Rainer Schmitt
Depression
Raus aus der Abwärtsspirale
Ein Ratgeber für Betroffene,
Angehörige, Helfer und
Interessierte
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Die Informationen in diesem Ratgeber sind von dem Verfasser und dem Verlag sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung des Verfassers bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.
Besuchen Sie uns im Internet: www.schulz-kirchner.de
1. Auflage 2015
ISBN 978-3-8248-1144-1
eISBN 978-3-8248-9960-9
© Schulz-Kirchner Verlag GmbH, 2015
Mollweg 2, D-65510 Idstein
Vertretungsberechtigte Geschäftsführer:
Dr. Ullrich Schulz-Kirchner, Nicole Haberkamm
Titelfoto: © drubig-photo · fotolia.com
Fachlektorat: Reinhild Ferber
Lektorat: Doris Zimmermann
Umschlagentwurf und Layout: Petra Jeck
Druck und Bindung:
TZ-Verlag & Print GmbH, Bruchwiesenweg 19, 64380 Roßdorf
Printed in Germany
| Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur Reihe
Einleitung
Depression – eine Volkskrankheit im Überblick
Ursachen und Risikofaktoren
Biologische Faktoren
Vererbung
Neurobiologie
Stress
Neuronale Netzwerke
Psychische Faktoren
Kindheit
Lernprozesse und Denkstile
Erlernte Hilflosigkeit
Verstärkerverlust
Das kognitive Modell
Soziale Wirkfaktoren
Formen und Verläufe von Depressionen
Weitere Depressionsarten
Dysthymie
Bipolare affektive Störung
Zyklothymie
Andere Depressionsarten
Wochenbett/Postpartale Depression
Saisonale Depression
Organisch bedingte Depressionen
Substanzgebundene Depressionen
Burn-out-Syndrom
Suizidalität
Die Behandlungsstrategien
Leitlinien
Erste Behandlungsstrategie: Aktiv-abwartende Begleitung
Zweite Behandlungsstrategie: Psychotherapeutische Behandlung
Verhaltenstherapeutische Verfahren
Tiefenpsychologisch/psychoanalytisch fundierte Verfahren
Organisation und Kosten
Dritte Behandlungsstrategie: Medikamentöse Behandlung
Wirkungsweise und Risiken
Klassische Antidepressiva
Moderne Antidepressiva
Pflanzliche Mittel
Lithium
Übersicht der Wirkstoffe und Medikamente (Auswahl)
Vierte Behandlungsstrategie: Kombinationsbehandlung
Behandlungsempfehlung
Ergänzende Behandlungsverfahren
Körperliches Training
Schlafentzug
Lichttherapie
Elektrokrampftherapie – EKT
Transkranielle Magnetstimulation (TMS)
Ergotherapie
Eigenarbeit – was kann jeder selbst tun?
Bausteine für die Eigenarbeit
Selbsthilfetechniken
Stimmungsprotokoll
Identifizierung angenehmer Aktivitäten – Interessencheckliste
Wochenkalender
Verzerrte Gedanken verändern
Selbstinstruktionen
Achtsamkeit
Ablenkungsstrategien
Kontakte
Welche Möglichkeiten gibt es, in Kontakt zu treten?
Notfallplan
Angehörige und das soziale Umfeld
Was können Angehörige für sich selbst tun?
Gesund bleiben
Was können Sie dafür tun?
Internetadressen
Literatur für Betroffene, Angehörige und Helfer
Literaturverzeichnis
| Vorwort zur Reihe
Die „Ratgeber für Angehörige, Betroffene und Fachleute“ vermitteln kurz und prägnant grundlegende Kenntnisse (auf wissenschaftlicher Basis) und geben Hilfestellung zu ausgewählten Themen aus den Bereichen Ergotherapie, Sprachtherapie und Medizin.
Die Autorinnen und Autoren dieser Reihe sind ausgewiesene Fachleute, die seit vielen Jahren als Therapeuten in der Behandlung und Beratung und/oder als Dozenten in der Aus- und Weiterbildung tätig sind. Sie sind jeweils für den Inhalt selbst verantwortlich und stehen Ihnen für Rückfragen gerne zur Verfügung.
Im Ratgeber „Depression – raus aus der Abwärtsspirale“ fasst Rainer Schmitt seine langjährige und umfassende berufliche Erfahrung im Umgang mit Menschen mit Depression zusammen.
Er beginnt mit einem Überblick über die verschiedenen Depressionsarten, ihre Ursachen, Risikofaktoren und Verläufe. Hierbei gelingt es ihm, informativ und gut verständlich die notwendigen Hintergründe zu erläutern, die zu einer Depressionserkrankung führen.
Den Schwerpunkt des Ratgebers bilden ausführliche Informationen zu den verschiedenen Behandlungsstrategien, die bei Depressionen infrage kommen. Auch hier legt der Autor Wert auf nachvollziehbare Erläuterungen, die es erlauben, sich einen schnellen Überblick zu verschaffen. Es schließen sich umfassende Empfehlungen zur sogenannten „Eigenarbeit“ an, um gegen die Erkrankung vorzugehen, wie auch Hinweise, wie es gelingen kann, nach einer Erkrankungsphase weiterhin gesund zu bleiben. Nicht zu kurz kommen auch Hinweise und wertvolle Tipps für Angehörige, um Betroffene zu unterstützen und sich selbst zu schützen.
Den Abschluss bilden diverse Internetadressen sowie Literaturhinweise. Ergänzt wird der Ratgeber über online zur Verfügung stehende Materialien zum Download, deren Anwendung detailliert beschrieben wird.
Der Ratgeber gibt somit einen guten Überblick über die Depression, deren Therapieoptionen sowie Hinweise, was Betroffene und Angehörige wissen sollten und tun könnten. Er bietet sich daher sowohl für Laien als auch Fachleute an, die sich mit dem Thema auseinandersetzen wollen.
Wir hoffen, mit diesem Ratgeber dazu beizutragen, dass der Alltag für Menschen mit Depression von weniger Vorurteilen und Schwierigkeiten geprägt ist und so die Belastungen der Betroffenen selbst und ihrer Angehörigen verringert werden können.
Arnd Longrée
Herausgeber für den DVE
Zu diesem Ratgeber gibt es folgende Anhänge:
Anhang 1: Stimmungsprotokoll nach Hautzinger, 2006
Anhang 2: EbG-Spaltentechnik
Anhang 3: Zuschreibungsstil
Anhang 4: Interessencheckliste
Diese kostenlosen Downloadmaterialien finden Sie unter www.schulz-kirchner.de/shop auf der Artikel-Detailseite des Titels zum Ausdrucken und zur Verwendung für Ihren eigenen Bedarf.
| Einleitung
Depression – eine Volkskrankheit im Überblick
Depressionen gehören heute zu den häufigsten Erkrankungen in der westlichen Welt und sie breiten sich weiter aus. Woran das liegt, weiß niemand ganz genau. Die Erklärungen reichen von erhöhten Anforderungen in einer schnelllebigen Welt über die Tendenz zur Vereinzelung der Menschen in unserer Gesellschaft bis hin zu verbesserten Diagnosemöglichkeiten von Ärzten und Psychologen. Das gesamte Ausmaß der Verbreitung wird deutlich, wenn man bedenkt, dass aktuell ca. 4 Mill. Bundesbürger an einer Depression leiden. Im Laufe ihres Lebens erkranken bis zu 12 % der Männer und 25 % der Frauen mindestens einmal an einer depressiven Episode.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass bis zum Jahr 2020 Depressionen neben Herz-Kreislauferkrankungen die häufigsten krankheitsbedingten Ausfälle und Behinderungen verursachen werden, da sie das Leben der Betroffenen (und auch der Angehörigen) meist wesentlich stärker beeinflussen als die meisten anderen, auch körperlichen Erkrankungen.
Obwohl es spezifische Risikofaktoren gibt, kann es jeden treffen, ob Sportprofi, Bäckereifachverkäuferin, Medizinerin oder Verwaltungsangestellten, jung oder alt, arm oder reich, Single oder in einer langjährigen Beziehung lebend. Die Ursachen sind vielfältig und meist nicht auf einen einzigen Faktor zurückzuführen.
Dabei ist nicht jedes Traurigsein mit einer Depression zu verwechseln. Verstimmungen, Lustlosigkeit, Pessimismus, auch intensive längere Trauer, z. B. nach Verlust eines nahestehenden Menschen, gehören zu unserem normalen Gefühlsleben dazu und sind nicht automatisch mit einer krankhaften Störung gleichzusetzen. Sie verändern sich nach einiger Zeit wieder zur persönlich üblichen Grundstimmung und bedürfen keiner Behandlung.
Hingegen wirkt sich die Depression als Erkrankung umfassend auf das gesamte emotionale, geistige und körperliche Erleben und Funktionieren eines Menschen aus. Sie beeinträchtigt massiv den gesamten Alltag mit möglichen Auswirkungen auf alle sozialen und beruflichen Umfelder sowie die persönliche Identität.
Als Kernsymptome der Depression gelten:
Niedergedrückte Stimmung
Freud-, Interesse- und Gefühllosigkeit
Kraft- und Antriebslosigkeit
Deswegen sind gerade gut gemeinte Ratschläge wenig hilfreich oder sogar kontraproduktiv. Ein depressiver Mensch kann sich nicht einfach ‚zusammenreißen‘, ‚positiv denken‘, ‚es sich mal gutgehen lassen‘ oder ‚nicht alles so schwer nehmen‘. Im Gegenteil, derartige Aufforderungen werden ihn zusätzlich belasten, weil er diesen Anforderungen und Wünschen seiner Umgebung nicht entsprechen kann und somit – in seiner Wahrnehmung – wieder einmal versagt.
Hinzu kommt, dass viele Menschen, ihr Umfeld einbegriffen, vielleicht gar nicht wissen, dass sie an einer Depression leiden. Diese zeigt sich oft erst in körperlichen Beschwerden wie Schmerzen, Appetitveränderungen oder auch Einschlaf- und Durchschlafstörungen. Diese Symptome können sogar die ursächliche Depression völlig überdecken.
Das ist besonders gefährlich, denn schwere Depressionen können lebensgefährlich sein. Besonders bei jüngeren (bis 25 Jahre) und älteren (ab 70 Jahren) Betroffenen ist das Risiko für eine Selbsttötung hoch.
Ebenfalls problematisch ist das Einhergehen von Depressionen mit anderen, auch körperlichen Erkrankungen. Als zusätzliche Diagnose können Depressionen die Behandlung von z. B. Schlaganfällen, Multipler Sklerose oder Morbus Parkinson massiv beeinträchtigen.
Das Erkennen der Krankheit bereitet mitunter auch deshalb Schwierigkeiten, weil ihr Erscheinungsbild so vielfältig ist und individuelle Ausprägungen hat. Sowohl Beginn als auch Verlauf sind so unterschiedlich, dass sie manchmal jahrelang nicht diagnostiziert wird.
Ein schleichender Verlauf, vielleicht noch gepaart mit Phasen der Verbesserungen, verzögert das Einsetzen einer Behandlung. In der Zwischenzeit kratzt die Depression immer mehr am Selbstwertgefühl, Partnerschaften werden konfliktreicher, Interessen weniger. Es fehlt an Freude, Elan und Leistungsfähigkeit, alles ist schwer und überfordernd. Das Gefühl, sich selbst zu verändern, ohne zu wissen warum, verunsichert zusätzlich.
Der Zustand wirkt sich auch auf die sozialen Beziehungen aus, auf den Beruf, auf die gesamte Lebensführung. Menschen mit einer Depression ziehen sich aus ihrem sozialen Umfeld zurück, weil sie sich darin fremd vorkommen. Das Leben entgleitet ihnen, und sie können nichts dagegen tun. Stattdessen werden sie sich selbst Vorwürfe machen, in unendlichen Grübelschleifen um Schuld und Versagen kreisen, was ihre Stimmung noch mehr niederdrückt und Aktivitäten, sich daraus zu befreien, verhindert.
Dieser vorliegende Ratgeber soll helfen, Wege aus diesem Teufelskreis aufzuzeigen.
TIPP: Wenn Sie sich fragen, ob Sie vielleicht an einer Depression leiden, können Sie im Internet bei der Deutschen Depressionshilfe einen Selbsttest durchführen, der Ihnen eine Empfehlung für evtl. weiteres Vorgehen liefert: http://www.deutsche-depressionshilfe.de/stiftung/depression-test-selbsttest.php. Alternativ können Sie folgenden Test durchführen: |
Selbsttest
Die folgenden Aussagen betreffen Ihr Wohlbefinden in den letzten zwei Wochen. Bitte markieren Sie bei jeder Aussage die Rubrik, die Ihrer Meinung nach am besten beschreibt, wie Sie sich in den letzten zwei Wochen gefühlt haben.
Je höher Ihr Summenwert ist, desto besser geht es Ihnen. Ein Punktwert weniger als 13 deutet auf eine depressive Erkrankung hin, bitte sprechen Sie mit einem Arzt.
© Psychiatric Research Unit, WHO Collaborating Center for Mental Health, Frederiksborg General Hospital, DK-3400 Hillerød