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Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

Vorwort

NEUER LEBENSABSCHNITT

Irgendwie tat es mir leid...

Mit gerade mal 23 Jahren

HACHENBURG

ENDLICH WIEDER IN UNSERER HEIMAT

wenn es über einen langen Zeitraum geht...

 

 

Elfriede Istrefi

 

 

Als die LIEBE zuschlug

 

Autobiografie

einer Orgie der Gewalt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

DeBehr

 

 

 

 

 

 

Copyright by Elfriede Istrefi

Herausgeber: Verlag DeBehr, Radeberg

Erstauflage: 2016

ISBN: 9783957532718

GrafikCopyright by Fotolia by  anetlanda

Ich verließ mein Elternhaus mit 15 Jahren, nachdem ich als Kind immer die Polizei rufen musste, weil meine Eltern sich jeden Monat gestritten und geschlagen haben. Damit wieder Ruhe einkehrte und da ich mir ein besseres Leben erhoffte. Wir wohnten damals mit 8 Personen auf 56 qm, dass heißt, mit meinen 5 Geschwistern und mit meiner Oma mütterlicherseits, weshalb es natürlich sehr eng und laut war.

Um etwas Ruhe zu bekommen, ging ich als Kind immer zu unserer Nachbarin, wo ich dann abends öfter meine Schulaufgaben machte. Das Ehepaar freute sich sehr, weil sie selbst keine Kinder hatten. Meine Eltern gingen beide arbeiten. Unsere Oma mütterlicherseits machte die Wäsche und kochte für uns Kinder. Meine Schwester Monika und ich machten nach der Schule den Haushalt, wogegen unsere Brüder gar nichts machen mussten. Wir Mädchen mussten die Kohlen aus dem Keller holen und für alle die Schuhe putzen. Als ich mich einmal beschwerte, dass mein Bruder in das von mir geputzte Badezimmer baden ging, was ich danach natürlich wieder sauber machen musste, sagte mein Vater zu mir: „Wofür seid ihr Weiber denn da?“

Bei uns in der Familie gab es einen Onkel Martin mit seine Frau Martina, die in Mettmann wohnten.

Ich war ungefähr 9-10 Jahre alt, als meine Schwester und ich zwei Wochen in den großen Schulferien bei ihnen Ferien machten.

Mein Onkel bestand darauf, dass ich bei ihm im Bett schlafe. Tante Martina schlief nebenan in ihrem Bett. Nach einiger Zeit nahm er meine Hand und führte sie zu seinem Penis. Ich musste ihn befriedigen. Ich traute mich nicht, mich zu wehren, denn Tante Martina lag ja nebenan und ich hatte Angst, dass sie mich für das, was ich da machen musste, ausschimpfen und bestrafen würde. Ich habe mich furchtbar geschämt.

Ein anderes Mal fuhr mein Onkel mit mir mit dem Auto auf ein Feld, machte die Zentralsicherung und den Liegesitz runter und wollte sich an mir sexuell vergehen. Aber ich schrie und er ließ von mir ab und sagte: „Wenn du keinem was davon erzählst, lasse ich dich in Ruhe.“

Er machte die Zentralsicherung wieder frei, ich machte ganz schnell die Türe auf und haute ab, ich lief bis zur Straße. Mein Onkel fuhr mir hinterher und versprach mir, wenn ich wieder einsteige, fahren wir sofort nach Hause. Ich hatte eine furchtbare Angst, wieder einzusteigen, aber ich wusste nicht, wo wir waren, wie sollte ich wieder nach Hause kommen? Meinen Eltern konnte ich nichts davon erzählen, sie hätten mir niemals geglaubt. Ganz im Gegenteil, ich glaube, ich hätte sogar noch für meine „Lüge“ Prügel bekommen. Es war ja der liebe Onkel Martin.

Soweit meine Vorgeschichte.

 

 

 

NEUER LEBENSABSCHNITT

 

Mit 13-1/2 Jahren kam ich aus der Schule. Ich fing eine Ausbildung als Näherin in meinem Geburtsort Hochdahl in einer größeren Schneiderei an, wo ich aber nichts lernen konnte, weil der Meister mich nicht mochte. So wie ich gehört hatte, konnte er mit Kindern beziehungsweise mit Jugendlichen nicht umgehen, weil er selber keine Kinder hatte. Meine Ausbildung bestand nur aus Bügeln, Einkaufen vor der Frühstückspause für alle Mitarbeiter und freitags Saubermachen der Näherei. An eine Nähmaschine, um nähen zu lernen, kam ich überhaupt nicht. Als ich das nicht mehr aushielt, erzählte ich das meiner Mutter, als sie von der Arbeit kam. Voller Stolz, weil meine Mutter das auch nicht gut fand, gingen wir beide zu dem Meister, um mit ihm über meine Situation zu reden. Er erzählte meiner Mutter, ich hätte überhaupt kein Interesse, an einer Nähmaschine zu nähen, was überhaupt nicht stimmte. Als ich mich rechtfertigen wollte, bekam ich von meiner Mutter vor dem Meister mitten ins Gesicht eine gescheuert und ich hatte den Mund zu halten. Ich fühlte mich total erniedrigt.

 

Nach einem Jahr wurde der Ausbildungsvertrag im gegenseitigen Einverständnis aufgelöst. Nicht lange danach fand ich wieder eine Ausbildung in Mettmann. Meine neue Chefin hatte eine Näherei im Keller mit zwei Angestellten, wo das eine Jahr Ausbildung mit angerechnet wurde. Es gefiel mir sehr gut bei meiner Chefin, auch die Arbeit. Sie nähte wunderschöne Abendkleider mit viel Spitze, was ich sehr liebte. Nach einem Jahr erklärte mir meine Chefin, sie ziehe mit ihrem Atelier nach Wolfshagen, wo sie sich in jemanden verliebt hat. Ich könnte ja mitziehen und meine Lehre bei ihr zu Ende machen, wenn meine Eltern damit einverstanden sind.

Sie sprach mit meinen Eltern und versicherte ihnen, ich hätte Kost und Logis frei, hätte ein wunderschönes Apartment, würde 20,-- DM Taschengeld die Woche bekommen und der Rest von meinem Lehrgeld käme auf ein Sparbuch. Was nie angelegt wurde, wie ich nach Jahren feststellen musste.

Ich habe mich riesig gefreut, als meine Eltern zustimmten, und so kam es dann, dass ich mit 15-1/2 Jahren auszog und meine Ruhe, nach der ich mich ja schon in der Kindheit sehnte, bekam und noch eine eigene kleine Wohnung dazu.

Aber auch da wurde ich nur ausgenutzt. Ich hatte kaum Freizeit. An den Wochenenden, wenn meine Chefin unter Termindruck stand, musste ich auch arbeiten. Ohne Lohn!

Eines Nachts haute ich ab, so sehr hatte ich die Schnauze voll. Ein Freund brachte mich nach Naumburg, wo es noch schlimmer war. Er fuhr mich zu einer Kneipe, wo ein Ehepaar eine Arbeitshilfe suchte. Meine Arbeit bestand aus Küchenarbeit, Kellnern und Putzen ohne Freizeit, ohne Lohn, nur Kost und Logis frei. Nach einem Jahr haute ich auch da wieder nachts ab. Ein Bekannter fuhr mich zum Bahnhof, wo ich die halbe Nacht saß, bis morgens um 7 Uhr der Zug kam. Das Fahrgeld hatte ich mir von dem Trinkgeld, was ich von den Gästen bekam, gespart. So kam es dann, dass ich mit 18 Jahren wieder zu Hause war.

Nach drei Monaten lernte ich meinen Ehemann Robert kennen, den ich nach einem halben Jahr geheiratet habe. Aber nur, weil ich wieder von zu Hause weg wollte.

 

 

 

MEINE HOCHZEIT

 

Am 20.10.1970 haben wir geheiratet. Zwei Monate später war ich schwanger und ich wohnte wieder beengt mit meinem Mann in der Wohnung seiner Eltern, die sehr schmutzig war. Wir schliefen im Wohnzimmer auf der Couch.

Dank meiner Mutter, die sich für uns in Hochdahl um eine Wohnung bemüht hatte, konnten wir bei meiner Schwiegermutter ausziehen. Jetzt hatten wir zwar eine wunderschöne Souterrain-Wohnung von 80 qm und eine wunderschöne Terrasse, aber keine Möbel, nicht einmal ein Bett zum Schlafen, aber eine Matratze. Zwei Decken und zwei Kissen bekamen wir von meiner Mutter. Aber wir waren glücklich über die Wohnung.

So nach und nach bekamen wir gebrauchte Möbel von Bekannten und Freunden, entweder für kleines Geld oder geschenkt. Da mein Mann als Maurer arbeitete, konnten wir uns ein neues Bett kaufen. Ich fing als Kellnerin an zu arbeiten, ungefähr bis zum fünften Monat, dann musste ich aufhören. Mein Frauenarzt sagte mir, ich würde eine Frühgeburt erleiden, wenn ich mit dem Kellnern nicht aufhöre. Mein Baby liege für den fünften Monat viel zu tief, das käme durch die Lauferei, ich bräuchte viel Ruhe und müsste viel liegen. Was ich dann auch bis zur Geburt befolgte.

Ich hatte eine schwere Schwangerschaft. Im sechsten Monat bekam ich eine Nierenbeckenentzündung, welche die Wehen auslöste. Ich hatte sehr starke Schmerzen im Rücken, Schüttelfrost und 41°C Fieber und bekam am Abend auch noch in Abständen Unterleibschmerzen. Meine Oma saß seit mittags bei mir am Bettrand. Als die Schmerzen im Abstand von etwa 10 Minuten kamen, sagte meine Oma, die früher im Krieg Hebamme war: „Du musst sofort ins Krankenhaus, das sind die Wehen.“ Sofort rief mein Mann einen Krankenwagen und ich kam in das Ev. Krankenhaus nach Mettmann, wo ich sofort an den Wehentropf kam, damit die Wehen aufhörten. Ich bekam Medikamente, damit die Gebärmutter sich nicht öffnete. Ich konnte die Medikamente überhaupt nicht vertragen, aber der Arzt sagte mir: „Wenn Sie Ihr Kind nicht verlieren möchten, müssen Sie die Medikamente nehmen.“ Ich nahm die Medikamente. Mein Kind verlieren, dass wollte ich auf gar keinen Fall!! Nach zwei Wochen durfte ich nach Hause.

Dann kam ich wieder für drei Wochen wegen dieser Nierenbeckenentzündung ins Krankenhaus. Dann endlich am 2.9.1971 verlor ich morgens das Fruchtwasser und kam wieder ins Krankenhaus. Ich habe mir gedacht: Jetzt hast du es bald überstanden. Um 14.30 Uhr kamen die ersten Presswehen und um 17.30 Uhr war mein Sohn geboren. Es war eine schwere Geburt, ich musste Sauerstoff einatmen, damit mein Kind während der Geburt nicht erstickt oder womöglich durch den Sauerstoffmangel im Mutterleib geistig behindert wird, denn eigentlich hätte der Arzt mein Kind mit einem Kaiserschnitt zur Welt holen müssen. Aber das hat er zu spät erkannt. Als der Arzt zu mir kam, sagte er: „Da ist ja schon das Köpfchen zu sehen.“

Dann bekam ich eine Betäubungsspritze und ich war weg. Als ich wieder wach wurde, war mein Sohn Andreas geboren. Dadurch, dass ich zu eng war, gab es eine Zangen- und Glockengeburt. Mein Sohn kam mit einer schweren Gelbsucht zur Welt, was bedeutete, dass ich ihn nicht stillen durfte. Das heißt, Milch abpumpen und in den Kühlschrank stellen, für die anderen Kinder auf der Station. Ich war eine richtige Milchkuh, sagten mir jedenfalls die Schwestern.

Als ich entlassen wurde, hat mir kein Arzt gesagt, wie sehr mein Baby wirklich krank ist.

Das heißt: Erst bei einer Routineuntersuchung beim Kinderarzt wurde festgestellt, dass der Kopfknochen (Fontanelle) unter der Haut gespalten ist als Folge der Zangen- und Glockengeburt. Man hat aber von außen nichts gesehen, weil der Kopf gut geformt war. Der Kinderarzt sagte mir, nach so einer schweren Geburt wird der Kopf geformt und dann könne so etwas „schon mal“ passieren. Er gab mir eine Überweisung für die Uniklinik in Düsseldorf, wo ich dann zweimal im Monat drei Jahre lang hinfahren musste, um mein Kind gesund zu bekommen. Die Ärzte und meine Oma sagten mir: “Mach dir keine Hoffnungen, deinen Sohn bekommst du nicht groß.“

Dank all meiner Mühe und Liebe wird mein Sohn am 2.9.06 35 Jahre alt!

 

Dann wurde ich wieder schwanger und alles ging von vorne los. Krankenhausaufenthalte und Nierenbeckenentzündungen.

Mein Frauenarzt, der in einer privaten Frauenklinik in Hilden arbeitete, wo ich stationär lag, meinte zu mir, ich solle mir noch keine Umstandskleidung kaufen, bei einer solch schweren Nierenbeckenentzündung bekommt man sehr oft eine Frühgeburt. Der Arzt hat das dahingefaselt, als wenn das nichts Schlimmes wäre, aber für eine werdende Mutter bzw. für mich war das schon sehr schlimm. Aber ich sah ihm das nach und dachte, für ihn ist das alles normal, er hat ja jeden Tag damit zu tun, und trotzdem gehört sich das nicht, so mit den werdenden Müttern zu reden.

Ich habe es auch diesmal geschafft. Am 2.3.1973 kam mein Sohn René durch eine Sturzgeburt zur Welt. Gesund, dachte ich!

Mit meinen 21 Jahren hatte ich jetzt zwei Kinder und einen Ehemann zu versorgen.

 Mein Mann war kein Familienmensch und schon gar kein Vater. Er kümmerte sich nicht um uns. Aber damit musste ich erst mal leben.

Die Souterrain-Wohnung war zwar sehr schön, aber wir hatten nur Ungeziefer in der Wohnung. Regenwürmer, Spitzmäuse und ganz, ganz viele Ohrenkneifer. Wenn mein Mann morgens zum Frühstück kam, weil er in der Nähe arbeitete, nahm er den Staubsauger und ich machte die Terrassentüre auf. Dann saugte er alle auf, die sofort reinmarschierten, als hätten sie darauf gewartet, dass die Türe endlich aufging. Ich hatte das Ungeziefer im Kühlschrank, in den Schränken und in den Betten. Eines Mittags, als ich nachsah, ob André und René noch schlafen, sah ich eine sehr, sehr große Spinne an der Wand. Da meine Schwester Monika gleich im Haus nebenan wohnte und ich wusste, dass mein Schwager Hans, der bei der Post arbeitete, mittags immer zum Essen nach Hause kam, bin ich rübergelaufen und erzählte ihm von der Monsterspinne. Er kam sofort mit und entsorgte sie.

Allmählich schwand meine Begeisterung für die Wohnung. André war gerade mal elf Monate, als er schwer krank wurde. Mein Mann und ich fuhren jeden Nachmittag zum Kinderarzt. Er hatte eine schlimme Magen-Darm-Grippe. Der Arzt verschrieb immer wieder neue Medikamente. Wir wollten eine Überweisung fürs Krankenhaus, weil unser Sohn keine Nahrung und keine Flüssigkeit mehr bei sich behalten konnte. Sobald ich ihm zu trinken gab, brach er alles aus. Der Arzt sagte dann: „Wenn es morgen nicht besser ist, gebe ich ihnen eine Überweisung.“

Wir brauchten keine Überweisung mehr.

Als ich am nächsten Morgen nach meinem Sohn sah, lag er wie tot im Bett. Er atmete unregelmäßig und war bewusstlos. Wieder bin ich vor lauter Panik zu Monika gelaufen und schrie nur noch „André ist tot!“. Monika rief sofort den Krankenwagen und wir rannten zu meiner Wohnung. Der Krankenwagen kam sehr schnell und wir fuhren mit Blaulicht nach Wuppertal in eine Kinderklinik. Als der Arzt und die Krankenschwester mein Kind sahen, fragten sie mich, warum ich mit einem halb toten Kind ankomme, warum ich nicht schon früher gekommen bin? Ich erklärte ihnen, dass der Kinderarzt das nicht für nötig hielt, uns eine Überweisung zu geben und dass ich jetzt auch keine dabei habe. Mein Sohn wurde sofort künstlich mit Flüssigkeit ernährt, er war zu 95 % ausgetrocknet. Dank des Kinderarztes.

Der Arzt sagte, er kann mir nicht viel Hoffnung machen, ob mein Sohn durchkommt. Es liege daran, wie der Körper die künstliche Ernährung aufnimmt.

Die ersten drei bis vier Tage hat er immer wieder alles erbrochen. Ich habe nur geweint und geweint. Ich stand auf der Station und schaute durch das Fenster auf meinen Sohn und habe zum lieben Gott gebetet, er soll mein Baby nicht sterben lassen. Meine Oma war bei mir und weil ich so geweint habe, sagte sie zu mir, ich solle mich beruhigen und an mein Baby denken. Denn zu dem Zeitpunkt war ich mit René schwanger. Als wir nach Hause fuhren, konnte ich mich aber nicht beruhigen, ich habe sogar noch im Zug geweint. Am vierten oder fünften Tag wurde es besser. Der kleine Körper fing an, Nahrung zu behalten und es ging wieder aufwärts. Nach sechs Wochen durfte ich meinen Sohn mit nach Hause nehmen. Als meine Kinder dann auch noch schwer bronchialkrank wurden und in die Kinderklinik nach Gerresheim mussten, weil die Wohnung morgens zu kalt war (wir hatten Kohleofen), hatte ich die Schnauze endgültig voll und wir zogen aus.

Bei der Entlassung meiner Kinder sagte der Arzt zu mir, ihre Kinder sind schwer Bronchial krank und ich müsste jedes Jahr mit ihnen zur Nordsee fahren. Dann kam meine Mutter und sagte, sie kenne ein Hausmittel. Brust und Rücken mit warmen Speiseöl und gemahlenem Muskat einreiben, anschließend dick mit Watte einpacken. Zwiebel und braunen Kandiszucker auskochen und zu trinken geben. Ich habe das 6-8 Wochen gemacht. André und René wurden gesund. Bis heute.

 

 

 

HOCHDAHL-SANDHEIDE

 

Irgendwie tat es mir leid, dass wir auszogen, allein schon wegen der schönen Terrasse. Die neue Wohnung war in einem Hochhaus, was ich sowieso schon hasste. Sie hatte aber einen kleinen Balkon, wo ich meine Kinder aber nicht drauf ließ. Wir wohnten im 6. Stock. Am Haus war ein schöner, großer Spielplatz, wo André und René, die jetzt drei und vier Jahre alt waren, spielten. Ich konnte sie vom Küchenfenster aus beobachten.

Eines Abends fragte mein Mann Robi, ob ich keine Lust hätte, mit ihm nach Mettmann in die Kneipe zu fahren, wo wir schon mal reingingen. Natürlich hatte ich mal wieder Lust, unter Leute zu kommen. Aber nach der schrecklichen Erfahrung, die ich damals noch in der Souterrainwohnung gemacht hatte, wollte ich meine Kinder nie mehr alleine lassen. Mein Mann überredete mich damals schon immer, mit ihm nach Mettmann in die Kneipe zu fahren, wo ich immer mit einem schlechten Gewissen saß und immer wieder froh war, wenn wir wieder zu Hause waren und nichts passiert war. Meine Kinder schliefen zwar immer, wenn wir abends losfuhren, aber man kann ja nie wissen. Das würde ich heute nie mehr machen. Und so kam es dann, als ich André eines Morgens aus seinem Bettchen holte, dass ich eine Schachtel Streichhölzer fand. Er war schon immer vom Feuer fasziniert.

Ich fragte meine Nachbarin, mit der ich mich sofort, als wir einzogen, gut verstand, ob sie mal nach André und René schauen würde. Mein Mann möchte mit mir nach Mettmann fahren, damit wir mal wieder rauskommen. Sie war sofort einverstanden, ich gab ihr den Wohnungsschlüssel, wovon wir zwei hatten. Als wir in die Kneipe „Bergklause“ reinkamen, traf ich Peter, ein alter Bekannter, mit seiner geschiedenen Frau Gabi. Die beiden lebten mit ihren zwei Kindern wieder zusammen.

 

 

Gabi hatte Geburtstag und wir feierten. Da mein Mann keinen Alkohol gewohnt war und mehrere Cola-Korn trank, war er ziemlich schnell angeheitert und ehe ich mich versah, saß Gabi auf dem Schoß meines Mannes und küsste ihn auf die Wange. Peter und ich guckten uns nur an. Irgendwann im Laufe des Abends sagte Gabi: „Wir können doch noch mit zu ihnen nach Hause fahren und da weiter feiern.“ Ich war jung, dumm und naiv und wollte wissen, obwohl ich mir das schon denken konnte, was passiert. Und so kam es, dass ich mit meiner Vermutung nicht falsch lag. Mein Mann Robi und Gabi saßen im Sessel. Peter und ich auf der Couch. Robi nahm sich eine Zigarette und schon saß Gabi wieder auf seinem Schoß und gab ihm Feuer. Mein Herz fing wie wild an zu schlagen. Ich sagte Gabi, sie möchte sich doch bitte wieder in ihren Sessel setzen und Robi in Ruhe lassen. Meinem Mann machte es offensichtlich Spaß. Bedingt durch den Alkohol, dachte ich. Gabi ging aus dem Wohnzimmer und Robi hinterher. Ich nahm an, dass er auf die Toilette ging und Gabi in die Küche, um etwas zu essen zu machen; wir hatten alle Hunger. Als die beiden längere Zeit nicht wieder kamen, fragte ich Peter, wo die beiden denn sind. Darauf sagte er mir: „Was die können, können wir auch“, worauf er mich sofort in den Arm nahm und mich küssen wollte. Ich riss mich los, stand auf und ging sofort ins Schlafzimmer. Da lagen die beiden auf dem Bett. Gabi war schon nackt, Robi war noch angezogen. Als er mich sah, sprang er sofort auf. Es gab natürlich eine heftige Diskussion und wir fuhren irgendwann in der Nacht nach Hause. Zu Hause angekommen redeten wir noch über den Vorfall. Er sagte zu mir, dass ihm dass leid täte und dass es nicht wieder vorkommt.

Es dauerte bestimmt noch 3-4 Wochen, bis sich unser Eheleben wieder normalisierte. Aus lauter Freude, weil er mir versprach, dass er mit den „Leuten“ nichts mehr zu tun haben möchte und dass es nur am Alkohol gelegen habe, dass er mit Gabi auf dem Bett lag, fuhr ich mit ihm nach Hilden und kaufte ihm eine goldene Kette mit einem großen Kreuz. Er liebte Goldschmuck. Da ich mir immer heimlich etwas vom Haushaltsgeld abgespart hatte, konnte ich mir das leisten.

Aber der Frieden sollte nicht lange andauern. Gabi rief an und fragte, wann wir uns mal wieder treffen könnten. Ich war total geschockt und fragte meinen Mann, woher sie unsere Telefonnummer hat, denn wir hatten eine Geheimnummer. Er sagte mir, dass er ihr die Nummer gegeben hätte, aber er wusste nicht mehr, warum.

Von da an ging es mit unserer Ehe bergab. Wir haben viel gestritten und ich habe viel geweint. Normalerweise habe ich mit André und René immer viel gespielt, aber dass konnte ich jetzt nicht mehr. Sie haben gemerkt, dass ich sehr traurig war. Ich habe sie dann, wenn sie zu mir kamen, auf den Schoß genommen und getröstet. Meinem Mann war das alles egal. Er hat noch nie etwas um seine Kinder gegeben. Auch nie mit ihnen gespielt. Mein Mann redete immer wieder auf mich ein, uns doch noch einmal mit Peter und Gabi zu treffen, was ich verneinte. Doch irgendwann bekam er mich so weit, dass ich ja sagte. Wir fuhren abends nach Mettmann in die Bergklause. André und René waren ja durch meine Nachbarin versorgt. Peter und Gabi waren auch da. Es gab eine Aussprache, dass so etwas nicht mehr vorkommt. Auf das Drängen meines Mannes hin haben wir uns dann öfters getroffen. Es verging ungefähr ein halbes Jahr, bis mein Mann die beiden übers Wochenende bei uns einlud. Ich nahm es mit gemischten Gefühlen hin. Gabi hatte ihre Kinder bei ihrer Mutter abgegeben und sie kamen am späten Nachmittag zu uns. Wir haben Abendbrot gegessen und viel gelacht. Um 20 Uhr brachte ich André und René ins Bett und hatte jetzt Zeit für unseren Besuch. Der Abend ging schnell vorbei. Es war schon 5 Uhr morgens, ich hatte viel Wein getrunken und wurde plötzlich sehr müde. Peter und Gabi schliefen im Wohnzimmer.

Gegen 10 Uhr sind wir alle aufgestanden. Mittags wurde ich wieder sehr müde. Peter lag schon im Schlafzimmer im Bett meines Mannes. Mein Mann und Gabi sagten, ich könne mich doch auch etwas hinlegen und schlafen. Ich sagte, ich wolle noch durchsaugen. Da sagte sie, das könne sie doch auch machen. André und René waren auf dem Spielplatz. Ich legte mich hin, aber ich konnte nicht schlafen. Ich fühlte, irgendwas war im Busch.

Ich hörte keinen Staubsauger, aber die Kinder klingelten Sturm und keiner machte auf. Nun stand ich ganz leise auf und ging in die Diele, wo ich sah, wie Gabi meinen Mann oral befriedigte. Nun war meine Welt total zusammengebrochen. Peter wurde durch mein Geschrei sofort wach. An einer Wand hing eine Bürste mit einem langen Griff. Ich nahm die Bürste und wollte ihr damit auf den Kopf schlagen vor lauter Schmerz, den sie mir zugefügt hatte. Aber mein Mann nahm mir die Bürste ab.

Gott sei Dank sage ich heute, denn wer weiß, was sonst passiert wäre. Ich wollte die beiden nur noch aus meiner Wohnung haben, mein Mann fuhr sie dann nach Hause. In der Zeit, wo er die beiden nach Hause fuhr, habe ich eine Flasche Martini getrunken. Ich wollte mich nur noch besaufen, aber ich wurde nicht besoffen. Nach einer Stunde kam er nach Hause und dann ging der Krach erst richtig los. Die Kinder brachte ich mit verheulten Augen zu meiner Nachbarin. Denn ich wollte auf gar keinen Fall, dass sie das mitkriegen. Ich kannte es schließlich zur Genüge von meinem Elternhaus. Ich sagte ihm, dass ich die Scheidung einreiche und dass er für uns Unterhalt zahlen müsse. Da sagte er nur, dass er dann sofort mit dem Arbeiten aufhöre. Abends hatte ich Kopfschmerzen und legte mich auf die Couch im Wohnzimmer und schlief ein, nachdem ich noch Wein getrunken hatte.

Morgens, als ich wieder wach wurde, stand ich nun vor meinem Scherbenhaufen und konnte überhaupt keinen klaren Gedanken mehr fassen. Mit der Zeit bekam ich von meinem Mann heraus, dass er schon lange ein Verhältnis mit dieser Gabi hatte. Tagsüber, wenn Peter arbeiten war, ist er zu ihr gefahren und sie hatten Sex. Der Sex war es, was ihn bei ihr so gereizt hatte. Als ich Robi mit 18 Jahren kennenlernte, war er der erste Mann, mit dem ich Sex hatte. Also null Erfahrung. Er hatte sich auch keine Mühe im Bett gegeben, wenn er seinen Orgasmus hatte, drehte er sich um und schlief ein. Also, wie bitte schön sollte ich da was lernen. Gabi dagegen hatte viel sexuelle Erfahrung, dass wusste ich von ihr selbst. Sie erzählte mir mal, dass sie ihre Unschuld schon mit 14 Jahren verloren hatte. Wir kannten noch ein Pärchen in Mettmann, mit dem wir uns auch schon mal getroffen hatten. Sie waren nicht verheiratet und jeder hatte seine eigene Wohnung. Sie bekamen natürlich von unseren Eheproblemen etwas mit und Rainer nutzte es sofort aus, um sich an mich ranzumachen. Er hatte schon immer ein Auge auf mich geworfen. In meiner Verzweiflung habe ich mich mit ihm auf ein Treffen in seiner Wohnung eingelassen. Ich dachte, er wäre ein Freund und würde mir zuhören, er hatte doch gesehen, wie verzweifelt ich war.

Er kam mit einer Flasche Cognac und Cola zu mir und sagte mir, trink mal etwas Cognac pur, dann geht es dir gleich besser. Wir haben getrunken und erzählt und irgendwann lagen wir, bedingt durch den Alkohol, im Bett.

Jetzt war ich noch verzweifelter, denn mit dem Gedanken, mit ihm ins Bett zu steigen, bin ich nicht zu ihm gefahren. Ich wollte einfach mit ihm über meine Situation reden. Ich brauchte einen Freund und hatte jetzt einen Feind.

 

Als ich gegen 3 Uhr nachts mit dem Taxi nach Hause kam, wartete mein Mann im Wohnzimmer auf mich und wusste schon über alles Bescheid. Er stellte mich zur Rede, doch ich stritt alles ab. Da schlug er zum ersten Mal zu, ich bekam die ersten Schläge von meinem Mann. Den Glastisch schmiss er auch noch um. Ich war am Ende und nahm Schlaftabletten. Im Krankenhaus wurde ich nach zwei Tagen wieder wach.

Man hatte mir den Magen ausgepumpt. Ich weiß nicht mehr, warum ich das gemacht hatte. Um Aufmerksamkeit zu erregen oder um zu sterben. Meine Brüder haben mich im Stich gelassen. Meine Mutter und meine Schwester Monika kamen mich im Krankenhaus besuchen. Das Einzige, was ich von Monika zu hören bekam, war: „Wie kann man nur so doof sein und seine eigenen Kinder vergessen.“

Nach einer Woche war ich wieder zu Hause und holte sofort André und René von meiner Mutter ab. Gegen Abend fuhren wir drei mit dem Bus nach Hause. Robi war auch da. Wir sprachen nicht miteinander und so ging ich früh ins Bett, allerdings im Kinderzimmer, wo ich mein Nachtlager aufgebaut hatte. Morgens brachte ich die zwei dann zum Kindergarten. Ich habe mir schon als Kind geschworen, solltest du mal Kinder haben und dein Mann schlägt dich, lässt du dich sofort scheiden. Das wollte ich meinen Kindern auf gar keinen Fall zumuten, was ich als Kind in meinem Elternhaus erlebt habe. Am 31.07.1978 reichte ich die Scheidung ein.

 

Nun drehte Robi völlig durch, als er erfuhr, dass ich die Scheidung eingereicht habe. Er kam mit einem Bekannten aus Erkrath, namens Edi, nach Hause und trank vor lauter Wut Cola mit Korn. Er fing an zu schreien und ich an zu weinen. Edi versuchte, ihn zu beruhigen. Durch den Alkohol wurde Robi müde und legte sich schlafen. Edi und ich haben uns unterhalten und er erklärte mir, dass Robi schon auf den Baustellen in den Baubuden fremdging. Ich weiß nicht, ob das stimmt, ich weiß nur, dass auch er gerne mit mir zusammen sein wollte. Als er mir zu nahe kam, habe ich ihm gesagt: „Ich nehme einer Frau mit 5 Kindern nicht den Mann weg. Bleib, wo du bist.“ Nach zwei Stunden wurde Robi wach und fuhr Edi nach Hause. Als Robi die Wohnung verließ, sagte er zu mir: „Nachher, wenn ich wiederkomme, kannst du was erleben.“ Beim Rausgehen meinte er noch, wir hatten eine kugelförmige rote Deckenlampe in der Diele: „Die würde dir, wenn ich wiederkomme, gut auf deinem Kopf stehen.“

Vor lauter Panik, als er weg war, habe ich meine Kinder gegen 23 Uhr aus dem Schlaf gerissen,

notdürftig angezogen und bin auf die Straße gelaufen, um mir von der Telefonzelle aus ein Taxi zu rufen. In der Wohnung hätte mir das zulange gedauert. Ich hatte viel zu viel Angst, dass er bald wieder kommt. Gott sei Dank kam das Taxi sehr schnell und ich stieg schnell mit den Kindern ein. Ich fuhr zu meiner Schwester, Schwager Hans und deren siebenjährigen Tochter Simone und fragte, ob ich bei ihnen schlafen kann. Ich erzählte ihnen, was passiert war. Es wurden vier Wochen daraus. Meine Mutter half uns bei der Wohnungssuche. Da sie den Vermieter, der ein Hochhaus und noch andere Wohnungen besaß, kannte, hat sie ihn gefragt, ob er eine Wohnung für uns hätte. Es ging alles sehr schnell. Ich hatte Glück und bekam eine 3-Zimmerwohnung mit Balkon in einem 2-Familienhaus.

Gott sei Dank nicht in dem Hochhaus, ich mag keine Hochhäuser.

 

 

 

ZURÜCK NACH HOCHDAHL

 

Jetzt stand ich mit gerade mal 23 Jahren mit zwei kleinen Kindern da. Keine Arbeit und kein Geld.

Ich ging zum Sozialamt. Meine Mutter, Schwester und Schwager Hans, der uns einen 7,5-t-Lkw besorgte, fuhren mit mir zur Sandheide, um einige Möbel zu holen, während Robi auf der Arbeit war. Jetzt musste alles schnell gehen, um 16 Uhr waren wir fertig. Den Wohnzimmerschrank und das Schlafzimmer habe ich ihm gelassen. Komischerweise fanden wir während des Auszuges ein gebrauchtes Kondom unter der Couch. Ich bin davon überzeugt, dass er, während ich im Krankenhaus lag, mit dieser Gabi in unserer Wohnung Sex hatte.

Was soll’s, ich fing ein neues Leben an.

Robi zog nach Mettmann in Gabis Wohnung und ihr geschiedener Mann Peter musste ausziehen.

Nun musste ich mich verstärkt um meinen Sohn René kümmern, der immer noch nicht sprechen konnte. Als Rene 3 Jahre alt war, wo wir noch in der Sandheide wohnten, ging ich mit ihm 1 Jahr lang nach Mettmann zu einem Sprachtherapeuten, jedoch ohne Erfolg. Jetzt, wo René 4 Jahre alt war, wurden die Ärzte aktiver. René musste nach Datteln (Westfalen) zu Untersuchungen. Es wurden die Augen und Ohren untersucht, die Gehirnströme gemessen, ohne Erfolg. Nach drei Wochen kam René wieder nach Hause. Ich musste zu einem Sprachtherapeuten nach Hilden, was auch ein Jahr dauerte.

Aber Sprechen hat er nicht gelernt. Eines Tages, das war im Sommer 1978, kam René furchtbar laut schreiend vom Spielen nach Hause. Ein Ausländerkind hatte ihm so gegen den Kopf getreten, dass er mit einer schweren Gehirnerschütterung nach Mettmann ins Krankenhaus musste. Als René wieder zu Hause war, kam Andre wegen einer Blinddarmoperation ins Krankenhaus.

 

Die Sorgen und Probleme hörten einfach nicht auf. Mein Mann kam uns ab und zu besuchen, um eine Tasse Kaffee zu trinken. Ich habe das nur wegen der Kinder geduldet. Sie freuten sich ja doch, wenn sie ihren Vater sahen. Ich habe ihn manchmal nach Geld gefragt, was er auch gegen eine Unterschrift von mir gab. Er sagte, wenn ich das nicht unterschreibe, muss ich ihm das Geld zurückzahlen. Ich habe ihn gefragt, wovon ich das denn zurückzahlen sollte, ich lebte vom Sozialamt. Darauf meinte er nur: „Das interessiert mich nicht.“

René hat seinen Vater sehr vermisst, er war ein Papakind. Mein Mann versprach mir, René alle 14 Tage übers Wochenende zu holen. Ich packte ein paar Sachen ein und René stand da und wartete, aber er kam niemals. René hat das mit seinen 5 Jahren natürlich alles nicht verstanden.

Als ich mal mit ihm schimpfte sagte er, zumindest so wie er das verbal konnte, ich fahre zum Papa. Er holte Plastiktüten und stopfte ein paar Anziehsachen rein.

Innerlich musste ich lachen, dass sich so ein kleiner Zwerg gegen einen Erwachsenen durchsetzen will. Er konnte zwar nicht sprechen, aber hören. Also habe ich ihm gesagt, dass ich mit ihm zu seinem Vater fahre, René war glücklich.

Als wir bei meinem Mann in Mettmann waren, habe ich ihm erklärt, dass sein Sohn René gern bei ihm wäre. Er erklärte mir, er könnte das seiner Gabi nicht antun, weil sie ja auch zwei Kinder hat. René musste wieder mit mir nach Hause, was er nie so richtig verkraftet hat. Er wurde von seinem Vater abgelehnt.

 

Dann kam der Tag, wo ich schwer krank wurde. Ich wusste nicht, was ich hatte, aber ich wollte nicht ins Krankenhaus. Durch die starken Schmerzen lag ich viel im Bett und meine Mutter kümmerte sich um die Kinder. Die Schmerzen wurden unerträglich. Wenn ich auf die Toilette musste, konnte ich nicht mehr gehen, ich kroch auf alle vieren.

Einem Bekannten, mit dem ich damals eine Freundschaft hatte, gab ich einen Wohnungsschlüssel. Der Bekannte gab mir Novalgintropfen, die die Krämpfe im Unterleib linderten. Aber sobald die Wirkung nachließ, waren die furchtbaren, unerträglichen Krämpfe wieder da. Es war an einem Freitag, als ich mit meiner Schwester in einem Taxi nach Hilden zu meinem Frauenarzt fuhr, denn gaufen konnte ich nicht mehr. Der Frauenarzt untersuchte mich und erzählte mir, ich hätte eine Unterleibsverkühlung, gab mir Medikamente und sagte, wenn ich die übers Wochenende einnehme, wird es besser. Es wurde aber nicht besser, im Gegenteil, die Schmerzen wurden immer schlimmer. Ich konnte nichts mehr essen. Aber dafür hatte ich viel Durst und ich habe vor Schmerzen viel geweint. Den Montag darauf mussten René und André ins Krankenhaus nach Hilden. René wurde ein Röhrchen ins Ohr einoperiert, weil die Ärzte hinter der Hörmuschel Wasser vermuteten, was über das Röhrchen abfließen sollte. Was aber vom Körper abgestoßen wurde weil es ein Fremdkörper war.

Der Arzt war der Meinung, wenn das Wasser abfließt, was gar nicht hinter der Hörmuschel war, würde René sprechen lernen. André bekam vor der Einschulung die Mandeln raus. Meine Schwester kam zu mir und sagte: „Du kommst jetzt mit ins Krankenhaus und lässt dich untersuchen.“

Nach der Untersuchung fragte mich der Arzt: „Wann waren Sie zuletzt beim Frauenarzt?“

Ich sagte: „Am letzten Freitag.“ Er konnte es nicht glauben, aber meine Schwester bestätigte es ihm. Ich durfte nicht mehr nach Hause, ich wurde sofort stationär aufgenommen. Der Frauenarzt hatte eine Geschwulst so groß wie ein Kinderkopf bei mir im Unterleib festgestellt.

So kam es nun, dass wir alle drei auf der gleichen Station lagen, im selben Krankenhaus und am selben Tag.

Nach weiteren Untersuchungen hat der Arzt dann noch eine Nierenbeckenentzündung und Rippenfellentzündung festgestellt. Worauf ich dann erstmals auf die innere Station kam, wo auch die Kinderstation war. Nach zwei Wochen wurden André und René entlassen, und ich musste noch vier weitere Wochen im Krankenhaus bleiben.

René kam zu meiner Schwester Monika und André zu meinem Mann nach Mettmann. Nach einer Woche brach sich André auf dem Spielplatz, wo er von der Schaukel fiel, die rechte Kniescheibe.

So, jetzt lag André in Mettmann im Krankenhaus und ich in Hilden.

Ich war sehr traurig und habe viel geweint, weil ich ihn nicht besuchen konnte. Der Arzt sprach mit mir nach 3 Wochen über eine Operation, da sich die Geschwulst durch die Medikamente und Spritzen nicht verkleinert hatte. Als der Arzt mich über die Risiken dieser Operation aufklärte, sagte ich ihm, dass ich mich auch gleichzeitig sterilisieren lassen möchte, weil ich keine Kinder mehr möchte. Der Arzt fragte mich: „Was ist denn, wenn Sie einen Mann kennenlernen, der von Ihnen noch ein Kind möchte?“ Darauf sagte ich: „Dann soll er sich eine Frau suchen, die für ihn Kinder bekommt, ich möchte auf jeden Fall keine mehr.“ Da ich alleinerziehend war, hat mir der Arzt den Wunsch erfüllt. Denn eigentlich war ich für eine Sterilisation noch viel zu jung.

Nach langen sechs Wochen im Krankenhaus wurde ich als gesund entlassen. Ich fuhr sofort nach Mettmann, um André im Krankenhaus zu besuchen, aber er wurde am gleichen Tag entlassen wie ich, und mein Mann hatte ihn schon abgeholt. Also musste ich jetzt auch noch zu meinem Mann, was mir gar nicht passte. Ich hatte bestimmt keine Lust, Gabi wieder zu sehen, aber es blieb mir nichts anderes übrig. Ich nahm meinen Sohn und wir fuhren nach Hause. Meine Schwester brachte mir René. Und so waren wir drei wieder zusammen, aber es sollte nicht lange dauern. René konnte immer noch nicht sprechen.

 

Nach 2 ½ Jahren Versuchen und Untersuchungen, einschließlich einer Ohr-Operation, sagte mir der Sprachtherapeut in Mettmann, es habe keinen Sinn mehr, Ihr Sohn muss nach Bonn-Beuel in eine Sprachschule. Jetzt, wo er sechs Jahre alt war und eingeschult werden musste, kam er in ein Sprachheim, um Sprechen zu lernen. Ich durfte ihn nur einmal im Monat übers Wochenende nach Hause holen. Es war für mich eine ganz schlimme Zeit, ich habe ihn schrecklich vermisst. Alle Bilder an den Wänden oder Regalen habe ich in den Schrank gelegt. Wenn ich die Bilder ansah, fing ich sofort an zu weinen.

 

Am 13.3.1980 wurde ich geschieden. Außergerichtlich, Gott sei Dank. Jetzt waren André und ich alleine. Er ging zur Schule und ich vormittags zur Arbeit, die ich mir mittlerweile gesucht hatte.

An einem Samstagnachmittag, als ich von der Arbeit kam, kam mir mein Sohn mit seinem Fahrrad entgegen und rief: „Mama, Mama auf der Kippe ist ein Auto abgebrannt.“ Da ich wusste, dass er schon immer gern mit Feuer gespielt hatte, wollte ich wissen, wo er zu dem Zeitpunkt war. Er sagte: „Ich war auf der Schimmelbuschstraße Fahrrad fahren.“ Die anderen Jungs, die dabei waren, behaupteten, das sei André gewesen. Er hat es immer wieder abgestritten, bis er eines Tages vor Weihnachten mit einem Quellekatalog zu mir kam und zeigte, was er sich zu Weihnachten wünschte. Ich sagte: „Erst wenn du mir die Wahrheit sagst, bekommst du das.“ Mein Sohn gab es zu und sagte: „Ich habe Stoff in das Handschuhfach gelegt, angezündet und die Klappe zugemacht. Ich dachte, das Feuer würde ersticken.“ Den Polizisten, dem das Auto gehörte, kannte ich recht gut und er meldete den Schaden seiner Versicherung. Da das Fenster auf der Fahrerseite nur zur Hälfte geschlossen war, traf ihn die Schuld und ich hatte keinen finanziellen Schaden. Ich schrieb René in einem Brief, was sein Bruder angestellt hatte. Daraufhin schrieb René einen Brief zurück (s. Original). Über Weihnachten kam René nach Hause.

 

Wir machten uns ein schönes Weihnachtsfest, außer dass André das Hexenhäuschen, es war ein selbst gebasteltes, in Brand steckte, welches auch noch im Wohnzimmer unter den Gardinen stand. Nach Silvester sammelte er die Blindgänger auf, tat das Schwarzpulver in einen Aschenbecher und zündete es an. In dem Aschenbecher war oben eine Rille, wo sich darunter der Druck sammelte und der Aschenbecher durch den Druck explodierte, und ich wiederum durch den Knall morgens kerzengerade im Bett saß. Davon abgesehen waren es doch noch ruhige Feiertage.

 

René musste am 01.01.1981 wieder nach Bonn-Beuel in das Zentrum für sprachgestörte Kinder und Jugendliche.

An einem Samstagvormittag ging André um Brötchen in die Bäckerei, wo meine Schwester Monika als Verkäuferin arbeitete. Er musste zwar über eine Straße, aber ich hatte keine Angst, er war mit seinen 10 Jahren übervorsichtig, außerdem musste André über einen Zebrastreifen. Allmählich wunderte ich mich schon, dass André nicht wieder kam, bis ich einen Krankenwagen hörte und ich dachte, mein Gott, dein Sohn André. In dem Moment klopfte es an die Tür und eine Bekannte rief: „Elfi, komm schnell, dein Sohn ist überfahren worden.“ Ich warf mir einen Mantel über und rannte sofort los und schrie immer nur: „Das stimmt nicht, dass stimmt nicht, du hast ihn verwechselt.“ Als ich am Krankenwagen ankam, fuhr dieser gerade los, aber da ich mich hinten an den Krankenwagen dranhing musste er anhalten und ich konnte einsteigen.

Wir fuhren nach Haan ins Krankenhaus. André hatte sehr viel Glück gehabt, er trug, weil es Winter war, eine dicke Winterjacke mit Kapuze, dadurch wurde bei dem Aufprall auf der Straße das Schlimmste verhindert. André flog mehrere Meter durch die Luft, wie ich nachher von Zeugen hörte.

 Die Ärzte haben André sofort untersucht. Sie meinten, sie müssen wahrscheinlich die Milz entfernen, weil sie zu schwer verletzt ist, was aber Gott sei Dank nicht eintraf. Das einzig Schlimme war, wie die Schwester meinem Sohn einen Katheder durch seinen Penis schob. Die Schreie werde ich nie vergessen. Selbst heute, 2006, habe ich mich mit André noch einmal darüber unterhalten und er sagte zu mir, die Schmerzen werde ich nie vergessen. Nach zwei Wochen kam André nach Hause. Vierzehn Tage später wurde André wieder auf seinem Fahrrad von einem Auto angefahren, und auch diesmal ging alles gut.

 

An einem Wochenende im „Posthorn“ lernte ich eine Frau namens Monika kennen. Sie sagte zu mir, ich solle sie mal besuchen. Ich ging mit André hin, weil Monika auch zwei Kinder in Andrés Alter hatte. Als ich bei ihr war, lernte ich auch ihre Freundinnen Ulla und Christine kennen. Ulla war verheiratet und hatte auch zwei Kinder. Christine lebte mit ihren drei Kindern und ihrem geschiedenen Mann Bubi (Spitzname) zusammen. Ich ging oft zu Monika, wo wir Frauen uns trafen. Bei Christine waren wir am meisten. Alle drei Frauen wohnten in einem Mehrfamilienhaus. Wenn ich am Wochenende schon mal bei Christine war, war Bubi auch da. Er war Fernfahrer und dadurch wenig zu Hause. Aber wenn ich ihn bei seiner Familie sah, war er immer sehr unglücklich. Was ich gut verstehen konnte, denn Monika und Christine waren vom Alkohol sehr angetan und vor lauter Frust, dachte ich, trinkt Bubi auch. Ich habe mich immer mehr entfernt, weil mir das überhaupt nicht gefiel. Monika und ich haben uns manchmal zufällig im „Posthorn“ getroffen.

Eines Tages kam Monika zu mir und fragte mich, ob ich Arbeit suche, denn die Arbeit, die ich hatte, das war in einem Haushalt, musste ich aufgeben. Sie sagte, es wäre eine Putzstelle in einem italienischen Camp, die sehr gut bezahlt wird, was auch stimmte. Ich schaute mir die Arbeit an, und nahm sie widerwillig an. Jeden Morgen, wenn ich durch das Camp ging, um von einer Baracke zur nächsten zu kommen, riefen die Italiener „bella, bella“, was mir sehr peinlich war. Es war eine schmutzige und ekelhafte Arbeit. Die Toiletten waren das Schlimmste, sie waren wie die französischen. An einem Samstagvormittag, als ich gerade die Spülsteine sauber machte, war ein Italiener auf der Toilette, der extra die Tür offen ließ und sich befriedigte. Ich habe mich sofort bei meinem Chef beschwert, der wiederum meldete das dem Chef des Camps und der Italiener musste das Camp für immer verlassen.

Wenn wir Frauen mit der Arbeit fertig waren, Ulla und Christine arbeiteten auch da, sagte Monika oft zu mir: “Komm doch noch mit zur Christine“, was ich gar nicht so recht wollte, denn Andre kam bald aus der Schule, aber ich habe mich immer wieder überreden lassen. Und schon saß ich wieder mit einem schlechten Gewissen da. Es brachte mir sowieso nichts, denn ich passte nicht zu den Frauen. Eine der Frauen schickte ihre Kinder immer zum Einkaufen, wenn sie von der Arbeit kam, oder sie mussten die Wohnung sauber machen oder spülen. Sie dagegen saß mit uns rum und trank Kaffee oder Alkohol. Eines Tages habe ich das nicht mehr ausgehalten, stand auf und sagte: “Ich gehe bei schönem Wetter viel lieber mit André spazieren.“ Und schon nannten sie mich eine Übermutter, wo ich für mich im Geheimen stolz drauf war. Ich fand das unmöglich, wie die mit ihren Kindern umgingen. Natürlich habe ich nichts gesagt, ich musste ja mit ihnen zusammen im Camp arbeiten. Ich konnte es mir nicht leisten, auf das Geld zu verzichten, das ich da verdiente. Von meiner Familie konnte ich keine Hilfe erwarten, ganz im Gegenteil. Ob das meine Mutter oder meine Schwester war, die mir den Kaffee wegtranken, ich habe immer darauf gehofft, dass man mir mal ein Pfund mitbringt, aber das ist leider nie passiert.

Als meine Schwester mir erzählte, sie hätten sich einen Wohnwagen für 6000,- DM gekauft und ich nur noch 20,- DM vom 20. bis zum 1. des nächsten Monats für mich und André hatte, habe ich nur noch geweint, als sie weg war. Natürlich habe ich kein Recht, ihnen Vorwürfe zu machen, aber etwas mehr Rücksicht und Hilfe wäre schön gewesen.

 

An einem Wochenende im Juni 1981 ging ich ins „Posthorn“. Bubi war auch da, allein! Wir haben uns unterhalten und Whisky-Cola getrunken. Während der Unterhaltung sagte er zu mir, dass er schon ein Jahr in mich verliebt sei und dass er immer an mich denken müsse, wenn er mit seinem Lkw unterwegs ist. Und so kam es, wie es kommen musste: Das „Posthorn“ machte zu und wir gingen zusammen nach Hause. Da Bubi an meiner Wohnung vorbei musste, fragte er mich, ob er bei mir noch einen Kaffee bekommen würde? Ich habe den Kaffee zwar gemacht, er wurde aber kalt.

Wir verbrachten die Nacht miteinander.

Morgens, als ich wach wurde, bekam ich ein schlechtes Gewissen.

Bubi lebte mit seiner geschiedenen Frau zusammen. Als ich mich mit ihm über die Situation unterhielt, erklärte er mir, dass er es zu Hause schon lange nicht mehr aushalte und gerne ausziehen würde.

Und so kam es, dass Bubi nach einer Zeit und Geheimhaltung unserer Beziehung bei mir einzog. Mir war durchaus klar, was jetzt auf mich zukam. Ulla und Monika verfluchten mich jetzt und hielten zu Christine. Obwohl die beiden auch zu mir sagten, dass Christine mit ihrem Mann unmöglich umginge, weil sie ihn immer, bedingt durch den Alkohol, anschnauzte.

Dass Bubi auch ein Alkoholiker war, sollte ich leider viel später erfahren. Er konnte das vor mir sehr gut verbergen. Auch wenn ich Bubi schon ein Jahr kannte, habe ich ihn wenig gesehen. Höchstens mal am Wochenende, wo er einen netten Eindruck auf mich machte, wenn ich bei Christine war, oder im „Posthorn“ und da fiel mir nichts auf. Im „Posthorn“ haben wir ja alle was getrunken.

Jetzt, wo Bubi bei mir wohnte, gingen die Kinder von Christine auf André los, denn seine Mama hat ihnen ja ihren Papa weggenommen, zumindest in ihren Augen. Sie waren zwischen 8 und 12 Jahre alt. Sie zogen ihn an den Haaren, wenn André mit ihnen spielen wollte, oder sie drehten ihm den Arm um. Mir wurden hässliche Wörter, wie Hure, auf das Badezimmerfenster, das zur Straßenseite lag, gesprüht. Wahrscheinlich war das Christine selber, wir wohnten ja nur ein paar Meter auseinander.

 

Mittlerweile war es Dezember 1981 und René kam für immer nach Hause und konnte sprechen. Er verstand sich sofort mit Bubi. Es war wieder ein „Papa“ da. Sein Vater hat ihn zweimal in zwei Jahren im Sprachheim besucht, obwohl René ihn so vermisst hatte.

Jetzt kam der Tag der Einschulung. Ich ging mit René zur Schule nach Hochdahl-Trills und stellte ihn der Lehrerin vor. René war jetzt mit seinen 8 Jahren in der ersten Klasse. Nach ein paar Wochen rief mich Renés Lehrerin an und sagte mir, ich soll mal vorbei kommen; also ging ich hin. Sie sagte, René wäre zu alt für die erste Klasse und überfordert für die zweite Klasse auf der Grundschule, er müsse auf eine Sonderschule. Das war ein Schlag ins Gesicht, denn er war nicht dumm. Aber irgendwo leuchtete mir das ein. Im Sprachheim hatte er keine Vorschule, also kam René auf eine Sonderschule, was seine Kindheit und sein Leben als Jugendlicher prägen sollte. Nach einem Jahr, am 1.5.1983, zogen wir in den Westerwald/Hof, weil wir vor Christine keine Ruhe kriegten und ich weit weg wollte. Das war ein großer Fehler!

Wir zogen nach Hof, das war ein Dorf etwa 20 km hinter Bad-Marienberg. In diesem Dorf wohnten 1000 Einwohner, überwiegend Bauern. Als Bubi und ich an einem Wochenende im März nach Hof fuhren, um uns die Gegend, das Dorf und das Haus anzusehen, sagte ich noch zu Bubi auf der Rückfahrt nach Düsseldorf: „Hoffentlich wird mir das nicht zu einsam.“ Womit ich recht haben sollte, denn ich bin eine Frau, die gerne unter Menschen ist. Bubi redete immer auf mich ein, und so kam es, dass wir im April zum Westerwald fuhren, uns mit der Vermieterin trafen, um den Mietvertrag zu unterschreiben.

Da Bubi Fernfahrer war und bei einer Spedition in Düsseldorf arbeitete, war ich die Woche über mit René und André allein in diesem Dorf. Die Frauen wollten keinen Kontakt mit mir, weil ich lange blonde Haare hatte. Sie waren der Meinung, dass ich eine Perücke oder meine Haare blond gefärbt habe, um ihre Männer verrückt zu machen. Und meine Kinder durften mit den Kindern im Dorf nicht spielen. Zum Glück hatte ich eine Nachbarin mit 5 Kindern, die vor Jahren von Oberhausen nach Hof gezogen waren. Ich freundete mich mit Eva an. Jetzt hatten meine Kinder wenigstens Kinder zum Spielen. René ging auch in Hof auf die Sonderschule. Die Lehrerin, Frau Dotterweich, erklärte mir das Gleiche wie die Lehrerin in Hochdahl-Trills. Das Schlimme war, dass die Sonderschule, die Grundschule und die Hauptschule nur durch einen Maschendraht getrennt waren und die Schüler von der Grund- und Hauptschule immer rüberriefen: “Ihr doofen Sonderschüler!“ Rene war so gut in der Schule, dass er im ersten Schuljahr in Hof eine Klasse übersprungen hat, aber trotzdem nicht auf die Grundschule konnte, weil die dritte Klasse vom Lehrstoff her zu weit war, sagte Frau Dotterweich.

Am Wochenende, wenn Bubi da war, gingen wir schon mal abends in die Kneipe zu Inge, die mit ihrem Mann von Oberhausen nach Hof gezogen war, sich aber auch nie wohl fühlten. Ihr Mann war mittlerweile verstorben und Inge musste zusehen, wie sie mit ihrer Wirtschaft alleine klar kam. Auch wir beiden Frauen bauten eine Freundschaft auf. Als ich Inge fragte, warum sie nicht wieder mit ihrem Mann nach Oberhausen zurückgegangen ist, erklärte sie mir, dass sie und ihr Mann, als er noch lebte, oben Hotelzimmer ausgebaut haben und dass das jetzt ihre Existenz sei. Wenn mein Bruder Peter mit seiner Freundin Jacqueline nicht mitgezogen wäre, die im Haus eine Einliegewohnung bewohnten, hätte ich es vor Einsamkeit nicht ausgehalten. Peter fand als Maler und Lackierer schnell eine Arbeit und wollte, dass sich Jacqueline auch eine Arbeit sucht, doch sie lag lieber im Bikini im Garten, ließ sich die Sonne auf den Bauch scheinen und machte die männliche Jugend verrückt.

Es gab immer wieder Streit zwischen den beiden. Als Peter eines Morgens aufwachte, war Jacqueline weg. Sie war irgendwann in der Nacht abgehauen und keiner wusste, wo sie war. Später erfuhr man von Inge, dass sie auf einen Bauernhof untergekommen ist. Doch da musste sie natürlich auch arbeiten und ging deswegen wieder nach Düsseldorf zu ihren Eltern zurück.