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Westend Verlag

Ebook Edition

NICOLE KLAUSS

DIE NEUE TRINKKULTUR

SPEISEN PERFEKT BEGLEITEN OHNE ALKOHOL

Westend Verlag

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www.westendverlag.de

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.

Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

ISBN 978-3-86489-660-6

© Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2017

Gestaltung: Buchgut Berlin und Andreas Töpfer

Illustrationen: Andreas Töpfer

E-Book: Publikations Atelier, Dreieich

Inhalt

Titel
Inhalt
Einleitung
Gruß aus der Bar
Vorwort
Die neue Trinkkultur
Pairing
Pairing – das Spiel mit den Aromen
Die Basics des Pairings
Wasser
Wasser
Wasser und seine Besonderheiten
Wasser ist nicht gleich Wasser –Vom Getränk der armen Leute zum Statussymbol
Wasser-Pairing
Saft
Saft
Was Sie schon immer über Saft wissen wollten
Saft-Pairing
Jetzt sind Sie dran!
Milch
Milch
Milch-Pairings
Getränke mit fermentierter Milch
Tee
Tee
Teesorten
Tee-pairing
aromatisiertes Wasser
aromatisiertes Wasser
Pairing mit
aromatisiertem Wasser
Shrubs & Co.
ShRubs & Co.
Pairing mit Shrubs & Co.
Kombucha
Kombucha
KOMBUCHA-PAIRING
Wasserkefir
Wasserkefir
WASSERKEFIR-PAIRING
Aperitif
Aperitif
Nachwort
Ohne ist das neue Mit!
Ausblick
»… ich bleibe heute bei Wasser«
Anhang
Restaurant-portrait: Das Horvárth von Sebastian FrankDer Pionier oder: Ein Österreicher in Berlin
Restaurant-portrait: einsunternull in BerlinKulinarische Visionäre: Benjamin Becker, Ivo Ebert und Andreas Rieger
Restaurant-portrait: SchwarzensteinNordisch-pur: Nils Henkel
Restaurant-portrait: Das Yam’Tcha in Paris von Adeline GrattardFusion Cuisine: Paris trifft auf Hongkong
Restaurant-portrait: Das Döllerer Genießerrestaurant in Golling.Der Innovative mit Tradition: Andreas Döllerer
Pairing Getränke Wasser und Saft
Pairing Getränke Saft, Milch, Tee
Pairing Getränke Tee, Aromatisiertes Wasser
Pairing Getränke Aromatisiertes Wasser und Shrubs
Pairing Getränke Kombucha, Wasserkefir, Aperitif, Digestif
Pairing Speisen Vorspeisen, Zum Abendbrot, Asiatische Küche
Pairing Speisen Fisch, Fleisch
Pairing Speisen Fleisch, Gemüse
Pairing Speisen Käse, Kleine Gerichte
Pairing Speisen Meeresfrüchte, Mexikanische Küche, Orientalische Küche, italienische Küche
Rezepte mit Wasser
Rezepte mit Essig
Rezepte mit Seedlip
Rezepte mit Milch
Rezepte Sirups
Glossar
Bezugsquellen
Literatur
Vielen Dank

Für meine Mutter

Vielen Dank

an meine Mutter, bei der ich kochen und schmecken gelernt habe und die mich mit großem Langmut meine beruflichen Experimente hat machen lassen.

an meinen Mann Peter, der mir den Rücken frei­gehalten, sich um unsere Kinder gekümmert, meine Texte gelesen und meine Getränkeexperimente getestet hat. Und es außerdem seit Monaten ­huldvoll erträgt, dass unser Kühlschrank und die Speisekammer mit fremdartigen Flüssigkeiten ­blockiert sind.

an meine Kinder Lilly und Jakob, die einige Ge­-tränke tapfer probiert – oder wenigstens dran gerochen haben – und mich in Schreibpausen und gerne auch in Schreibphasen sehr aktiv an ihrem Leben und ihren Interessen teilhaben ließen.

Ohne sie wäre mein Leben unglaublich viel ärmer – und dieses Buch wahrscheinlich in zwei Monaten fertig gewesen.

an meinen Lektor Max, der mit Humor und großer Milde und Güte meine Texte bearbeitet hat und mit Geduld und der nötigen Konsequenz meine wahlweise zu langen oder zu kurzen Sätze zu einem lesbaren Text machte.

an meinen Verleger Markus, der sich sehr spontan für dieses gemeinsame Buchprojekt entschieden hat. Und überhaupt an alle Männer vom West­end Verlag: Ihr seid großartig!

an alle Kreativen von Buchgut für die außergewöhnlich tolle Gestaltung des Buches und an Andreas Töpfer für die zahllosen großartigen Zeichungen.

an Werner Brandl, der mir in Gesprächen und Mails bei der Namensfindung geholfen hat und zu ­treffende Entscheidungen ehrlich und nicht höflich kommentiert hat.

an Katrin Wilkens und Sebastian Schlösser, ohne die dieses Buch so nicht möglich gewesen wäre – vielen Dank für die regelmäßigen Motivationsschübe!

an Claudia Zaltenbach von »Dinner um acht«, die mir mit hilfreichen und professionellen Anregungen sehr geholfen hat.

Last, not least danke ich all den Menschen, die mit mir probiert, diskutiert, mich motiviert und bestärkt haben, dieses Buch zu schreiben: Beate und Stephan, Constanze, Meike, Luisa, John, Inés, ­Cathrin, Anaïs, Claudia, Christine, Michael, Alexandra und Andreas, Berit und Jonathan, ­Birgit und Daniel, Natalie, Christian und Julia, Inge Ahrens.

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Nicole Klauß begann ihre berufliche Karriere zunächst als Kunsthistorikerin, Romanistin, Art Consultant und Eventmanagerin. Dann begann sie eine Ausbildung in Önologie, die sie aber aufgrund ihrer Schwangerschaft abbrechen musste.

In dieser Zeit beschäftigte sie sich intensiv mit dem Thema Genuss ohne Alkohol. Nach der Geburt ihrer beiden Kinder konzentrierte sie sich auf die Beratung von Gastronomen. Außerdem ist sie als Autorin und Bloggerin tätig.

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Einleitung

Warum dieses Buch? · Das Softdrinkangebot im (Sterne)­restaurant: Eine Anleitung zum Unglücklichsein · Umgang mit dem nichttrinkenden Gast · Wer nicht trinkt, macht sich immer verdächtig · Eau du Fröhliche · alkoholfreie Speisebegleitung – nicht mehr nur für kulinarische Geeks

Gruß aus der Bar 

Sie kennen die Situation: Sie sitzen in einem gehobenen Restaurant, irgendwo in Deutschland, vielleicht hat es sogar einen Stern – und Sie möchten heute keinen Alkohol trinken, warum auch immer. ­Sie bekommen die Menü- und die Getränkekarte. Erstere ist häufig kurz gehalten, gerne werden die einzelnen Gänge nur knapp be­schrieben: »Makrele / Topinambur / Miso«. Letztere ist üppig und wirkt häufig wie kuratiert: Sie finden zunächst seitenlang Weine, die liebevoll und wortreich erläutert sind, sortiert nach Jahrgang, Farbe, Ländern oder Rebsorten.

Am Schluss findet sich in der Regel ein kleiner Bereich mit warmen Getränken, und dann folgt die zumeist ebenso übersichtliche Auswahl der Getränke ohne Alkohol: Stilles und Mineralwasser mit Kohlensäure, Colafantasprite, ein paar Säfte (auch als Schorle erhältlich). Punkt.

Sie wenden sich nach der Menüauswahl an den Sommelier oder die Sommelière. Und selbstverständlich wird Ihnen kenntnis- und wortreich der passende Wein empfohlen, ergänzt mit kleinen Geschichten über den Winzer, die Lage, die Bodenbeschaffenheit, die Geschichte des Weinberges. Bouquet, Balance, Vielschichtigkeit, Extrakt und Nachhall. Sie kennen das.

Aber wenn es um eine alkoholfreie Essensbegleitung geht: »Wasser mit oder ohne Kohlensäure?« Dazu gerne noch skeptische bis mitleidige Blicke: Schwanger? Muslim? Trockener Alkoholiker? Autofahrer? Alles auf einmal? Auf jeden Fall: Spaßbremse!

Aber tatsächlich mag ich mich nicht rechtfertigen dafür, dass ich keinen Alkohol trinke. Und: Warum bekomme ich aus der Fülle der möglichen antialkoholischen Getränkebegleitungen zumeist nur ein paar (häufig qualitativ fragwürdige) Säfte, Wasser und die üblichen Softdrinks angeboten? Warum werde ich hier nicht mit der gleichen Eloquenz und Kompetenz beraten?

Während meiner Weinausbildung kam Wasser nur am Rande vor. Nämlich als optimale Unterstützung des Weines und als Durstlöscher. Alkoholfreie Speisebegleitungen waren nie auch nur ansatzweise ein Thema.

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Ich fühle mich in Restaurants manchmal wieder ein bisschen wie mit zehn, als ich auf der goldenen Hochzeit meiner Großeltern zwischen genau diesen Getränken auswählen durfte. Der Unterschied war nur, dass mein Getränk damals im Senfglas serviert wurde. Heute im Kelch. Immerhin. Gästen, die keinen Alkohol trinken wollen, wird nämlich automatisch der Teil der Getränkekarte empfohlen, der zumeist für Kinder gedacht ist. Und tatsächlich muss man dann aus Verzweiflung meistens einfach die alkoholische Begleitung wählen, weil die nichtalkoholische Getränkeauswahl so deprimierend ist, dass eigent­lich nur Alkohol dieses Dilemma lösen kann.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Dies ist kein Buch, das Alko­hol verteufeln will. Ich mag Wein. Sehr sogar. Aber manchmal möchte ich eben auch eine anspruchsvolle Getränkebegleitung ohne Alkohol. Ich vertrage Alkohol nicht besonders gut. Das macht Restaurantbesuche nicht leichter. Die Idee zu diesem Buch entstand übrigens während meiner Schwangerschaften. Der Versuchsaufbau war immer derselbe: Sichtbar schwangere Frau geht essen – und wird direkt gefragt, ob sie das Wasser lieber mit oder ohne Kohlensäure hätte. Fragen nach alkoholfreien Alternativen wurden höflich, aber bestimmt verneint. Oder eben Apfelschorle-Cola-Fanta-­Sprite-Bionade. Einmal sogar auch noch mit dem Kommentar versehen, der Saftsommelier hätte heute frei. Witzig! Das ist weder ein besonders serviceorientierter noch besonders professioneller Umgang mit dem Gast.

Sie finden in diesem Buch über jedes Getränk einen kleinen einleitenden historischen Exkurs, gefolgt von etwas Warenkunde und ein bisschen Chemie und Physik. Fein dosiert, versteht sich. Sie wer­den ein paar allgemeine Regeln zum Pairing finden sowie die unvermeidlichen Ausnahmen davon. Und Sie werden ganz kon­krete Vorschläge für Gerichte und passende nichtalkoholische Getränke­begleitungen entdecken. Sie finden Beispiele für Getränke, die Sie kaufen können, aber auch viele Vorschläge für selbstge­machte Getränke, wie zum Beispiel Shrubs, aromatisierte Wasser, Tees oder Kombucha. Was Sie übrigens nicht finden werden, sind ­Pairings mit alkoholfreien Weinen und Bieren. Da ist einfach nicht viel Schönes dabei. Wein und Bier ohne Alkohol sind die Luft­gitarren der Getränke. Der Geschmack ist hier ganz eindeutig an die Prozente gekoppelt.

Eine erwachsene, alkoholfreie Getränkebegleitung ist möglich. Sie müssen sich ein bisschen mit dem Thema beschäftigen und ­experimentieren, und da sind sie dann: die richtig guten Pairings.Vielleicht demnächst ja auch in mehr und mehr Restaurants, auf jeden Fall aber ab sofort bei Ihnen zu Hause. Wenn Sie mögen.

Guten Appetit und:
You won’t miss the booze!

Vorwort

Vorwort von Sebastian Frank, Inhaber und Küchenchef vom »Horvárth«, Berlin

Die neue Trinkkultur

Erst seit kurzer Zeit interessieren sich Gourmets und Genießer für den Genuss alkoholfreier Alternativen zu Wein und anderen hochprozentigen Speisebegleitern.

Jeder kennt die Situation, in einem gehobenen Restaurant zu sitzen, mehr oder weniger vom Weinangebot überfordert zu sein, eventuell auch von der schieren Menge an alkoholhaltigen Getränken, die ein mehrgängiges Menü mit sich bringt.

Sie müssen am nächsten Tag früh raus? Trinken eventuell gar keinen Alkohol, aus welchem Grund auch immer?

Dann sieht es momentan schlecht aus für Sie in deutschen Restaurants, zu Ihrem ausgeklügelten Menü eine ebenso attraktive wie anspruchsvolle alkoholfreie Alternative gereicht zu bekommen.

Was in anderen Ländern wie etwa in Skandinavien oder den USA mit Restaurants wie Eleven Madison Park oder dem French Laun­dry von Thomas Keller schon selbstverständlich ist, steckt in un­seren Breitengraden noch in den Kinderschuhen. Doch es tut sich etwas!

Die Idee, ein korrespondierendes nichtalkoholisches Getränk, gleichwertig mit einem Glas Wein, zu kreieren, kam meiner Frau während ihrer Schwangerschaft. Als wir zum wiederholten Male in das ratlose Gesicht eines Sommeliers sahen, um schlussendlich doch wieder einen Saft gereicht zu bekommen, beschloss meine Frau, dass es den Gästen in unserem Restaurant in Zukunft nicht mehr so ergehen soll.

Für mich ist es mehr als nur ein »Trend«: Es ist die Möglichkeit, das Gericht in einer ganz neuen Art und Weise zu begleiten, unabhängig von einer relativ fest vorgegebenen Charakteristik eines Weines oder der Philosophie des Winzers.

Immer mehr Menschen entwickeln ein neues Bewusstsein gegenüber dem Genuss von Speisen und Getränken und haben einen maßvolleren Umgang mit Alkohol.

Ein ehemaliger Mitarbeiter und langjähriger Weggefährte, der ebenfalls keinen Alkohol konsumiert und den damit einhergehenden Verzicht, in gehobenen Restaurants keinen Speisebegleiter zu bekommen, gut kennt, hat mir von seiner Erfahrung in Dänemark erzählt. Apfelsäfte verschiedener Sorten wurden als eine Art »Grundsaft« mit vielfältigsten Aromen versetzt, so dass der Apfelsaft nur noch hintergründig agierte und zum geschmacklichen Neben­darsteller wurde.

Dies war die eigentliche Grundlösung des logistischen Pro­blems, für jedes Gericht eine Begleitung von Grund auf produ­zieren zu müssen. Es wurde eine Basis geschaffen, von der aus sich ein Großteil der Getränke ableitet. Selbstverständlich war Apfelsaft in Reinform keine Option, da mir dieser zu eindimen­sional vorkam. Dennoch wollte ich die ausbalancierte Grund­aromatik eines Apfels hinsichtlich Süße und Säure nicht außer Acht lassen. Es entstand ein Grundsaft, der in verschiedenen ­Anteilen Petersilienwurzel, Karotte, Stangensellerie und zwei Sorten Äpfel enthält.

Dabei spielte selbstverständlich auch der Nährwert eines Getränkes eine sehr große Rolle, da es nicht sinnvoll wäre, das Menü abzubrechen, weil die Gäste schon nach dem zweiten Gang satt sind. Alle Begleitungen müssen daher einem eher wässrigen Medium sehr nahekommen.

Aus diesem Grund unterziehen wir den Grundsaft einer »Heißfiltration«, bei der alle Feststoffe vom flüssigen Teil getrennt werden, ohne dass dieser dabei die aromatischen Gegebenheiten eines frisch gepressten Saftes verliert.

Auf der Basis dieses Grundproduktes entstehen die meisten unserer Kreationen, allerdings arbeiten wir auch gerne mit Kaltaus­zügen von Gewürzen und verschiedenen Teesorten.

Darüber hinaus können gewisse »Aromakicks« an der Glaswand angebracht werden. So kann zum Beispiel beim ersten Schluck vom Teeauszug mit Dillblüte eine am Glas angebrachte salzig weiße Essig­schokoladencreme den Geschmack noch verfeinern oder ein Gewürz von geröstetem Blumenkohl und Anis so angebracht werden, dass bei jedem Schluck die richtige Menge Gemüsegewürz einfach an den Lippen haften bleibt.

Welche aromatischen Bausteine zu einem Getränk zusammen­gefügt werden, hängt dann vom Menü ab. So kann es sein, dass bei einem sehr ausdrucksstarken, harmonischen Gericht die Getränke­kreation eher »nur« begleitend wirkt, wie ein Glas Wein.

Jedoch kann ich die alkoholfreie Variante auch neutralisierend, wie durch eine sehr kühle und wässrig-frische Wahrnehmung oder »geschmacksreduzierend« gestalten, indem ich einen Hauch Öl hinzufüge oder mit Milchprodukten arbeite, die durch ihren Fettanteil solch einen Effekt haben und sehr würzige oder scharfe Speisen entkräften.

Für mich persönlich haben wir ein neues Feld betreten, indem wir die Begleitung nicht mehr »nur« als alkoholfreies, begleitendes Getränk sehen, sondern es eher als flüssiges Gericht wahrnehmen, das wie ein »Satellit« die Tellerkreation nach eigenem Ermessen komplementieren kann.

So können aber auch in oder am Getränk Aromen vorkommen, die das Gericht nicht hat, und im Umkehrschluss kann die Kreation auf dem Teller wiederum an das Getränk ebenfalls fehlende Nuancen zurückgeben.

Dass nicht immer alles so »kopflastig« ablaufen muss, habe ich in der »Rutz Weinbar« bei Marco Müller gelernt, der sich ebenfalls einer sehr anspruchsvollen Begleitung zum Menü verschrieben hat. Bei unserem Besuch wurde uns eine sehr ausdrucksstarke Ge­tränke­­begleitung dargeboten, deren Höhepunkt aus meiner persönlichen Sicht ein einfacher, aber sehr komplexer und vielschich­tiger Saft von Wildpflaumen war.

Für mich war es einfach wichtig, ein neues Gesamterlebnis zu schaffen, nicht nur für Menschen, die bewusst auf Alkohol verzichten möchten, sondern auch für versierte Weintrinker, die am Gaumen einen neuen Kick suchen, sich überraschen lassen wollen und nicht immer, man verzeihe mir, auf ein gewissermaßen gewohntes »Convenience Produkt« zurückgreifen wollen.

Oft werde ich gefragt: »Kann ich als Hobbykoch das zu Hause auch nachmachen?« Die Antwort lautet ja! Alles, was Sie hierzu ­benötigen, ist ein Entsafter, Mut zur Kreativität und etwas Engagement. Dann sind Ihnen und Ihren Getränkekreationen keine Grenzen mehr gesetzt.

Die notwendige Literatur hierfür halten Sie ja schon in Ihren Händen.

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Wasser

Der erste Softdrink der Menschheit • Wo Wasser ist, da lass dich ruhig nieder • Die Trinkhalle: Heilkur für den kleinen Mann • Sodawasser: der Siegeszug der Kohlensäure • Von Wassersommeliers und Wassertastings • Welches Wasser passt wozu?

Wasser

Wasser ist die Grundlage allen Lebens. Die ersten Menschen ließen sich dort nieder, wo es frisches (Süß-)Wasser gab: an Flüssen, an Quellen und Seen. Außerdem erleichterte es den Transport von Waren und bot somit einen veritablen Standortvorteil. In dem Maße, in dem die Menschen sesshaft wurden, verschlechterte sich allerdings auch die Qualität des Wassers. Flüsse waren Trinkwasserquelle, bedeuteten aber auch einfache Abwasserentsorgung. Bereits vor etwa 10 000 Jahren begann man durch Gärung und Fermentation alko­holische Getränke herzustellen, die weniger Keime hatten und zu einer populären Alternative zu dem häufig verun­reinigten Wasser wurden. Tatsächlich waren die Menschen über Jahrhunderte bis ins 18. Jahrhundert hinein mehr oder weniger ständig betrunken.

Wein, Bier, Schnaps und Co. waren aber weit mehr als nur ein Durstlöscher: Sie wurden zum Zahlungsmittel, Rauschmittel und Statussymbol und dienten sowohl der kreativen Inspiration als auch zur Unterdrückung und Kontrolle des einfachen Volkes. Mithilfe alkoholhaltiger Getränke wurden politische und wirtschaftliche Verträge geschlossen und religiöse Rituale vollzogen.

Das Wasser blieb als Getränk für die armen Leute und die Tiere. In vielen Regionen finden sich dafür eigene Wortschöpfungen. Gänse­wein war im deutschen Sprachgebrauch das Getränk der armen Gänsehirten und das, was eben auch seine Gänse tranken. Im eng­lischen Kulturkreis gibt es das Wort »Adamsbier« (Adam’s Ale oder Adam’s Wine), im französischen Kulturraum wird heute noch umgangssprachlich ein »Château La Pompe« (als Anspielung auf die Namens­gebung hochwertiger Weine aus Frankreich) ausgeschenkt, analog zum italienischen »Vino di Fonte«, dem Brunnenwein. Bereits in der Antike war die gesundheitsfördernde Wirkung von Heilwasser bekannt. Seit dem Mittelalter wurde das Wasser von Heilquellen für gesundheitliche Anwendungen genutzt, und im 18. Jahrhundert stieg die Anzahl fürstlicher Privilegien für den Betrieb von »Gesundbrunnen«.

Der mittelhessische Ort Niederselters wurde prägend für das na­türlich sprudelnde Mineralwasser, das als »Selters« in vielen Regionen Deutschlands zum Synonym für kohlensäurehaltiges Wasser wurde. Der Goldschmied Jacob Schweppe (1740 – 1821) erhielt 1783 das Patent für das Versetzen des Wassers mit Kohlensäure. ­Zusammen mit dem Mechaniker Nicolas Paul und dem Apotheker Henri-Albert Gosse betrieb er eine Mineralwasser­fertigung in Genf und London: Die Firma Schweppe Paul und Gosse. Als die Partner das Unter­nehmen verließen, nannte Schweppe sein Unternehmen in »Schweppe & Co.« um. Seine Idee, die Chinin­tablette zur Malaria­prophylaxe mit etwas Limettensaft in Tonicwater aufzulösen, wurde von den Offizieren in den Britischen Kolonien begeistert aufgenommen, Schweppe wurde 1831 königlicher Hoflieferant und erhielt 1836 das Royal Warrant, die königliche Empfehlung. Der Rest ist Geschichte: Bis 2006 behielt das Unternehmen den Namen »Soft Drink Manu­factures Schweppes Ltd. London. Famous since 1783.« Heute gehört das Unternehmen zu Coca-Cola und Cadbury, die sich den Vertrieb weltweit aufteilten.

Dank der technischen Möglichkeit, Wasser mit Kohlensäure anzureichern, trat das Mineralwasser einen Siegeszug an.

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Trinkhallen wurden Mitte des 19. Jahrhunderts populär und prägten schon bald das Bild vieler Städte Europas.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurden nach dem Vorbild der Kurorte erste kleine »Trinkhallen« errichtet, in denen nun auch der »kleine Mann« eine Heilkur machen konnte. Als Erstes standen die Trinkhallen vor den Werktoren der Zechen – das Mineralwasser wurde in großen Kupfel­kesseln angeboten und sollte den Arbeitern eine Alternative zu Schnaps und Bier bieten (Leitungswasser war ungekocht immer noch ein Gesundheitsrisiko). Von den Betreibern der Mineral­brunnen wurden die Trinkhallen schnell als neue Vertriebsmöglichkeit angenommen, und mit Unterstützung der Städte, die Flächen für die Trinkhallenbetreiber zur Verfügung stellten, fanden sich die kleinen Pavillons bald an Plätzen, Promenaden und neu angelegten Parks und Gärten in ganz Europa. ­Bau­liches ­Vorbild wurde ein Entwurf des Berliner Architekten Martin Gropius aus dem Jahr 1859: Mit einem vier- oder acht­eck­igen Grund­riss und den aufwändigen Verzierungen entsprachen die Pavillons archi­tektonisch den Gartenpavillons des Adels. So wurde das Stadtbild aufgewertet, und die Bevölkerung hatte Zugang zu gesundem und erfrischendem Mineralwasser. Doch die Entwicklung ging weiter: Das häufig säuerlich-schwefelige Heilwasser fiel in der Gunst der Bevölkerung zurück, und Sodawasser begann seinen Siegeszug. Wurde Mineralwasser in den Anfangszeiten noch in Ton­flaschen vertrieben, waren es später Flaschen aus grünem Glas in unterschiedlichen Größen und mit unterschiedlichen Verschlüssen. Die Füllmenge lag zumeist bei maximal 0,7 Liter, damit das Mineral­wasser bis zum letzten Schluck die optimale Menge an Kohlen­säure enthielt. 1952 kam es zu einer weiteren wichtigen Neuerung: Der Kostenfaktor wegen der unterschied­lichen Flaschen­größen und Verschlüsse wurde durch die Einführung einer Einheitsflasche mit Bügelverschluss minimiert. Die noch heute gängige »Normbrunnenflasche für Mineralwasser« mit Schraubverschluss stammt aus dem Ende der 1960er Jahre und ermöglichte erstmals die Standardisierung des Vertriebssystems. Die 0,7 l-Flasche mit dem »Perl­dekor«, (230 Noppen, wenn Sie es genau wissen wollen), entworfen vom Industriedesigner Günther Kupetz, stand nun symbolisch für ein klares und gesundes Getränk.

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Die Zahl der Trinkhallen, die in den 1950er Jahren eine Blütezeit erlebten, sank mit der Verbreitung der Supermärkte jedoch stetig, und die Liberalisierung der Öffnungszeiten im Jahr 1996 trug ebenfalls zum ihrem Verschwinden aus dem Stadtbild bei (lange Öffnungs­zeiten waren bis dato ein Privileg der Trinkhallen).

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Seit 1969 fester Bestandteil deutscher Alltagskultur: die Normbrunnenflasche mit Perldekor.

Doch die Karriere des klaren Getränks nimmt weiterhin einen rasanten Verlauf, und heute trinken die Deutschen so viel Mineralwasser wie nie zuvor: Lag der Pro-Kopf-Verbrauch in 1970 noch bei 12,5 Litern pro Jahr, stieg er auf 39,6 Liter im Jahr 1980, 1990 auf 82,7 Liter. Im Jahr 2000 war die magische 100-Liter-Grenze erreicht. 2010 lag der Verbrauch bei 130,9 Litern und erreichte 2015 147,3 Liter. Alleine in Deutschland kann der Verbraucher zwischen 500 Mine­ral­wassern und rund 40 Heilwässern auswählen. Dabei liegt der Verbrauch von Wasser mit weniger Kohlensäure mit 43,1 Prozent knapp vor dem klassischen Mineralwasser (40 Prozent), der Verbrauch von Mineralwasser ohne Kohlensäure liegt bei 14,3 Prozent, Mineralwasser mit Aroma und Heilwasser spielen nur eine untergeordnete Rolle.

Was ist das eigentlich? • Ist Quellwasser besser als Heilwasser und was ist eigentlich natürliches Mineralwasser? • »Gutes« Wasser VERSUS »böses« Wasser

Wasser und seine Besonderheiten

Das, was unsere Vorfahren im ersten Jahrhundert nach Christus althochdeutsch wazzar (»das Feuchte, Fließende«) nannten und aus einem Brunnen oder Fluss schöpften, präsentiert sich heute als ein außerordentlich vielschichtiges Produkt.

Sie finden im Supermarktregal Quellwasser, Tafelwasser, Heilwasser, natürliches Mineralwasser, stilles Wasser – das Supermarktregal bietet eine sehr große Auswahl von diversen Herstellern, Quellen und zu den unterschiedlichsten Preisen. Es gibt Wasser, das mit eigener Quellkohlensäure versetzt wurde, Wasser mit natürlicher Kohlensäure, kohlensäurehaltige Wasser. Da kann man leicht mal die Übersicht verlieren.

Die deutsche Mineral- und Tafelwasserverordnung kann hier ­helfen und enthält klare Vorgaben und Definitionen für die diversen Wasservarianten:

Natürliches Mineralwasser muss aus unterirdischen Wasservor­kommen stammen und muss »ursprünglich rein sein«, das heißt, es darf nur darf nur eingeschränkt behandelt werden (so dürfen zum Beispiel Eisen- oder Schwefelverbindungen entfernt werden, genauso wie Mangan und Arsen und Fluorid). Es wird direkt an der Quelle abgefüllt und muss im Unterschied zum Quellwasser, bei dem die Menge der Mineralstoffe nicht vorgeschrieben ist, mindestens ein Prozent gelöste Mineralien enthalten – nur dann erhält es die amtliche Anerkennung. Interessanterweise wird Mineralwasser in Deutschland mit 19 Prozent versteuert und nicht laut der »Liste der dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Gegenstände« zum ermäßigten Steuersatz für sieben Prozent, da Mineralwasser nicht in die Kategorie der Grundnahrungsmittel fällt, wie zum Beispiel Tee oder Kaffee. Die Begründung ist, dass mit dem in Deutschland überall in guter bis sehr guter Qualität vorhandenem Leitungs­wasser schon eine Alternative existiere.

Die Qualität des natürlichen Mineralwassers wird vielfach überschätzt – insbesondere in vielen Ballungsgebieten.

Es stimmt zwar, dass Mineralwasser mit einer besonderen Mineralstoffzusammensetzung eine sinnvolle Ergänzung zur Ernährung darstellen kann. Veganer und laktoseintolerante Ver­braucher etwa können sich mit kalziumhaltigem Mineralwasser versorgen, Menschen mit Verstopfung hilft ein Mineralwasser mit einem höheren Sulfatanteil.

Der Wassertest von Stiftung Warentest im Juli 2016 ergab jedoch, dass einige Mineralwasser eine Konzentration von Keimen aufweisen. In mehreren Wassern wurden sogar Spuren von Chrom VI, Glyphosat, anderen Pestiziden und des Süßstoffes Cyclamat festgestellt. Die Mengen seien gesundheitlich unbedenklich, die Tester weisen jedoch darauf hin, dass auch tiefere Boden­schichten nicht ausreichend geschützt sind. Stilles Mineralwasser sollte, wenn es etwa für die Zubereitung von Babynahrung genutzt werden soll, grundsätzlich abgekocht werden, da es anfälliger für Keimbildung ist als sprudelndes.

Für Heilwasser gelten die gleichen Bestimmungen wie für Mineralwasser, allerdings müssen Heilwasser ein zusätzliches Gramm Mineralien (zum Beispiel Kalzium, Fluorid, Hydrogencarbonat, Kohlendioxid, Magnesium und Sulfat) enthalten. Außerdem gilt Heilwasser als Arzneimittel, und die heilende Wirkung muss durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bestätigt werden. Hier wird die Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit in einem aufwändigen Verfahren nachgewiesen.

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Leitungswasser wird in Deutschland streng kon­trolliert. Im Zweifel können Sie es bei Ihrem ört­lichen Versorger testen lassen.

Leitungswasser ist ein Sammelbegriff für technisch in Wasser­leitun­gen zugeführtes Wasser. Es besteht aus Grundwasser und aufbereitetem Oberflächenwasser und weist daher regional unterschiedliche Qualitäten und Zusammensetzungen auf. Wohnen Sie in Tasmanien in der Nähe vom Table Cape und zapfen Ihr Wasser aus der örtlichen Quelle – herzlichen Glückwunsch! Aus Ihrer Leitung fließt eines der reinsten Mineralwasser der Welt! Auch die Einwohner von Flensburg können sich freuen über eine überdurchschnittlich gute Qualität ihres Leitungswassers freuen, denn unter der Stadt verläuft eine Wasserader aus norwegischem Gletscherwasser. Die Flensburger Brauerei benutzt das Wasser als Brau­wasser. Und wenn Sie mal in Dänemark sind – in den Tiefen des Naturschutz­gebietes am Mossø-­See verläuft die Wasserader, aus der Iskilde (zu Deutsch: kalte Quelle) abgefüllt wird. Buchen Sie dort ein Ferienhaus, und Sie können sich dann das Vergnügen gönnen, in dem Wasser zu baden, für das andere sechs Euro pro Flasche ausgeben.

Das deutsche Leitungswasser ist ein der am besten untersuchten Lebensmittel. Es darf mit Chemikalien aufbereitet werden, aber ist laut Umweltbundesamt in Deutschland von sehr guter Qualität. Die Stiftung Warentest hat im Juli 2016 einen Vergleichstest von ­Mineral- und Leitungswasser durchgeführt und 28 Trinkwasser­proben (die Entnahme erfolgte originellerweise in den jeweiligen Rathäusern) aus 13 deutschen Bundesländern und 30 stille Mineralwasser getestet. Das Ergebnis ist erfreulich: Alle 28 Leitungswasserproben entsprachen den strengen Vorgaben der deutschen Trinkwasserverordnung, es wurden keinerlei Rückstände von Hormonen oder des Pestizids Glyphosat gefunden. Nicht überraschend war, dass in Großstädten wie Berlin oder Frankfurt am Main ­Spuren von Röntgenkontrastmitteln oder Arzneimitteln gefunden wurden, während in Ebersberg-Schmalhau (Hessen) oder im ­Löwenberger Land (Brandenburg) solcherlei Substanzen nicht nachgewiesen werden konnten.

Wenn Sie also, so wie ich, in Berlin oder in einer anderen Großstadt wohnen und aus Ihrem Wasserhahn nicht das sauberste Wasser der Welt fließt, dann sollten Sie sich mit dem Thema Wasser ein bisschen intensiver auseinandersetzen. Wer will, kann sein Leitungswasser individuell auf Belastungen (und Blei­spuren zum Beispiel aus alten Wasserleitungen) bei dem örtlichen Wasserversorger testen lassen. Die Kosten einer Bleianalyse belaufen sich auf circa 15 Euro, eine komplette Analyse kostet rund 80 Euro. Wenn nötig, installieren Sie einen guten (Umkehr-­Osmose)-Wasserfilter und einen Wassersprudler, falls Sie lieber Wasser mit Kohlensäure genießen. Damit sind Sie für den Alltagsgebrauch gut gerüstet.

Tafelwasser (zum Beispiel Bonaqa), besteht aus Trinkwasser und diversen Zusätzen, es gelten qualitätshygienische Anforderungen, aber der Ort der Abfüllung ist nicht vorgegeben und eine amtliche Anerkennung ebenfalls nicht notwendig. Tafelwasser darf nicht mit dem Zusatz »natürlich« versehen werden. Beim industriell ­her­gestellten Tafelwasser wird das Wasser zunächst komplett de­-mineralisiert und dann eine bestimmte Menge Mineralstoffe zugegeben, außerdem Salze und andere Mineralsalze sowie Kohlen­stoffdioxyd. Hier gelten die Vorgaben der Trinkwasserverordnung. Tafelwasser ist in der Regel das Ausgangsprodukt für koffein­haltige Erfrischungsgetränke.

Wasser ist nicht gleich Wasser –Vom Getränk der armen Leute zum Statussymbol

Doch Wasser ist nicht gleich Wasser: Weil der Markt als solcher ja dazu neigt, sich auszudifferenzieren, gab es neben dem normalen (langweiligen) Wasser bald schon tolleres, exklusiveres, teureres Wasser. In den 1990er Jahren ist Wasser zu einem Lifestyle-Produkt und zum Statussymbol geworden. San Pellegrino hat es früh verstanden, die Gastwirte davon zu überzeugen, nicht einfach irgendein Wasser anzubieten, sondern eben ein »Pellegrino«. Praktischerweise gab es dann auch gleich das stille Wasser dazu: Acqua Panna. Dahinter steht eine ganze Philosophie: San Pellegrino gibt ein Konvolut heraus, den »Water Codex«. Auf über 180 Seiten werden die Vorzüge von Pellegrino und Acqua Panna hervorgehoben, Terroir und Komposition beschrieben, es geht ums Wasser-Tasting, Regeln für das richtige Wasser zum Wein, namhafte Sommeliers werden zitiert. Merken Sie etwas? Das Wasser ist auf dem aufsteigenden Ast.

Möchten Sie etwas Inspiration für den Smalltalk? Bitte sehr:

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Aus den Quellen auf der Insel Viti Levu fließt ein echter Exportschlager.

Fiji: Wasser aus einer Quelle auf der Insel Viti Levu, Hauptinsel der Fidji-Gruppe im Südpazifik. Es handelt sich hier um Regenwasser, das von den Passatwinden gereinigt und durch Vulkangestein gefiltert wurde – so reichert sich das Wasser mit wertvollen Mineralien an.

0,3 Liter für 4,50 Euro

420 Below aus Banks in Neuseeland: Die Quelle entspringt der einzigen erloschenen Vulkanformation der Insel. Mit einem pH-Wert von 7,7 passt es laut Hersteller besonders gut zu Tee, ­Kaffee, Wein oder Whiskey.

0,42 Liter ab 5 Euro

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Banks in Neuseeland: Wasser vom Rande des Vulkans.

Bling H2O: Der Name ist Programm – eine mit Swarovski-­Kristallen verzierte Flasche, mit (Leitungs-)Wasser aus Tennessee, neunmal gefiltert, Hollywoods Liebling. Weltweit kein Bestseller (mehr), nur in Tokio, Singapur und Moskau wird dieses heute noch gut verkauft.

0,75 Liter ab 45 Euro

Rokko no Mizu: Das Wasser aus dem Rokko- -Gebirge in Japan ist ein wunderbares Beispiel für ein großartiges Marketing. In den 1990er Jahren gab es dieses Wasser nur auf der Getränkekarte des Hotel Adlon in Berlin. Das Adlon wollte ein exklusives japanisches Wasser. Man wählte ein Wasser, das für wenig Geld an jeder Ecke in Japan zu kaufen ist. Die geringen Mengen, die das Adlon wollte, werden nicht verschifft, also ging die Bestellung über Luftfracht nach Berlin. So erklärt sich dann auch der Preis: Die Frachtkosten betragen rund 70 Euro pro Kilo. Laut Wassersommelier Arno Steguweit ist das Wasser übrigens nicht schlecht.

0,5 Liter für 60 Euro

Cloud Juice: Das Wasser vom Cape Grim in Australien ist laut Aussage des Herstellers entstanden »aus der reinsten Luft und das klarste Wasser der Welt.« (Engl.: »the cleanest air, the purest water on earth.«) in Flaschen abgefüllte tasmanische Regentropfen (wenn Sie es genau wissen wollen: 9750 Tropfen pro Flasche). Die Tropfen aus den Wolken seien so rein, dass es als zum Bierbrauen nicht geeignet ist. Es würde durch Eiswürfel verschmutzt. Es wird nur an Tagen mit höchster Luftreinheit abgefüllt. Eine eigene Wetter­station misst minütlich die Luftreinheit der antarktischen Winde. Kenner sprechen von den »Tränen Gottes«.

Ein Liter für 11,50 Euro

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Am Cape Grim soll es das klarste Wasser der Welt geben.

Veen Velvet: Dieses Wasser wird in der arktischen Wildnis Lapplands (genauer: in der Region Konisaajo im nördlichen Finnland) gewonnen und wird in zwei Flaschengrößen vertrieben: 0,33 und 0,66 l – diese Menge ist laut Hersteller optimal für ein Essen zu zweit. Trinken Sie es bei Zimmertemperatur. Kenner nennen es den Cham­pagner unter den Mineralwässern.

0,66 Liter für 7,20 Euro

Filico wird ebenso wie das Rokko no Mizu aus dem japanischen Rokko--Gebirge abgefüllt. Die Flaschen werden in aufwändiger Handarbeit hergestellt (sandgestrahlt und mit Swarovski-Steinen gestaltet). Falls Sie sich nicht davon abschrecken lassen, dass eine Flasche rund 100 US-Dollar kostet, müssen Sie sich beeilen – es werden nur 5000 Flaschen pro Monat abgefüllt.

Antipodes wird an der Otakiri-Quelle in Whakatane in Neuseeland abgefüllt. Etwa 50 Jahre braucht das Wasser, um aus der geschlossenen Quelle artesisch an die Oberfläche zu gelangen. ­Artesisch bedeutet, dass das Wasser ganz alleine ohne Pumpe an die Erdoberfläche gelangt und deshalb keine mechanische Verunreinigung – noch nicht mal durch eine Pumpenanlage – erfolgt.

Dieses Mineralwasser ist für Gutmenschen, zumindest ein bisschen, denn es wird klimaneutral hergestellt. Für Kunden hierzu­lande muss es danach aber fast einmal um den Globus ge­flogen werden, was die CO2-Bilanz wieder gänzlich ruiniert.

Ein Liter kostet rund 7 Euro.

Wenn Sie auf der Suche nach einem guten Wasser sind, das auch gewissen ethischen Standards genügen soll, dann sollten Sie sich aber auch mit der ­hellen und der dunklen Seite der Wasserwirtschaft beschäftigen – denn Wasser ist ein Spekulationsobjekt geworden.

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Sie verkaufen das Wasser für den guten Zweck (und das gute Gewissen): die Kongregation der Barmherzigen Schwestern.

Karmapunkte können Sie etwa mit einem Kauf des Adel­holzener aus dem Chiemgau sammeln, denn hier tun Sie abgesehen von den positiven Aspekten dieses Wassers für Ihren Körper außerdem noch etwas für den guten Zweck: Die Adelholzener Alpen­quellen gehören zu hundert Prozent der Kongregation der Barmherzigen Schwestern, und alle Gewinne des Unternehmens kommen sozialen Zwecken zugute. Adelholzener ist damit sozusagen das pure Gegenteil von Wassern der multinationalen Unter­nehmen wie Nestlé (­Vittel, Pure Life), Danone (Evian), Coca-Cola (ApolLinaris, Bonaqa und Vio) sowie Pepsi (Aquafina).

Pepsi produzierte jüngst negative Schlagzeilen, als herauskam, dass das Wasser, welches der Konzern unter der Marke Aquafina vertreibt, nicht etwa, wie angegeben, hochwertiges Quellwasser ist, sondern ganz einfach abgefülltes Leitungswasser.

Nestlé machte im Jahr 2015 ebenfalls in einer Art von sich reden, die zu denken gibt. Es wurde publik, dass der Konzern aus diversen Quellen im sowieso schon wasserarmen US-Bundesstaat ­Kali­fornien rund 100 Millionen Liter Wasser pro Jahr abfüllt. ­Aufgrund einer veralteten Fördererlaubnis der Forstverwaltung bezahlte Nestlé dafür jährlich gerade einmal 524 Dollar (der Leiter der Forstverwaltung fand sich nach seiner Pensionierung übrigens als »Berater« auf der Gehaltsliste des Konzerns wieder). In einer Region, in der die Bevölkerung zum Wassersparen geradezu ver­pflichtet wird, um den niedrigen Grundwasserspiegel nicht noch weiter sinken zu lassen, ist ein solch rücksichtsloses Vorgehen eher bedenklich.

Wenn Sie also Ihre Wasserauswahl unter der Berücksichtigung von politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und, nicht zu vergessen, den individuell sensorischen Aspekten ausgewählt haben, dann kommen wir jetzt endlich zum Pairing!

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