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HC 33

 

OLD MAN

 

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

Im Jahr 2435: Nachdem mehrere terranische Schiffe spurlos in den Magellanschen Wolken verschwunden sind, sammelt Perry Rhodan eine starke Raumflotte im Sektor Morgenrot. Womit er allerdings nicht rechnet: Ganz in der Nähe operiert Roi Danton, der König der Kosmischen Freihändler, mit seinem Raumschiff FRANCIS DRAKE. Der Freihändler tritt gern in der Maskerade eines französischen Königs des 18. Jahrhunderts auf und provoziert mit seinem Äußeren. Sein Schiff ist allerdings – und das verwundert Rhodan – so gut bewaffnet wie die modernsten Schiffe des Solaren Imperiums.

 

Es kommt zum Konflikt zwischen Terranern und Freihändlern, der anfangs mit Paralysatoren ausgetragen wird. Doch dann taucht ein gewaltiges Objekt auf, eine fliegende Raumstation, die mehr als 15.000 Ultraschlachtschiffe mit sich führt. Angesichts des Konfliktes ziehen die uralten Steuergehirne des Giganten die falschen Schlüsse und wenden sich gegen das Solare Imperium.

 

OLD MAN, wie das riesige Gebilde genannt wird, entwickelt sich aufgrund eines Missverständnisses zur tödlichen Bedrohung für die von Terranern besiedelten Welten. Als dann auch noch die Kristallagenten den Raumer übernehmen, steigert sich die Gefahr ins Ungeheuerliche ...

Vorwort

 

 

Mit diesem 33. Buch der PERRY RHODAN-Bibliothek beginnt wieder eines jener fast schon legendären Abenteuer, die ganze Generationen von Lesern viele Hefte lang in ihren Bann geschlagen haben – und dies heute noch tun. Die Faszination ist die gleiche geblieben wie vor über zwanzig Jahren, und wir hoffen natürlich, dass der jetzt beginnende Zyklus in der »geglätteten« und – wo nötig – gestrafften Buchform noch mehr fesselt.

Zum Auftakt begegnet uns (nach Icho Tolot beim Start des MdI-Zyklus) wieder eine jener schillernden Figuren, die sicher viel zum Erfolg von PERRY RHODAN beigetragen haben: der Freifahrerkönig Roi Danton, in Wirklichkeit Rhodans Sohn Michael Reginald. Der erfrischenden Heiterkeit, die er durch sein Auftreten verbreitet, steht allerdings eine große Tragik gegenüber – jene der Menschen, die einst OLD MAN erbauen ließen.

Doch es soll nicht zuviel verraten werden. Wer die Originalromane des »M 87-Zyklus« kennt, der weiß, dass der Inhalt dieses Buches bei aller Dramatik nur der Beginn einer Entwicklung ist, die abermals alle Dimensionen des größten SF-Abenteuers, das jemals geschrieben wurde sprengen wird.

Die diesem Band zugrundeliegenden Romane sind: Alarm im Sektor Morgenrot von K. H. Scheer; Die Plattform des Schreckens von William Voltz; Gestatten, Gucky und Sohn von Clark Darlton; Im Labyrinth des Todes und Überfall auf OLD MAN von H. G. Ewers, und Die Stunde der Hypnokristalle von Kurt Mahr.

 

Mein Dank gilt wie immer den Autoren dieser Abenteuer, Johnny Bruck, Franz Dolenc und – last not least – den Lesern, die gerade für diesen neuen Zyklus viele wertvolle Anregungen und kritische Hinweise geliefert haben.

 

Gaggenau, im Sommer 1988

Horst Hoffmann

Zeittafel

 

 

1971 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest.

1972 – Mit Hilfe arkonidischer Technik Aufbau der Dritten Macht und Einigung der Menschheit.

1976 – Das Geisteswesen ES gewährt Perry Rhodan die relative Unsterblichkeit.

1984 – Galaktische Großmächte versuchen, die Menschheit zu unterwerfen.

2040 – Das Solare Imperium ist entstanden. Der unsterbliche Arkonide Atlan taucht auf.

2103 – Perry Rhodan erhält von ES einen Zellaktivator.

2114 – Bündnis mit den Posbi-Robotern nach Kampf um die Hundertsonnenwelt.

2326 – ES verstreut 25 Zellaktivatoren in der Galaxis.

2327 – Terraner entdecken das Zweite Imperium der Blues.

2328 – Sieg über die Blues und Friedensvertrag zwischen den galaktischen Imperien.

2400 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda und Kampf gegen die Maahks.

2401 – Die Invasion der Milchstraße durch die Maahks aus Andro-Alpha wird vereitelt.

2402 – Terranischer Vorstoß in den Andromeda vorgelagerten Betanebel. Anlegung des Stützpunktes Gleam.

2404 – Terraner und Verbündete fliegen unter Perry Rhodan die Andromedagalaxis direkt an und finden die völlig menschenähnlichen Tefroder, das wichtigste Hilfsvolk der Herren Andromedas. Die CREST wird um rund 50.000 Jahre in die Vergangenheit verschlagen. Zusammentreffen mit den Lemurern, den gemeinsamen Vorfahren von Tefrodern, Terranern und der meisten humanoiden galaktischen Völker.

2405 – Zerstörung des Andromeda-Sechsecktransmitters durch die »Sonneningenieure«, in der Folge Zusammenbruch der Transmitterstrecke zwischen Milchstraße und Andromeda. Bündnis mit den revoltierenden Maahks gegen die MdI und Suche nach den uralten Weltraumbahnhöfen, um eine Invasion der Milchstraße zu verhindern.

2406 – Nach dem Tod des letzten MdI (Faktor I – Mirona Thetin) Rückzug der Terraner aus Andromeda. Die Maahks nehmen ihre angestammte Heimat wieder in Besitz.

Prolog

 

 

Man schreibt das Jahr 2435.

Nach dem siegreichen Abschluss des Kampfes gegen die Meister der Insel im Februar 2406 ist es Perry Rhodan und Atlan gelungen, das im Juni 2405 unterzeichnete Nichtangriffs- und Beistandsabkommen mit den Maahks zu einem dauerhaften Friedensvertrag und Freundschaftsbündnis auszudehnen. Die terranischen Stützpunkte im Vorfeld Andromedas wurden – entgegen der ursprünglichen Absicht – vollständig geräumt, da die Kosten ihrer Unterhaltung in keinem Verhältnis mehr zu ihrem Nutzen standen. Der Planet Gleam wurde der Obhut der Maahks übergeben, gegen deren Zusicherung, dass die Terraner jederzeit zurückkehren dürfen.

Es folgten knapp dreißig Jahre der wirtschaftlichen und politischen Konsolidierung des Solaren Imperiums. In der Milchstraße herrscht weitestgehend Frieden. Nur in der Eastside flackern immer wieder Kriege zwischen den einzelnen Bluesvölkern auf, die jedoch auf die restliche Galaxis ohne Auswirkungen bleiben.

Zu Beginn des Jahres 2435 beherrscht oder verwaltet das Solare Imperium 1151 von Menschen besiedelte Sonnensysteme und erlebt eine Blütezeit ungeahnten Ausmaßes. Ein neues Autarkiegesetz bindet die neugegründeten Kolonien länger an Terra und sichert den Siedlern dafür höchstmöglichen Schutz gegen Übergriffe fremder Mächte zu.

Solche Bedrohungen hat es allerdings seit dem Ende der MdI nicht mehr gegeben – nicht zuletzt dank Perry Rhodans Politik, bewaffnete Konflikte um jeden Preis zu verhindern.

Nur einmal in diesen fast dreißig Jahren schien der Friede in der Galaxis gefährdet werden zu können ...

1.

 

August 2435

 

 

Die erste Begegnung hatte vor etwa zwanzig Jahren stattgefunden. Zu Beginn des Jahres 2415 stießen terranische Wachschiffe unverhofft auf die ersten Kugelraumschiffe der Kosmischen Freihändler.

Zahlreiche Kontrollen bewiesen, dass diese hochmodernen Handelsfahrzeuge ausschließlich von Besatzungen menschlichen Ursprungs bemannt waren. Wenig später wurde von der Solaren Abwehr ermittelt, dass die Freihändler, auch Freifahrer genannt, über einen Stützpunktplaneten mit umfassenden technischen Einrichtungen, Ersatzteillagern und Automatwerften verfügten.

Da kein Freihandelskapitän jemals seine menschliche Abstammung dazu benutzte, um seine Rechte auf die solare Raumfahrt-Zulassungspolice mit allen Zoll-, Hafen- und Gebührenvergünstigungen geltend zu machen, war es dem Imperium nicht möglich, die für die private Raumschifffahrt geltenden Gesetze auch im Falle der Freifahrer zur Anwendung zu bringen.

Das Vorhaben terranischer Schifffahrtsgesellschaften und anderer Monopolbetriebe, die Freifahrer auf dem Klagewege aus dem Raum zu verdrängen, schlug fehl.

Ein gewaltsamer Versuch der Springer, die bis zum Jahre 2415 das Privileg in Anspruch nahmen, allein freien Handel betreiben zu dürfen, wurde von den Kosmischen Freifahrern überraschend zerschlagen. Die Raumschlacht im Urbtridensektor zwischen Springern und menschlichen Freifahrern endete mit schmerzlichen Verlusten für die aus den Arkoniden hervorgegangenen Springer. Die Solare Flotte griff nicht ein.

Die galaktische Position des Freihändler-Planeten blieb geheim. Als sich nach fünfjähriger Kontrollarbeit der solaren Nachrichtendienste erwies, dass die Freihändler niemals gegen die fundamentalen Sicherheitsgesetze verstießen und niemals versuchten, das Wohl der Menschheit zu schädigen, wies Perry Rhodan die Abwehr und die Flottenführung an, die Freifahrer unbehelligt zu lassen.

Im Jahre 2435 wiesen die Freifahrer nach, dass sie über eine Flotte von etwa 7500 bewaffneten Handelsraumschiffen modernster Bauart verfügten. Sie waren zu einer unübersehbaren Wirtschaftsmacht in der Milchstraße geworden.

Ihr Oberhaupt, der so genannte »Kaiser« Lovely Boscyk, stellte mit Beginn des 25. Jahrhunderts den Antrag auf politische Anerkennung durch das Imperium. Perry Rhodan lehnte mit der Begründung ab, die Freifahrer könnten weder als terranische Kolonisten noch als Nachkommen einer ursprünglich vom Imperium gegründeten Handelsgesellschaft angesehen werden. Durch diesen Beschluss blieben die Freifahrer eine politisch außenstehende Gruppe ohne Stimmrecht ihres Abgeordneten im Solaren Parlament.

In den Akten der Abwehr wurden sie nach wie vor als »suspekt« bezeichnet.

Es blieb jedoch dabei, dass die Freihandelskapitäne, die so genannten »Fürsten«, niemals ernsthaft gegen das menschliche Wohl verstießen. Fälle verbrecherischer Tätigkeit wurden nicht bekannt. Allerdings stand auch fest, dass sich fast alle Kapitäne und Schiffseigner in vielen Fällen an den Grenzen des Erlaubten bewegten. Für die »Fürsten« war es selbstverständlich, bei neuentdeckten Primitivvölkern billige Gebrauchswaren gegen kostbare Rohstoffe und Konsumgüter aller Art einzutauschen.

Man nannte die Freihändler »charmante Gauner«, die es immer wieder verstanden, durch die Maschen des Gesetzes zu schlüpfen.

Die bemerkenswerteste Persönlichkeit unter den Freifahrern war als Roi Danton bekannt.

Während »Kaiser« Lovely Boscyk lediglich die Rolle eines mit Repräsentationsaufgaben betrauten Oberhauptes spielte, fungierte Roi Danton allem Anschein nach als Befehlshaber der Freihändler.

Niemand wusste, wer Roi Danton tatsächlich war, woher er stammte und wo er seine hervorragende Ausbildung als Kosmonaut und Hochenergietechniker erhalten hatte.

Roi hatte den Namen eines Revolutionärs angenommen, der im Frankreich des 18. Jahrhunderts bei der Beseitigung der menschenunwürdigen Feudalherrschaft entscheidend mitgewirkt hatte.

Roi Danton war grundsätzlich nach der Mode des ausgehenden 18. Jahrhunderts gekleidet. Er gab und bewegte sich wie ein seinerzeit lebender Feudalherr, ahmte die einem modernen Menschen abartig erscheinenden Gesten und Redewendungen nach und schockierte damit seine Umwelt. Dennoch konnte die Solare Abwehr, vordringlich aber die USO, schon 2435 feststellen, dass dieser undurchsichtige »König« der Freihändler ein loyal denkender Mensch war, dem außer kleinen Täuschungsaffären auf unbekannten Primitivplaneten keine verwerflichen Taten nachzuweisen waren.

Gegen Ende August 2435 n. Chr. wurde das Imperium nach einer dreißigjährigen Periode des Friedens und des internen Aufbaues plötzlich in ein kosmisches Geschehen verwickelt, das innerhalb weniger Wochen zu einer katastrophalen Bedrohung werden sollte.

Mit Rhodans Startbefehl für die Heimatflotte begann die siebte Epoche in der Geschichte der modernen Menschheit ...

 

Leutnant Gazil Rhombat, Offizier vom Dienst und für die Zeitspanne von zwölf bis achtzehn Uhr Befehlshaber der »Innenwache«, traute seinen Augen nicht.

Es war 17:26 Uhr, am 25. August 2435. Rhombat hatte sich vor zehn Minuten entschlossen, die beiden Posten an der Pforte des kleinen Privatparks zu inspizieren. Die Grünanlage war den Wohnräumen des Großadministrators angegliedert und diente zur Erholung des am meisten beschäftigten Mannes im Imperium.

Weit entfernt starteten und landeten die bläulich schimmernden Kugelriesen der Heimatflotte. In der Luft lag ein dumpfes Grollen und Rumoren, das eigentlich niemals ganz verstummte. Man hatte sich daran gewöhnt. Die Einwohner Terranias, der größten und modernsten Stadt der Erde, bezeichneten es spöttisch als »Göttergesang«.

Das war es aber nicht, was Leutnant Rhombat den Atem verschlug.

Er hatte die Posten kontrolliert, die Sauberkeit der Uniformen überprüft, und war dann einige Schritte in den Park hineingegangen. Die Wachsoldaten hatten ihm mitgeteilt, Perry Rhodan hätte vor einer halben Stunde Arbeitsraum III über die breite Freitreppe verlassen, um – wie es schien – die Fische in dem prächtigen Zierteich zu füttern.

Rhombat beabsichtigte keineswegs, den Großadministrator in irgendeiner Form zu stören. Er wollte nur einmal nachschauen, ob alles in Ordnung war. Es gehörte zu seinen Aufgaben.

Wenn er dieses »Nachschauen« von Rhodan unbemerkt erledigen konnte, hatte er seine dienstlichen Obliegenheiten geschickt und gewissenhaft erfüllt.

Also schritt der Offizier der Innenwache auf den Zehenspitzen über den breiten Kiesweg und lugte vorsichtig um die Ecke eines Gewächshauses herum, in dem Rhodan oft Ablenkung suchte.

Bei diesem Blick um die Ecke wäre Rhombat vor Schreck beinahe in den Boden versunken.

Perry Rhodan, das Idol von Milliarden Menschen, gefiel sich darin, eine bildhübsche junge Dame zu umarmen, ihr über die dunkelblonden Haare zu streichen und sie sogar zu küssen.

Leutnant Gazil Rhombat war nur ein Mensch; dazu noch ein Mensch, der seinen Oberbefehlshaber liebte und verehrte.

Es kam Rhombat nicht in den Sinn, Rhodan für dieses Verhalten verantwortlich zu machen. Rhombat war felsenfest davon überzeugt, dass sein Chef in die Fänge eines gewissenlosen Geschöpfes geraten war.

Selbstverständlich besaß er nicht das Recht, wie ein Racheengel zu erscheinen und seinen Chef darauf aufmerksam zu machen, dass Mory Rhodan-Abro mindestens eintausend Lichtjahre entfernt weilte und daher ein Treuebruch in dieser Form noch widerwärtiger sei, als wenn Mory im Gästehaus der Administratur von Terrania gewohnt hätte.

Nein – das stand Rhombat nicht zu! Da er jedoch zur Solaren Abwehr und überdies zur speziell geschulten Leibwache des Großadministrators gehörte, handelte er auf andere Weise.

Rhombat zog sich leise zurück und rannte zu den beiden Posten hinüber. Die Männer entsicherten automatisch ihre Waffen, als sie ihren Wachoffizier im Sprintertempo näherkommen sahen.

Rhombat blieb stehen, umfasste die Oberarme der verblüfften Soldaten und zog sie vom Tor weg. Seine Stimme klang erregt.

»Hören Sie genau zu! Der Chef hält es für richtig, eine junge Dame zu küssen. Halten Sie den Mund, Sergeant. Jetzt rede ich! Ich habe keine Ahnung, wer dieses Frauenzimmer ist, das sich hier erdreistet, die menschlichen Schwächen unseres Chefs auszunutzen. Er muss sie durch einen der Geheimgänge eingelassen haben, oder wir hätten sie bemerkt. Sie sollen immer noch den Mund halten, Sergeant!«

Rhombat schaute nervös zur Pforte hinüber und zog die Männer noch tiefer in die Sichtdeckung blühender Ziersträucher.

»Hier Ihre Befehle. Sie lassen niemand in den Park hinein, egal, wer immer den Eintritt fordern mag. Verweigern Sie jede Auskunft. Verschanzen Sie sich hinter meinem Befehl. Ich verantworte das. Niemand darf den Chef in dieser verfänglichen Situation beobachten. Ist das klar? Sie haben über alles zu schweigen, was Sie während Ihrer dienstlichen Tätigkeit sehen und hören. Noch Fragen?«

»Endlich«, seufzte der Sergeant. »Sie hätten mir nicht dauernd das Wort verbieten sollen, Sir. Da hinten kommt Solarmarschall Julian Tifflor. Es sieht ganz so aus, als wolle er in den Park. Was nun, Sir? Wir können doch nicht einen Marschall ...!«

»Schweigen Sie«, unterbrach der Leutnant. Er war blass. »Gehen Sie ans Tor zurück und sperren Sie den Zugang. Ich spreche mit dem Marschall.«

Julian Tifflor, groß, schlank und infolge seines Zellaktivators noch immer jungenhaft wirkend, wunderte sich über die verkrampften Gesichter der drei Männer. Rhombat grüßte.

Tifflor legte flüchtig die Hand an den Schirm der Dienstmütze und ging so selbstverständlich auf die Pforte zu, wie er immer darauf zugegangen war.

Rhombat rannte an ihm vorbei und stellte sich ihm mit ausgebreiteten Armen in den Weg.

Der junge Leutnant wusste, dass er sein Ansehen aufs Spiel setzte. Tifflor gehörte zu den wenigen Vertrauten, die Rhodan jederzeit ohne besondere Anmeldung aufsuchen durften.

»Sir – es tut mir außerordentlich leid, aber ich muss Ihnen den Eintritt verwehren«, sagte er hastig. Sein schmales Gesicht zuckte in innerer Erregung.

Julian Tifflor verhielt den Schritt und betrachtete erstaunt das schweißüberströmte Gesicht des Wachoffiziers.

»Wie bitte? Was müssen Sie?«

»Sir, es tut mir leid, Sie dürfen heute nicht den Park betreten. Sir, bitte, seien Sie vernünftig. Vielleicht in einer Stunde, ich meine ...!«

Rhombat suchte nach Worten. Es war ungeheuerlich, einem der höchsten Offiziere des Imperiums zu raten, er solle »vielleicht in einer Stunde« wiederkommen.

Tifflor musterte den jungen Mann unbewegt. Er bemerkte auch, dass Rhombat offenbar unbewusst an seiner Waffentasche herumfingerte und den Sicherungsschalter des Kombistrahlers auf Feuerstellung schob.

Tifflor beherrschte sich. Nur seine Stimme klang sehr kühl.

»Sie müssen entweder geistig verwirrt oder betrunken sein. Im ersten Falle werde ich Ihnen verzeihen und Sie zu einem Arzt schicken. Sollten Sie jedoch betrunken sein, dürfen Sie sich schon jetzt auf ein Disziplinarverfahren einstellen. Melden Sie sich sofort beim Chef Ihres Kommandos. Sie werden abgelöst. Und nun geben Sie gefälligst den Weg frei.«

Rhombat handelte nun tatsächlich wie ein Geisteskranker. Er zog seine Waffe und richtete die Mündung auf den Marschall. Tifflor verfärbte sich. Hilfesuchend sah er zu den Soldaten hinüber, doch sie trafen keine Anstalten, ihm behilflich zu sein.

»Ist – ist das eine Revolte?«, erkundigte sich Tifflor stockend.

»Nein, Sir, nein, um Himmels willen nein. Sir, mir bleibt keine andere Wahl! Bitte, entfernen Sie sich. Ich ...!«

»Zu spät, Leutnant«, sagte der Sergeant plötzlich laut. »Drehen Sie sich um. Der Chef kommt soeben um das Gewächshaus herum – mit dieser Person!«

Rhombat ließ die Waffe sinken. Seine Schultern zuckten. Tifflor sah zu dem langsam näherkommenden Paar hinüber und winkte geistesabwesend. Er begann erst zu begreifen, als Rhombat fast schluchzend sagte:

»Sir, ich wollte verhindern, dass der Chef mit – mit diesem verworfenen Geschöpf gesehen wird; egal von wem. Sir, der Chef ist verheiratet!«

Tifflor riss Mund und Augen auf. Seine Lippen begannen verdächtig zu zucken. Schließlich sagte er mit schwankender Stimme:

»Sie sind der größte Hammel des Solaren Imperiums, Leutnant! Das ›verworfene Geschöpf‹ ist Rhodans Tochter, die wieder einmal ihren Vater besucht. Was haben Sie denn?«

Rhombat sah nur noch rote Nebel vor seinen Augen wallen. Als er ohnmächtig wurde, fing ihn der Sergeant auf.

Perry Rhodan erreichte die Gruppe. Sein bisher freudestrahlendes Gesicht wurde sofort ernst.

Ehe er Fragen stellen konnte, erklärten Tifflor und der Sergeant den Vorfall. Die beiden Posten standen steif und starr wie Statuen. Rhodan wechselte mit der hochgewachsenen jungen Frau einen langen Blick.

Suzan Betty Rhodan-Waringer, geboren am 16. August 2405, bückte sich und wischte dem Offizier den Schweiß von der Stirn. Als sie wieder aufsah, war sie sehr nachdenklich.

»Mir scheint, Papa, als würde mit diesem jungen Mann ein zukünftiger Flottenführer oder großer Staatsmann heranreifen. Weißt du überhaupt, wie sehr dich deine Männer verehren? Er hat alles aufs Spiel gesetzt. Es grenzt an Selbstmord, einen Solarmarschall mit der Waffe zu bedrohen, nur um dich nicht zu kompromittieren. Tiff, tue mir den Gefallen und vergiss die Sache.«

Rhodans Augen, dachte Tifflor. Sie hat die Augen ihres Vaters.

Laut fügte er hinzu:

»Hinsichtlich der Umstände ist das selbstverständlich. Rhombat und diese beiden Posten haben mehr persönlichen Mut bewiesen als mancher Held, der nur deshalb zum Helden wurde, weil ihm sein Selbsterhaltungstrieb keine andere Wahl ließ. Seit wann hältst du mich für einen Unmenschen, Krausnase?«

Suzan lachte. Ihr herbes Gesicht entspannte sich und wurde fraulich weich.

»Krausnase! Das habe ich schon lange nicht mehr gehört. Fassen Sie mal mit an, Sergeant.«

Leutnant Rhombat erwachte. Er kam so schnell zu sich, dass er mit einem Aufschrei hochsprang und wankend nach einem Halt tastete. Es sprach für Rhodans Menschlichkeit, dass er dem jungen Mann unter die Arme griff und beruhigend sagte:

»Nun mal langsam mit den jungen Gäulen, Rhombat. Ich möchte mich sehr herzlich bedanken.«

»Be... danken, Sir?«, stammelte Rhombat fassungslos.

»Genau das. Sie hatten ja die besten Absichten. Vergessen Sie die Geschichte. Da vorn kommt Ihre Wachablösung. Gehen Sie sofort zum Arzt.«

»Jawohl, Sir. Verzeihen Sie, Sir – aber mir ist noch nie übel geworden.«

»Das weiß ich. Sonst gehörten Sie nämlich nicht zu meiner Garde. Helft ihm, Männer!«

Die beiden Posten traten ab und führten ihren Wachoffizier zum nächsten Palasteingang hinüber. Die Soldaten, die nach ihnen den Dienst antraten, erfuhren nichts von dem eigentümlichen Vorfall.

Suzan, ihr Vater und Julian Tifflor schritten gemächlich in den Park hinein. Suzan war fast so groß wie ihr Vater. Er betrachtete sie von der Seite, und wieder erschien das Lächeln auf seinen Lippen.

Suzan schaute nachdenklich zu Boden.

»Die drei Männer haben dich angesehen, dass mir die Worte fehlen, um es zu schildern. Sie würden für dich ihr Leben opfern. Weißt du das?«

»Ja.«

»Das freut mich. Du musst zu der Zeit, als Michael und ich noch nicht geboren waren, Wunder vollbracht haben.«

»Beinahe-Wunder«, berichtigte Perry trocken.

Sie schüttelte den Kopf.

»Es waren Wunder, wie sie nur ein großer Mensch vollbringen kann. Vielleicht verstehst du auf Grund dieses kleinen Vorfalls, warum mein Bruder und ich den Entschluss fassten, nach unserer Ausbildung im Raum zwischen den Sternen unterzutauchen, um zu versuchen, aus eigenen Kräften so zu werden, wie du es ebenfalls aus eigenen Kräften geworden bist. Besonders Michael litt unter dem Gedanken, in deinem Schatten und mit deinem Familiennamen behaftet auf den Lebensweg geschickt zu werden. Schon seine akademische Ausbildung war für ihn deprimierend. Niemand wagte es, ihm schlechte Zensuren zu geben.«

»Er hatte nur gute verdient«, erklärte Perry unwillig. »Ich habe selten bessere Arbeiten gesehen.«

»Zugegeben. Mache aber einmal einem jungen Akademieschüler wie Michael klar, dass er tatsächlich mehr leistet als seine Altersgenossen. Das glaubt niemand, der Michael Reginald Rhodan heißt. Er musste unerkannt untertauchen, wenn er seinen inneren Frieden nicht ganz verlieren wollte. Ich habe gegen deinen Willen einen Wissenschaftler geheiratet, der hier, auf Terra, als Phantast verschrien war. Ich liebe und achte ihn immer noch.«

»Es tut mir leid, Kleines. Es war mein Fehler. Wie geht es Dr. Geoffry Abel Waringer?«

»Wie das klingt!«, lächelte Suzan. »Ich hätte an deiner Stelle den Begriff ›Schwiegersohn‹ gebraucht. Es geht uns gut.«

»Und wo ist er zu finden?«

Suzan sah den hochgewachsenen Mann fest an.

»Das verrate ich dir nicht. Mutter hat uns einen bestimmten Planeten zur Verfügung gestellt. Dort arbeiten und wohnen wir. Dort sind wir glücklich. Du wirst eines Tages noch von Geoffry hören. Er ist ein hyperphysikalisches Genie, das euren sagenhaften Professor Kalup in den Schatten stellen wird.«

»Falls dieses Genie der Menschheit zugute kommt, habe ich nichts dagegen«, warf Tifflor mit einem launigen Auflachen ein. »Mich würde es interessieren, wo Michael Unterschlupf gefunden hat. Du und er – ihr seid Zwillinge. Du wirst mir nicht erzählen wollen, du wüsstest nichts von ihm und seinem Aufenthaltsort.«

»Natürlich weiß ich, was er treibt und wo er zu finden ist. Das werde ich aber ebenfalls nicht verraten.«

»Wir sollten einen Telepathen auf meine liebe Tochter ansetzen«, meinte Perry.

Suzan winkte ab.

»Du weißt, dass es keinen Sinn hätte. Sowohl ich als auch mein Bruder und meine Mutter sind mentalstabilisiert. Wenn ich nicht will, kann kein Telepath meine Gedanken lesen.«

Rhodan nickte. Sein Hinweis auf einen Telepathen war auch nur als Scherz gemeint.

»Wie geht es Mike?«, fragte er.

»Gut, er lässt dich übrigens herzlich grüßen.«

»Hat er meinen, ich meine, hat er seinen Namen abgelegt?«, fragte Rhodan innerlich aufgewühlt. »Mike ist mit vierundzwanzig Jahren plötzlich verschwunden. Seinen Abschiedsbrief habe ich mittlerweile tausendmal gelesen.«

Suzan legte den Arm um die Schultern ihres schlanken, jugendlich aussehenden Vaters.

»Das wissen wir. Ja, Michael trägt einen anderen Namen; jedoch nicht deshalb, weil er seinen Vater verachtet.«

»Darüber bin ich sehr glücklich. Er will ganz von unten anfangen, nicht wahr?«

Sie schaute Perry flüchtig an. Trotzdem erkannte sie das Leuchten in seinen Augen.

»Soeben sind Sie durchschaut worden«, fiel Tifflor trocken ein. »Suzan dürfte nicht Ihre Tochter sein. Krausnase – dein Vater ist auf dich, besonders aber auf Mike stolzer, als ihr es euch vorstellen könnt. Natürlich kann er Mikes Handlung verstehen. Wahrscheinlich hätte er an seiner Stelle nicht anders gehandelt. Ganz bestimmt sogar!«

»Sie sind hinterhältig, Tiff«, warf Perry dem Marshall vor.

Tifflor lachte.

»Wenn ich noch nie hinterhältiger war, dann soll es mir recht sein. Ich bewundere den Jungen. Er ist jetzt dreißig Jahre alt. Er muss zu sich selbst finden. Lassen Sie ihn gewähren, Perry. Ich kenne ihn von frühester Jugend an. Mike wird niemals gegen die Interessen der Menschheit arbeiten. Das sollte doch vollauf genügen.«

»Sie sagen es, Tiff«, fiel Suzan ein. »Ich fühle mich auf Terra sehr wohl. Es ist schön hier. Die Menschen sind tolerant, aufgeschlossen und liebenswürdig.«

»Du hättest sie einmal ums Jahr 1970 erleben sollen«, meinte Rhodan. »Die Gutwilligen und Toleranten musste man fast mit der Lupe suchen.«

»Überwundene Kinderkrankheiten«, meinte Suzan mit einer Handbewegung. »Jedes galaktische Volk muss erst reifen. Bei der Menschheit hat es nicht einmal lange gedauert. Wird uns Atlan besuchen?«

Rhodan fuhr bei diesem plötzlichen Themawechsel zusammen. Es war, als erwache er aus einem Traum.

»Was soll plötzlich diese Frage?«

»Oh, merkst du etwas, Tiff? Soeben hat der Großadministrator gesprochen. Meine Frage hat keine besonderen Hintergründe, Papa. Ich möchte Atlan gerne wieder einmal sehen.«

»Da hast du Pech, Krausnase«, fiel Tifflor ein. »Atlans Funkspruch ist der Grund meines Kommens. Er steht mit einem gemischten Verband aus USO- und solaren Streitkräften im Sektor Morgenrot und ist dort mit diesem so genannten König Danton zusammengetroffen.«

»Mit dem Freifahrerchef?«, warf Rhodan ein.

»Ja. Es gab Schwierigkeiten. Atlan hat sich infolgedessen mit ihm zu beschäftigen. Ich werde in einer halben Stunde starten, um mir dieses Unikum einmal anzusehen. Ich bin ihm noch nie begegnet. Ich war auf einen Menschen selten so neugierig wie auf Roi Danton. Von ihm erzählt man sich Wunderdinge. Unsere Besatzungen finden stundenlang Gesprächsstoff, wenn nur sein Name erwähnt wird. Er muss trotz seiner Schrullen ein außergewöhnlicher Mensch sein.«

»Er hält sämtliche Kommandanten zum Narren«, behauptete Perry ärgerlich. »Diese Freifahrer werden allmählich zu einem ernsten Problem. Berichten Sie bitte genauer. Was hat dieser Bursche im geheimen Aufmarschgebiet der Flotte zu suchen? Ist das Zufall?«

»Das ist die Frage. Danton tut sehr verwundert, und Atlan kann ihn nicht zu einer wahrheitsgemäßen Aussage zwingen. Ich bin davon überzeugt, dass Danton nicht zufällig in unseren südlichen Aufmarschsektor gekommen ist.«

»Ich werde Sie begleiten«, entschloss sich Perry. »Ich kenne ihn nämlich ebenfalls noch nicht. Möchtest du mitkommen, Suzan? Es ist nicht weit von hier.«

»Roi Danton, hmm ...!«, überlegte Suzan laut. »Lieber nicht. Ich bin verheiratet, und er soll ein Mann von unwiderstehlichem Charme sein. Ich sehe mir mittlerweile die großen Städte der Erde an. Einverstanden?«

Rhodan blickte Suzan nachdenklich an.

»Wenn meine Tochter so eigentümlich lächelt wie jetzt, führt sie etwas im Schilde. Was hast du vor?«

»Oh, ich habe gelächelt? Das kommt gelegentlich vor, Papa.«

2.

 

 

Vor zehn Minuten war die KOBE, ein Leichter Kreuzer der Solaren Flotte, noch ein schönes Schiff gewesen. Jetzt glich sie einem Schrotthaufen.

Von der hundertfünfzigköpfigen Besatzung lebten nur noch fünfundvierzig Mann. Sie hielten sich zumeist in der hermetisch abgeriegelten, ebenfalls kugelförmigen Panzerzentrale im genauen Mittelpunkt des Schiffes auf.

Die Katastrophenautomatik hatte die Zentralkugel zusätzlich mit einem Energieschirm abgeriegelt, um die vielen Treffer absorbieren zu können.

Major Kary Akanura, Kommandant der KOBE, wusste, dass ihm nur noch ein Wunder helfen konnte. Er war am Rand der galaktischen Eastside aus dem Linearraum unverhofft in einen Verband revoltierender Blues gekommen.

Es war Akanuras Fehler gewesen, die letzten Geheimdienstnachrichten über die Flottenbewegungen der »Tellerköpfe« zu wenig beachtet zu haben. Ehe die KOBE erneut in den schützenden Halbraum hatte gehen können, war sie von etlichen Großkampfschiffen beschossen worden.

Die normallichtschnellen Impulstriebwerke waren schlagartig ausgefallen. Die Kalupschen Überlichtflugaggregate näherten sich zehn Minuten nach dem ersten Schuss der Auflösung. Die Kraftwerke hatten automatisch abgeschaltet, als ihre Steuergehirne feststellten, dass die Stromverbraucher nicht mehr arbeiteten. Dem Vorgang des Ausschaltens war schon bei der nächsten Salve die Zerstörung gefolgt.

Jetzt arbeitete nur noch die Notstation dicht unterhalb der Kugelzentrale. Sie wurde vom Ersten Offizier ferngesteuert und lieferte den Arbeitsstrom für den inneren Katastrophenschirm und die Funkstation.

Diese Funkstation war die letzte Chance für die Überlebenden der KOBE. Nur wenige Lichtjahre entfernt mussten die schlagkräftigen Geschwader der USO stehen. Lordadmiral Atlan persönlich fungierte als Oberbefehlshaber.

Major Akanura war es rätselhaft, was die Blues so nahe der terranischen Ausfallzone mit der Tarnbezeichnung Morgenrot suchten. Grundsätzlich betrachtet, konnte es dem Kommandanten gleichgültig sein, was die Beherrscher der Eastside in dieses Gebiet geführt hatte. Wahrscheinlich hatten sie keine Ahnung, dass der Sektor Morgenrot schon vor fünfzig Jahren mit einigen planetarischen Stützpunkten eingerichtet worden war.

Die KOBE strahlte mit höchster Leistung ihre Notrufe ab, gab ihre genaue Position bekannt und sendete überdies pausenlos Peilzeichen, um eine Ortung durch eigene Schiffe zu erleichtern.

Kary Akanura hoffte inbrünstig, der Kommandant des Bluesverbandes würde die Sendung folgerichtig auswerten. Eigentlich musste er daraus ersehen, dass die KOBE in diesem Raumsektor nicht allein war.

Akanura blieb keine andere Wahl, als den Selbsterhaltungstrieb der Blues in seine Hoffnungen einzubauen. Jeder von ihnen, ob Admiral oder Hilfstechniker, kannte die Überlegenheit der terranischen Waffen. Wenn die KOBE noch eine halbe Stunde durchhielt, war sie gerettet. Wenn ...!

»Funken Sie weiter«, schrie Akanura in sein Helmmikrophon. »Auf keinen Fall unterbrechen. Kommt denn von unseren Schiffen nichts herein?«

»Kein Piepser«, antwortete der Diensthabende aus der Funkzentrale. »Dafür kommen die Thermoschüsse der Blues herein. Sir, wir sollten aussteigen, solange die KOBE noch existiert.«

»Lassen Sie das meine Sorge sein. Erster – wann kommen Sie endlich mit der Waffenfernsteuerung klar? Jeder terranische Schiffsbauingenieur kann Ihnen bestätigen, dass es bei einem Ausfall der Feuerleitzentrale möglich ist, die Geschütztürme von der Zentrale aus zu bedienen. Warum begreifen Sie das nicht?«

Der Erste Offizier fluchte. Zwei neue Treffer schlugen in den allmählich aufglühenden Körper des Leichten Kreuzers ein und wirbelten ihn um seine Polachse.

»Es liegt nicht am Begreifen«, entgegnete der Offizier erbittert. »Die Notschaltung hat etwas gegen die Theorien unserer Ingenieure. Ich kann nicht mehr tun, als auf die Knöpfe drücken.«

»Peilkontakt«, brüllte jemand. Die Stimme überschlug sich fast. »Sir, wir werden von der Dreiundachtzigsten Ultraflotte, Kommandeur Admiral Dant, angerufen. Vierzig Schiffe sind schon im Anflug. Ich ...!«

»Halten Sie Ihren Mund«, sagte Akanura müde. »Es gibt weder eine Dreiundachtzigste Ultraflotte noch einen Admiral Dant. Die Blues erlauben sich einen üblen Scherz.«

Akanura hatte noch nicht richtig ausgesprochen, als zwischen den im Rotsektor stehenden Bluesschiffen plötzlich eine künstliche Sonne aufging. Sie dehnte sich mit ungeheurer Schnelligkeit aus und verschlang drei Großkampfschiffe auf einmal.

Zwei weitere Kunstsonnen entstanden so haargenau vor den Bugspitzen der anderen Einheiten, dass erneut fünf große Schiffe ins Verderben rasten. Keinem Raumschiff, das mit wenigstens einem Zehntel der einfachen Lichtgeschwindigkeit flog, konnte noch ein Ausweichmanöver gelingen, wenn dicht vor ihm eine etliche hunderttausend Kilometer durchmessende Sonne aus spontan freigewordener Kernenergie aufleuchtete. Dann konnten nur noch hervorragende Schutzschirme helfen; aber die besaßen die Blues nicht.

Nach dem Aufblenden der dritten Riesenexplosion ahnten die fünfundvierzig Überlebenden der KOBE, dass sie dem sicheren Tode gerade noch einmal entronnen waren.

»Es gibt also doch eine Dreiundachtzigste Ultraflotte unter Admiral Dant«, schrie der Erste Offizier überglücklich. »Wenn das kein erstklassig liegendes Gigafeuer aus terranischen Transformkanonen ist, dann fresse ich einen Ertruser mit Haut und Haaren.«

»Ich wünsche Ihnen guten Appetit«, gab der Kommandant erbost zurück. »Funkzentrale – rufen Sie den Kommandeur des Verbandes an und schildern Sie unsere Situation. Die KOBE muss aufgegeben werden. Wenn sie nicht explodiert, kann man sie vielleicht mit einem Tender bergen. Fragen Sie an, ob man uns eine Korvette schicken kann. Unsere Beiboote sind zerschossen. Legen Sie das Gespräch auf den Kontrollraum um.«

Der Cheffunker bestätigte den Dienstvorschriften entsprechend. Dazwischen pfiff und sang er jedoch wie ein Mann, der nie etwas von Disziplin gehört hat.

Der Kommandant achtete nicht darauf. Als jedoch sein Funkchef einige Verwünschungen ausstieß und die Vorfahren eines Unbekannten mit Begriffen aus dem Tierreich beleidigte, wurde selbst der duldsame Akanura hellhörig.

»Unterlassen Sie das«, schrie er wütend. »Wohl verrückt geworden, was?«

Der Funker antwortete ungerührt:

»In Ordnung, Sir, es waren die Nerven. Sie hatten recht! Es gibt wirklich keine Dreiundachtzigste Ultraflotte. Wir sind von einem einzigen Schiff herausgehauen worden. Soeben verschwindet der letzte der Blues panikartig im Linearraum. Unser Retter kommt mit hoher Fahrt auf. Ein Riesenkasten, Sir. Noch etwas größer als ein Schlachtschiff der STARDUST-Klasse. Wenn das kein Freihändler ist, will ich nicht mehr Bobby heißen. Woher, zum Teufel, hat der Kerl die Transformkanonen? Ich hatte bisher angenommen, nur wir verfügten über diese Dinger. Oder waren das etwa keine Gigabomben, mit denen der Freifahrer die Blues verjagte?«

Major Akanura stockte für einen Moment der Atem. Ihm wurde mit einem Gefühl der Beschämung bewusst, dass er diese Beobachtung weitermelden musste, auch wenn er damit gegen die selbstverständlichsten Regeln der Dankbarkeit verstieß. Er ließ die Frage des Funkoffiziers unbeantwortet und konzentrierte sich auf das bevorstehende Funkgespräch. Es wurde höchste Zeit, die KOBE zu verlassen. In den Maschinenräumen erfolgten bereits vereinzelt Explosionen. Das Schiff war wahrscheinlich nicht mehr zu retten.

»Befolgen Sie meine Anweisung und bitten Sie um Bergungshilfe«, sagte er schroff. »Bezüglich der Transformkanonen sollten Sie Ihre Mutmaßungen für sich behalten. Wenn die fremde Besatzung nicht eingegriffen hätte, wären wir jetzt tot. Worauf warten Sie noch?«

Die Überlebenden warfen sich vielsagende Blicke zu. Sie bemerkten jetzt erst, welche Probleme sich aufwarfen.

Wenn der Freifahrer tatsächlich die geheimste Waffe der Menschheit besaß, würde er unangenehmen Fragen und Untersuchungen kaum aus dem Wege gehen können.

»Ich weiß nicht, ob ich unter diesen Umständen einem zerschossenen Terrakreuzer beigesprungen wäre!«, meinte ein Orter sinnend. »Der Freihändler hätte ja unsere Notrufe überhören können. Wenn mich jemand fragen sollte – ich habe einwandfrei gesehen, dass die Blues lediglich mit konventionellen Energiewaffen angegriffen und durch ein sehr genaues und massiertes Wirkungsfeuer in die Flucht geschlagen wurden.«

»Mehr habe ich auch nicht gesehen!«, entgegnete der Mann neben ihm in einem Ton, der keinen Zweifel zuließ.

»Reden Sie keinen Unsinn«, mischte sich der Ortungsoffizier ein. »Wir sind verpflichtet, Meldung zu machen. Oder würden Sie es gerne sehen, wenn sämtliche Freifahrer im nächsten Jahr Transformkanonen hätten? Damit wäre unsere waffentechnische Überlegenheit überholt. Ich habe eindeutig explodierende Gigabomben von riesigem Kaliber beobachtet. Denken Sie von mir, was Sie wollen. Ich will nicht undankbar sein; aber das geht zu weit.«

Seine Männer schwiegen verbissen, bis der Kontakt zu dem Freifahrerschiff hergestellt war. Es befand sich bereits im Bremsmanöver.

Ehe der Kommandant des unbekannten Schiffes auf den Bildschirmen sichtbar wurde, stellte die Ortung fest, dass er ein Beiboot in der Größenordnung einer terranischen Korvette ausschleuste. Das Sechzig-Meter-Schiff raste mit hoher Fahrt auf die treibende KOBE zu.

»Der Bursche denkt aber auch an alles«, stellte der Erste Offizier des Kreuzers bewundernd fest.

Major Akanura drehte sich gereizt um.

»Es ist wohl kein Kunststück, festzustellen, wie es in der KOBE aussieht. Er wird sich denken, dass unsere Beiboote vernichtet wurden.«

»Trotzdem, Sir!«, wagte der Erste brummig zu erwidern. »Der Mann kann etwas.«

»Niemand in der Solaren Flotte hat jemals bestritten, dass die Freihändler Könner sind. Wir sehen ihnen nur deshalb auf die Finger, weil wir ihrer Moral nicht trauen. Ich finde es nicht besonders schön, einem primitiven Wilden Glasperlen für Edelsteine anzudrehen.«

»Geschmackssache«, entgegnete der Offizier störrisch. Akanuras Auslegungen reizten ihn zum Widerspruch.

Der Kommandant holte tief Luft und beherrschte sich.

»Kommen Sie erst einmal zu sich, ehe Sie mit mir diskutieren«, lehnte er eine weitere Unterhaltung ab. »Funkraum – wo bleibt die Bildsprechverbindung?«

»Läuft schon, Sir. Einfach lichtschnell. Der Freifahrer ist nahe genug. Achtung, Bild kommt herein. Ich schalte auf die Steuerzentrale um.«

Auf dem großen Bildschirm erschien ein junger Mann mit ausgeprägt männlichen Zügen und klaren, durchdringenden Augen.

Der Eindruck der Härte wurde jedoch von den gewellten Haaren gemildert. Sie ließen die hohe Stirn frei, wallten bis zum Nacken hinab und bedeckten dort einen Teil des blütenweißen Spitzenkragens.

Die kräftigen Hände des Mannes wurden bis zur Höhe der Knöchel ebenfalls von kostbaren Spitzen umschlossen. Die Stickereien auf seiner Weste funkelten, als bestünden sie aus Edelsteinen. Das unwirkliche Bild wurde durch einen blutroten Frack nach der Mode des endenden 18. Jahrhunderts und einem Dreispitz mit pelzbesetzten Rändern abgerundet.

»Roi Danton!«, ächzte Akanura. »Jetzt verstehe ich alles. Nur er konnte auf die Idee mit der nichtvorhandenen Flotte kommen.«

»So ist es, Monsieur«, klang die Stimme des Freihändlerkönigs aus dem Lautsprecher. »Comment allez-vous, Monsieur?«

»Was? Ich meine – bitte?«

Roi Danton runzelte die Stirn. Er erhob die Rechte, zog mit der anderen Hand ein Spitzentüchlein aus der Hemdmanschette und führte es zum Mund. Affektiert hüstelnd, betupfte er sich die Lippen und sagte dazu vorwurfsvoll über die Schulter hinweg zu einem nicht sichtbaren Mann:

»Oro – warum, um alles in der Welt, ist mein Tüchlein so schwach parfümiert? Muss ich denn ständig leiden?«

Akanura fluchte still in sich hinein. Das war charakteristisch für Roi Danton! Man nannte ihn einen Stutzer und Geck, der sich ganz in die Rolle eines verweichlichten Höflings des 18. Jahrhunderts hineingelebt hatte. Nur wenige Leute in der Solaren Flotte wussten, wie blitzschnell und hart dieser »Stutzer« zuschlagen konnte.

»Ich fragte, wie es Ihnen geht, Herr Major«, klang Dantons Stimme erneut auf. »Es freut mich, Sie bei bester Gesundheit vorzufinden. Mein Beiboot wird in wenigen Minuten anlegen. Es wäre vielleicht empfehlenswert, wenn Sie mit dem Rest Ihrer Besatzung die KOBE verließen. Ich bin gerne bereit, Ihnen Nahrung und Unterkunft zu gewähren. Me comprenez-vous, Monsieur? Verstehen Sie mich?«

»Zum Teil«, entgegnete Akanura wahrheitsgemäß. »Ich bin Ihnen wirklich dankbar, dass Sie uns ...!«

»Aber bitte, bitte, mein Bester. Ein wahrer Edelmann ist dem gemeinen Volk immer zugetan. Ich hoffe, Sie werden mir mit Ihren Männern nicht die Luft verunreinigen. Wie man hört, soll auf solaren Schiffen mit diesen widerwärtigen Desinfektionsmitteln sehr freizügig umgegangen werden. Oh – jetzt sollten Sie sich aber wirklich beeilen. Le combien sommes-nous aujourd'hui?«

»Was ...? Verdammt, ich ...!«

»Aber Monsieur! Sie sind taktlos. Ich fragte nach dem heutigen Datum.«

»Wir schreiben den fünfundzwanzigsten August 2435 Standardzeit«, keuchte Akanura. Sein Erster Offizier hatte die Hände vors Gesicht geschlagen und lachte Tränen. Eigentlich lachte jeder, bis auf den Kommandanten.

»Dann sollten Sie zusehen, dass Sie auch noch den Sechsundzwanzigsten erleben. Ihr Schiff brennt. Benutzen Sie das obere Notluk. Dort scheint noch alles in Ordnung zu sein. Bringen Sie Ihre ›bagages‹ mit.«

Akanura konnte sich nicht mehr bezähmen. Sein aufgestauter Ärger brach sich Bahn.

»Ich habe keine Bagage, sondern eine anständige Besatzung an Bord«, brüllte er außer sich. »Herr, fast möchte ich sagen, es wäre mir lieber gewesen, im Feuer der Blues zu vergehen, als Ihnen zu begegnen.«

Roi Danton schüttelte vorwurfsvoll den Kopf und betupfte sich wieder die Lippen.

»Aber, Monsieur, Sie missverstehen! Ich habe Ihr Gepäck gemeint.«

Jemand auf dem Freifahrerschiff lachte so laut, dass Roi schmerzhaft das Gesicht verzog.

»Oro!«, sagte er nach hinten. »Beherrsche dich. Die Manieren dieser Subjekte lassen nun einmal zu wünschen übrig. Man kann nicht von jedermann scharfen Geist und geziemendes Benehmen erwarten.«

Akanura war so erregt, dass er die Hände vom Körper streckte, geziert die Finger spreizte und mit gespitzten Lippen nachäffte:

»... geziemendes Benehmen erwarten!«

Roi klatschte zurückhaltend, indem er mit zwei Fingerspitzen die linke Handfläche betupfte.

»Bravo, bravissimo, mein Bester. Sie lernen es allmählich.«

Dann wandelte sich Roi Danton schlagartig. Sein Gesicht verlor das affektierte Lächeln und wurde hart. Er säuselte auch nicht mehr vornehm, sondern schrie:

»Vielleicht trifft Ihre Schlafmützengesellschaft bald in der oberen Notschleuse ein! Ihr Schiff explodiert! Oder meinen Sie etwa, ich hätte die Blues nur angegriffen, um Ihr dummes Gesicht zu bewundern?«

Akanura war erneut fassungslos. Trotzdem begann er jetzt zu handeln. Die Männer rannten zum Pressluftschacht VII hinüber und schwangen sich hinein.

 

Roi Danton schaltete ab. Er hielt sein edelsteinbesetztes Lorgnon vor die Augen und sah sich stirnrunzelnd um.

Die große Zentrale der FRANCIS DRAKE, ein achthundertfünfzig Meter durchmessender, stark bewaffneter Kugelriese, wimmelte von verwegen aussehenden Männern, die nur zum Teil auf der Erde geboren worden waren.

Dantons Erster Offizier, gleichzeitig stellvertretender Kommandant, war ein quadratisch gebauter Epsaler mit wilden Zügen. Nach dem Sprachgebrauch der Freifahrer wurde er mit »Edelmann« angeredet. Dieser Titel stand jedem Offizier zu. Die Kapitäne trugen die Bezeichnung »Fürsten«; die Besatzungsmitglieder »Bauern«.

»Wollten Sie etwas sagen, Rasto Hims?«, wurde der Koloss angesprochen.

Hims grinste nur. Er kannte seinen Chef.

»Also nicht. Schön, dann halten Sie sich von der KOBE fern. Sie dürfte bald zu einer Bombe werden. Entschuldigen Sie mich nun.«

Roi stand auf, glättete seinen knielangen Frack und rückte den kostbaren Zierdegen zurecht. Seine Wadenhosen waren aus echtem Samt gefertigt, die weißen Kniestrümpfe aus terranischer Seide, und die Schnallenschuhe wurden von Brillanten und Rubinen verziert.

Roi ging nicht aus der Zentrale, er tänzelte hinaus. Sein Leibwächter folgte ihm auf dem Fuße.

Oro Masut, ein gigantisch gebauter Ertruser mit blaurot vernarbtem Gesicht und Oberkörper, glich einem Ungeheuer in Menschengestalt. Wenn Oro lachte, wurden starke Männer blass.

Danton blieb hinter dem Panzerschott stehen und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn.

»Das ist aber gar nicht vornehm«, grinste der Ertruser. »Wollen Sie dem Kreuzerkommandanten noch länger auf die Nerven gehen, oder ...!«

Danton unterbrach den Riesen durch eine Handbewegung. Sein Gesicht wirkte etwas abgespannt. Er verzichtete auf seine Maskerade.

»Rede nicht, Großer. Wir sitzen in der Falle. Unser Gigafeuer ist bemerkt worden.«

»Es gab keine andere Möglichkeit, die Blues zu verjagen. Wenn der Kreuzer noch zwei Treffer erhalten hätte, wäre er zerplatzt.«

»Du sagst es, Großer. Das mit anzusehen, brachte ich nicht übers Herz. Dennoch wird man im Imperium sehr hellhörig werden. Freifahrer mit Transformkanonen darf es nicht geben. Kümmere dich um die Tarnung der Geschütze. Wir haben eine peinliche Inspektion zu erwarten.«

Der Ertruser kniff die Augen zusammen.

»Inspektion? Durch wen? Wir nehmen die Überlebenden mit und schleusen sie später auf einem bewohnten Planeten aus. Ganz einfach.«

Roi seufzte und setzte sich wieder den Dreispitz auf.

»Bewahre dein kindliches Gemüt. Ehe wir unser Beiboot an Bord haben, dürften etliche Superschiffe der USO auf der Bildfläche erscheinen. Man hat die Notrufe der KOBE gehört, jedoch nicht geantwortet, um die Blues nicht zu einer Steigerung ihres Feuers zu bewegen. Wir ...!«

Die Alarmsirenen begannen zu heulen. Der Ertruser fluchte. Roi fuhr ungerührt fort:

»Das sind sie schon, Großer. Verschwinde. Die Tarnung muss erstklassig sein. Wer weiß, wer zu uns an Bord kommt.«

Oro Masut verschwand mit weiten Sprüngen. Roi schritt rasch den Rundgang entlang, stieg eine Treppe aus dunklem Edelholz hinunter und presste die Handflächen gegen das Impulsschloss seiner Kabinensuite.

 

Edelmann Tusin Randta hielt es für ratsam, die plötzlich aufgetauchten und mit hoher Fahrt aufschließenden Raumer anzurufen, ehe in ihnen jemand eventuell auf die irrige Idee kam, das von Randta kommandierte Beiboot könne die Ursache für die Notrufe der KOBE sein.

Tusin Randta fungierte an Bord der FRANCIS DRAKE als Dritter kosmonautischer Offizier. Er hatte von Roi Danton den Befehl erhalten, die Überlebenden des Kreuzers zu bergen. Dies war mittlerweile geschehen.

Die fünfundvierzig erschöpften Männer, deren Gesichter von den Ereignissen gezeichnet waren, hielten sich in der Zentrale des Sechzig-Meter-Bootes auf. Es glich einer terranischen Korvette, verfügte jedoch zusätzlich über einige Laderäume, da diese Boote von den Freihändlern zusammen mit den Mutterschiffen als Handelsfahrzeuge eingesetzt wurden.

Die Funkstation war der Zentrale direkt angegliedert. Major Akanura stand neben Tusin Randta und beobachtete dessen Schaltungen.

»Haben Sie plötzlich Platzangst?«, erkundigte sich der Terraner anzüglich. »Acht Ultraschlachtschiffe der USO sind ein beunruhigender Anblick, wie?«

»Spotten Sie nicht«, bat der Freifahrer. »Wenn der Chef des Verbandes zu den nervösen Typen gehört, erleben Sie einen zweiten Feuerüberfall. Bitte, bestätigen Sie sofort meine Aussagen.«

Der Funker rief die acht näherkommenden Riesenschiffe auf der gebräuchlichen Hyperfrequenz an. Die Verbindung gelang sofort. Man schien drüben auf einen Anruf gewartet zu haben.

Tusin Randta zog das Mikrophon vor die Lippen und wendete sein Gesicht der Bildaufnahme zu.

»Edelmann Randta, Dritter Offizier des Freifahrerschiffes FRANCIS DRAKE unter Kommandant Roi Danton, ruft Flaggschiff USO-Verband. Bitte melden.«

Es knackte in den Lautsprechern. Akanura lachte. Er stellte sich im Geiste vor, wie man drüben auf den Begriff »Edelmann« reagierte. Wahrscheinlich bekam jetzt irgendein Kommandant einen Tobsuchtsanfall.

Eine Stimme dröhnte.

»Flaggschiff IMPERATOR III an diesen – an diesen Offizier. Was wollen Sie sein? Ein Edelmann? Wer ist Ihr Chef?«

Randta ließ sich nicht beeindrucken.

»König Danton, IMPERATOR, genannt Roi Danton.«

»Der Teufel soll ihn stückweise holen.«

»Seien Sie nicht ungerecht. Wir haben Ihre KOBE aus dem Feuerhagel von elf Bluesschlachtschiffen herausgeholt. Ich habe fünfundvierzig überlebende Terraner an Bord. Das große Schiff, das Sie in Ihrem Grünsektor sehen, ist die FRANCIS DRAKE. Die Blues sind geflohen. Das wollte ich Ihnen nur vorsichtshalber mitteilen. Major Akanura, der Kommandant des Kreuzers, steht neben mir.«

»Sie werden es nicht glauben, Edelmann – wir haben ihn bereits bemerkt. Bleiben Sie am Gerät. Ich schalte um zu Lordadmiral Atlan.«

Tusin Randta wurde blass. Atlan!

»Auch das noch«, meinte er stockend. »Welcher Ungeist hat Roi geraten, Ihr Wrack vor dem Untergang zu bewahren? Wissen Sie, was uns jetzt blüht?«

Er schaute Akanura an. Der Major wurde ernst. Er verstand die Frage sehr gut. Der Freifahrer dachte an die Transformkanonen.