Seine Mutter hieß Plinia und war des Plinius Secundus Schwester; sein Vater, der aber früh starb, hieß C. Caecilius.

2Baebius Macer, ein angesehener Römer, bekleidete 101 n.Chr. die Würde eines consul suffectus (der beim Todesfall eines Konsuls während der Amtsführung für die noch übrige Zeit des Jahres gewählt wurde und weniger Ansehen hatte als der, welcher das Jahr begonnen [consul ordinarius]).

3Eine Ala umfasst 300–500 Reiter.

4Lucius Pomponius Secundus, aus Verona gebürtig, war zweimal, in den Jahren 29 und 36 n.Chr., Konsul und im Jahr 41 Oberfeldherr über die Legionen in Germanien.

5Drusus Nero Claudius, Sohn des Claudius Tiberius Nero und der Livia Drusilla (welche, als sie noch mit ihm schwanger ging, von ihrem Gatten dem Augustus abgetreten wurde), Bruder des Tiberius, Gemahl der jüngeren Antonia, des Antonius und der Octavia Tochter, focht 11–9 v.Chr. erfolgreich gegen die Germanen, starb zu Mainz infolge eines Sturzes vom Pferde, mit Hinterlassung von 3 Kindern, des Drusus Germanicus, der Livilla und des nachmaligen Kaisers Claudius.

6Claudius Caesar Domitianus Drusus Germanicus Nero, Sohn des Domitius Ahenobarbus und der jüngeren Agrippina, geb. 36 n.Chr. ward mit Octavia, des Kaisers Claudius Tochter, vermählt, und nach des Letzteren Ermordung 54 n.Chr. Kaiser, ließ sich 68 n.Chr. von einem Freigelassenen, Epaphroditus, erstechen.

7Aufidius Bassus lebte unter den Kaisern Augustus und Tiberius und schrieb eine Geschichte seiner Zeiten, die wir aber nicht mehr besitzen.

8Von allen diesen Schriften ist nur noch die Naturgeschichte vorhanden.

9Am 23. August. Man opferte bei diesem Fest dem Vulkan ein rötliches Kalb und ein wildes Schwein, damit er alle Feuersbrünste abhalten möge.

10Also nach unserer Zeitrechnung um ein, zwei oder zwölf Uhr mittags.

11Titus Flavius Vespasianus, Sohn des Vespasianus, geb. 40 n.Chr., wurde nach des Letzteren Tod 79 Kaiser, starb aber schon 81, wie man glaubt an Vergiftung durch seinen Bruder Domitian.

12Cena, die Hauptmahlzeit der Römer.

13War Praetor und wurde dann Legat in Kleinafrika, wo er beim Genuss einer Trüffel auf einen Denar biss und die Vorderzähne einbüßte.

14P. Cornelius Tacitus, berühmter römischer Geschichtsschreiber, Jurist und Redner, geb. 60 n.Chr.

15Stadt und Vorgebirge bei Cumae in Kampanien; jetzt findet man noch Trümmer der Stadt.

16Liburnica, hatte seinen Namen von den Liburnern, einem illyrischen Volk, die sich derer bei ihren Seeräubereien bedienten.

17Vesuv.

18An der Stelle des jetzigen Castellamare.

19Pomponianus ist wahrscheinlich eine Person mit Martius Pomponianus, welchen Vespasian mit der Konsulwürde beehrte, und Domitian nach Korsika verbannte, wo er auf kaiserlichen Befehl hingerichtet wurde.

20Weitere Nachrichten über jene furchtbare, von Erdbeben begleitete Eruption des Vesuvs teilt der jüngere Plinius in einem späteren Brief an Tacitus (VI. Buch, 20. Brief) mit.

Plinius’ praefatio zum
Gesamtwerk

C. Plinius Secundus an den Kaiser Titus Vespasianus

1 Die Bücher der Naturgeschichte, ein unter den Schriften1 Deiner Römer2 noch neues Werk, erst jüngst von mir vollendet, habe ich beschlossen, Dir, geliebtester Kaiser (dieser Titel, an den wir durch Deinen erhabenen Vater3 schon lange gewöhnt sind, sei auch der Deiner würdigste), in einer freimütigen Zuschrift vorzutragen. Du pflegtest ja meinen unbedeutenden Arbeiten einigen Wert beizulegen4 – dass ich den Catull, meinen Landsmann (Du kennst auch dieses militärische Wort), anzuführen wage; denn derselbe bediente sich, wie Du weißt, nicht der feinsten Ausdrücke, als ihm seine setabischen Tücher5 vertauscht waren, weil er sie als Geschenk von seinen Freunden Veraniolus und Fabullus sehr in Ehren hielt. 2 Zugleich soll aber durch diese meine Kühnheit das in Erfüllung gehen, über dessen Unterlassung Du Dich auf ein früheres ehrerbietiges Schreiben von mir beklagt hast, damit einige Deiner Taten ans Licht treten und jedermann erfahre, wie würdig Du der Beherrschung des Römischen Reiches bist. 3 Du hast Triumphe gehalten, warst Zensor, sechs Mal Konsul und Dir wurde die Macht eines Tribuns zuteil; aber groß und edel hast Du gehandelt, da Du, als Befehlshaber der Leibwache, Deinem Vater und dem Ritterstande Deine Dienste widmetest, und das alles tust Du für den Staat, mir aber bist Du ebenderselbe im Feldlager. Bei Dir hat die Größe des Glücks nichts geändert, als mehr und mehr nützlich zu sein. 4 Wenn daher den Übrigen alle jene Mittel zu Gebote stehen. Dir Verehrung zu erweisen, so bleibt mir, um Dir auf eine vertrauliche Weise zu huldigen, nur die Kühnheit übrig. Diese magst Du Dir selbst anrechnen, und, wenn ich schuldig bin, verzeihen. Ich wollte aller Blödigkeit entsagen, kann sie aber dennoch nicht ganz ablegen, denn Du trittst mir auf anderem Wege zu mächtig entgegen, und bestimmst mich durch Deine große Gelehrsamkeit, noch weiter zurückzuweichen. 5 Noch bei keinem glänzte so sehr die wahre rednerische Kraft, die Beredsamkeit der tribunizischen Gewalt. Wie donnerst Du das Lob des Vaters! Wie lieblich bist Du beim Lob des Bruders! Wie groß ist Dein Dichtertalent! Oh, welche Fruchtbarkeit des Geistes! Du wusstest auch den Bruder6 nachzuahmen. 6 Aber wer kann dies alles wohl ohne Furcht würdigen, wenn er sich dem überdies noch erbetenen Urteil Deines Geistes unterwerfen will? Denn die Lage derer, welche etwas öffentlich herausgeben, ist verschieden von denen, welche Dir speziell etwas widmen. In jenem Falle könnte ich sagen, warum liest Du dies, mein Kaiser? Es ist für das niedere Volk, die Bauern, Handwerker, zum Ausfüllen müßiger Stunden geschrieben; wer hat Dich zum Richter bestellt? Als ich dieses Werk schrieb, warst Du nicht mit auf jener Liste. Ich hielt Dich für zu erhaben, als dass ich glauben sollte, Du würdest Dich soweit herablassen. 7 Überdies gibt es ja auch eine öffentliche Zurückweisung bei den Gelehrten. Ihrer bediente sich M. Tullius7, der doch über alle Geistesarmut erhaben ist, und ließ sich, was mich wundert, durch einen Sachwalter verteidigen. »Es ist nicht für die gelehrtesten Männer bestimmt; ich will nicht, dass Manius Persius, ich will, dass lunius Congus mich lese«. Wenn dies Lucilius8, der zuerst eine satirische Schreibart einführte, von sich sagen zu müssen glaubte, wenn Cicero solches von ihm entlehnte, namentlich, als er über den Staat schrieb, um wie viel eher habe ich Ursache, mich vor irgendeinem Richter zu verwahren! 8 Aber dieses Schutzmittels habe ich mich durch meine Zuschrift selbst begeben; denn es ist ein großer Unterschied, ob jemand einen Richter durchs Los erhält oder ihn wählt; ferner sind die Zurüstungen bei einem geladenen Gast verschieden von denen bei einem unvermuteten.

9 Wenn bei Cato, jenem Feind von zudringlichen Amtsbewerbungen, der sich über versagte Anstellungen, gleichsam als wären sie unveräußerlich, freute, die Bewerber in den hitzigsten Versammlungen ihr Geld niederlegten, so gaben sie vor, sie täten dies ihrer Unschuld wegen, die sie für das beste aller menschlichen Güter hielten. Dahin zielt jener edle Ausruf des M. Cicero: »Du glücklicher M. Porcius, von dem niemand eine Ungerechtigkeit zu begehren wagte«! 10 Als L. Scipio Asiaticus sich an die Tribunen, unter denen auch Gracchus war, um Hilfe wandte, lieferte er dadurch den Beweis, dass er sich auch dem Urteil eines feindlichen Richters unterwerfen könne. So ernennt ein jeder irgendeinen zum höchsten Richter seiner Angelegenheit, wenn er wählt, und daher kommt auch der Ausdruck »Aufruf«.

11 Dass Du auf den höchsten Gipfel des menschlichen Geschlechts gestellt, mit größter Beredsamkeit und Gelehrsamkeit begabt bist, ja selbst von den Dich Grüßenden ehrfurchtsvoll begegnet wirst, ist mir bekannt. Daher besorge ich, dass das, was Dir gewidmet wird, auch Deiner würdig sei. Aber es opfern ja die Landleute und viele Völker den Göttern mit Milch und spenden mit Salz vermischtes Mehl, weil sie keinen Weihrauch haben; und niemals wurde es für ein Laster gehalten, die Götter so zu verehren, wie man es vermochte. 12 Meine Kühnheit wird indessen noch dadurch vermehrt, dass ich Dir diese Bücher von leichterer Arbeit gewidmet habe; in ihnen vermisst man einen erhabenen Geist, der mir überdies nur in sehr mäßigem Grad zuteilward; auch fehlen darin, wegen Trockenheit der Materie, Abschweifungen, Reden, Gespräche, merkwürdige Ereignisse, verschiedene Vorfälle oder Gegenstände, welche angenehm zu nennen und interessant zu lesen wären.