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Nr. 48

 

Ovaron

 

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

Nach wie vor droht die Vernichtung der solaren Menschheit durch den Todessatelliten, der unangreifbar in der Sonne schwebt. Um den Untergang zu verhindern, reist Perry Rhodan mit seinen Gefährten 200.000 Jahre in die Vergangenheit. Sein Ziel: die Installierung des Satelliten ungeschehen zu machen.

 

Dazu benötigt er allerdings die Mithilfe des Supermutanten Ribald Corello. Bisher galt dieser als Menschheitsfeind Nummer eins – es ist nicht einfach, einen solchen Mann zu überzeugen, sich für Terra einzusetzen.

 

Doch die Expedition in die Vergangenheit des Solsystems kommt zustande, und die Zeitreisenden erleben unglaubliche Abenteuer. Perry Rhodan trifft auf einen menschenähnlichen Außerirdischen, den Cappin Ovaron, aber ebenso auf eine faszinierende junge Frau und einen Mutanten, der wie eine Mischung aus Pferd und Mensch aussieht. Ovaron scheint die wichtigste Person zu sein: Er kämpft im Auftrag einer unbekannten Macht gegen die verbrecherischen Bioexperimente seiner Artgenossen ...

Vorwort

 

 

Die PERRY RHODAN-Heftserie erlebte beim Cappin-Zyklus einen schweren Einbruch. Die Verkaufszahlen sanken, die Lesermeinungen waren teilweise niederschmetternd. Ich selbst hatte eine solche Meinung ganz einfach deswegen bisher nicht, weil ich vor einem runden Vierteljahrhundert bei PR ausstieg und erst im Schwarmzyklus wieder vom Rhodan-Virus gepackt wurde.

Jetzt, nachdem ich die Arbeit am PR-Buch 48 abgeschlossen habe, verstehe ich die Reaktion der Leser von damals. Die Fehler in Logik und Diktion, die Nachlässigkeiten, die kleinen und großen »Vertuer« von damals würden heute, so hart das klingen mag, für jeden Autor und Bearbeiter bedeuten, dass er sich besser nach einem neuen Job umsehen sollte. Da siezen sich in einem Roman die gleichen Personen, die sich im nächsten Band duzen. Da werden Zeitangaben durcheinandergewürfelt. Da wird hier etwas groß angekündigt, wovon zwei Bände später nie die Rede gewesen ist. Da leben zweihunderttausend Jahre vor unserer Zeit Säbelzahntiger (!) und Saurier (!!) auf der Erde. Und da hat unser Perry Rhodan einen Symbionten, der ihm umhängt wie eine Glitzerstola und die telepathischen Kräfte verstärkt, die ihm nur in der Frühzeit der Serie und nur von bestimmten Autoren angedichtet worden waren. (Dies für die Leser, die das Wesen »Whisper« vermissen: Whisper wurde vorerst auf Eis gelegt.)

Ich habe mich, manchmal der Telefonnummer 112 nahe, wirklich bemüht, wenigstens die gröbsten Ungereimtheiten auszumerzen und aus dem eigentlich guten Stoff ein Buch zu machen, das man gut und mit Spannung lesen kann. Und ich denke, ich darf hier auch einmal meinen Frust ablassen, wo der Dank an die Autoren der Originalromane schon obligatorisch ist. Als aktueller Autor der Serie muss ich manchmal die Zähne zusammenbeißen, wenn ich Kritik vom Verlag bekomme und auch schon einmal Passagen umschreiben muss. Nach der Bearbeitung der jetzt aufgeführten Romane bin ich allerdings dankbar dafür.

Diese Romane sind, ungeachtet der Kürzungen und mit den Heftnummern in Klammern versehen: Das Erbe des Ertrusers (434), Schirmherr der Zeit (437) und Zwischen Mars und Jupiter (441) von H. G. Ewers; Das Drei-Planeten-Spiel (435) und Der Ring des Verderbens (440) von Hans Kneifel; Im Jahr der Cappins (438) und Die Bestien von Zeut (442) von William Voltz; SCHALTZENTRALE OVARON (439) von Clark Darlton.

 

Ich bedanke mich bei allen Leser/innen, die die PR-Buchausgabe mit sachlicher Kritik begleiten und schon viele wertvolle Anregungen zur Weitergestaltung gegeben haben. Besonderer Dank gilt wieder einmal dem PRC UNIVERSUM (Kontaktadresse: Hans-Dieter Schabacker, Limbacher Str. 24, 66839 Schmelz), dessen Kompendium »PERRY RHODAN-Zeitraffer« die Arbeit an den Büchern wesentlich überschaubarer macht.

 

Bergheim, im Frühjahr 1994

Horst Hoffmann

Zeittafel

 

 

1971 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest.

1972 – Mit Hilfe der arkonidischen Technik Aufbau der Dritten Macht und Einigung der Menschheit.

1976 – Das Geistwesen ES gewährt Perry Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit.

1984 – Galaktische Großmächte (Springer, Aras, Arkoniden, Akonen) versuchen, die aufstrebende Menschheit zu unterwerfen.

2040 – Das Solare Imperium ist entstanden und stellt einen galaktischen Wirtschafts- und Machtfaktor ersten Ranges dar.

2326–2328 – Gefahr durch die Hornschrecken und die Schreckwürmer. Kampf gegen die Blues.

2400–2406 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda; Abwehr von Invasionsversuchen von dort und Befreiung der Andromeda-Völker vom Terrorregime der Meister der Insel.

2435–2437 – Der Riesenroboter OLD MAN bedroht die Galaxis, und die Zweitkonditionierten erscheinen mit ihren Dolans, um die Menschheit für angebliche Zeitverbrechen zu bestrafen. Perry Rhodan wird in die ferne Galaxis M 87 verschlagen. Nach seiner Rückkehr Sieg über die Erste Schwingungsmacht, die Uleb.

3430–3434 – In den vergangenen rund 1000 Jahren hat sich die Menschheit zersplittert. Um einen Bruderkrieg zu verhindern, lässt Perry Rhodan das Solsystem um fünf Minuten in die Zukunft versetzen. Neue Bedrohungen tauchen auf und können zum Teil eliminiert werden. Es bleiben vor allem der Supermutant Ribald Corello und der in der Sonne stationierte Todessatellit, der Sol in eine Nova zu verwandeln droht. Perry Rhodan will 200.000 Jahre in die Vergangenheit reisen, um die Installation zu verhindern.

Prolog

 

 

Seit dem Tag, an dem Perry Rhodan das gesamte Solsystem um exakt fünf Minuten in die Zukunft versetzen ließ, sind über drei Jahre vergangen. Das Heimatsystem der Menschheit, von den Eingeweihten auch als »Ghost-System« bezeichnet, existiert für die gegnerischen galaktischen Mächte nicht mehr – jedenfalls nicht in ihrer Zeitebene. Inzwischen weiß man dort, dass Perry Rhodan noch lebt, und vermutet ein gut getarntes Versteck der solaren Menschheit. Von der Wahrheit sind die Machthaber jedoch noch weit entfernt.

Dass das Solsystem nicht völlig isoliert ist, ist vor allem Anson Argyris zu verdanken, einem Vario-500-Roboter in der Maske des »Kaisers« des Freihandelsplaneten Olymp. Argyris präsentiert sich der Galaxis als legitimer Nachfolger Perry Rhodans und organisiert über die Temporalschleuse und Transmitterstraße die geheime Versorgung des Solsystems mit Gütern aller Art.

Perry Rhodan nimmt also weiterhin rege am galaktischen Geschehen teil. Und dies ist auch nötig, denn die Bewohner der Milchstraße haben immer noch unter den Attacken des offenbar wahnsinnigen Supermutanten Ribald Corello zu leiden, der ganze Welten versklavt. Corello, so weiß man inzwischen, ist der Sohn des beim Amoklauf der Mutanten im Jahr 2909 umgekommenen Kitai Ishibashi und des Anti-Mädchens Gevoreny Tatstun. Er glaubte von Anfang an nicht an Rhodans Tod und verfolgt mit unstillbarem Hass sein Ziel, das Solsystem und Rhodan zu finden und zu vernichten.

Die antimateriellen Accalauries, die ebenfalls für große Aufregung sorgten, kehren im Herbst 3432 in ihren Kosmos zurück, nachdem einer ihrer Forscher den in der Sonne aktiv gewordenen Todessatelliten entdeckt hat. Seither lebt die solare Menschheit unter der tödlichen Bedrohung durch den Satelliten, den die Cappins vor rund zweihunderttausend Jahren in der Sonnenatmosphäre installiert haben. Diese Fremden, so erinnert sich der Pseudo-Neandertaler Lord Zwiebus, kamen damals auf die Erde, um mit Menschen zu experimentieren. Er sagt auch aus, dass sie durch ihre Fähigkeit der »Pedotransferierung« Menschen geistig übernehmen können. Dies bestätigt sich bald darauf auf dramatische Weise, als eine Gruppe von Cappins bei einem Experiment in den Todessatelliten verschlagen wird und erst nach vielen Missverständnissen bereit ist, Perry Rhodan zu vertrauen und ihm wertvolle Informationen für den zweiten Versuch zu geben, in die Vergangenheit zu reisen und dort die Entstehung des Satelliten zu verhindern. Der erste Versuch mit dem so genannten Nullzeit-Deformator scheiterte an einem Widerstand, der – so hofft Rhodan – nun ausgeschaltet werden kann.

Um das theoretische Wissen der Cappins, die durch eine Sicherheitsschaltung des Sonnensatelliten getötet werden, in der Praxis anwenden zu können, braucht man allerdings das Element Sextagonium in stabilisierter Form – und das kann nur durch die Mithilfe des bisherigen Menschheitsfeindes Nummer eins, Ribald Corello, erreicht werden ...

1.

 

Januar 3434

 

 

Der unregelmäßige Kugelsternhaufen, Lasztman-Ballung genannt, lag nach dem Passieren des staubfreien Durststrecken-Schlauches neunundvierzig Lichtjahre hinter den drei Kugelschiffen.

Sie durchquerten den intergalaktischen Raum: zwei Schiffe mit einem Durchmesser von je 2500 Metern und eines mit 800 Metern Durchmesser. Die beiden großen Kugeln waren Supergiganten der GALAXIS-Klasse, Ultraschlachtschiffe des Solaren Imperiums: die INTERSOLAR, das Flaggschiff Perry Rhodans – und Staatsmarschall Bulls Flaggschiff.

Das dritte Raumschiff gehörte nicht zur Flotte des Imperiums. Jeder Nichteingeweihte hätte es als infame Lüge zurückgewiesen, wäre ihm berichtet worden, dass dieses Fahrzeug im Verband mit den wichtigsten Flaggschiffen der solaren Menschheit flöge.

Denn der Achthundert-Meter-Raumer gehörte Tipa Riordan, der Chefin der Galaktischen Piraten.

Tipa Riordan, Perry Rhodan und Reginald Bull kehrten von einem Unternehmen zurück, das sie gemeinsam geplant und koordiniert ausgeführt hatten.

Ein Unternehmen, bei dem es darum gegangen war, einen Menschen zu rauben.

Ein Ungeheuer.

Ribald Corello – den Supermutanten! Jenes Monstrum, das mit seinen unvorstellbaren parapsychischen Mitteln sowohl der solaren als auch der extrasolaren Menschheit schon viel Schaden zugefügt hatte, das zahllose Lebewesen versklavt und viele gemordet hatte.

An diesem 8. Januar 3434 jedoch lag der Mensch mit dem Rumpf eines Kleinkindes und dem Schädel eines Giganten mit verkrampften Gliedmaßen in dem umgebauten Inkubator für Großtier-Frühgeburten an Bord der INTERSOLAR.

Eine Unmenge von Geräten maß die physischen und psychischen Vorgänge, Aggregate sorgten für eine gleichbleibende Temperatur von 37 Grad Celsius, für Luftzufuhr, Luftumwälzung und Luftregenerierung sowie eine dem mutierten Metabolismus angepasste Zufuhr von Nährstoffen, Vitaminen, Spurenelementen und Flüssigkeit.

Drei andere Lebewesen beobachteten den Supermutanten aufmerksam durch die transparenten Wände des Inkubators. Sie hielten ihre Paralysatoren schussbereit, denn trotz seiner merkwürdigen Starre war Ribald Corello noch immer eine tödliche Gefahr für Rhodans Flaggschiff. Wenn er erwachte und es ihm gelang, sich zu konzentrieren, konnte er die Besatzung der INTERSOLAR innerhalb von Sekunden in seine geistige Gewalt bringen und sie veranlassen, Perry Rhodan, Atlan und die übrigen Unbeeinflussbaren zu töten.

Der Mausbiber Gucky saß in einem für Menschen gebauten Sessel, der ihn nun besonders klein erscheinen ließ. Ohne großen Appetit knabberte er an einer frischen Mohrrübe aus den hydroponischen Gärten des Schiffes. Auf der Lehne des Sessels lag die Waffe.

Fellmer Lloyd, der Orter und Telepath, saß ebenfalls in einem Sessel. Die Füße hatte er auf einen niedrigen Tisch vor sich gelegt. Seine Augen waren geschlossen, und es sah so aus, als schliefe er. In Wirklichkeit aber kontrollierte er Corellos geistige Impulse.

Die dritte Person war der Teleporter Ras Tschubai. Der Afroterraner trank bereits die sechste Tasse Kaffee, um sich wach zu halten. Er konnte zwar Corellos Geist nicht kontrollieren, doch er war wie seine beiden Kollegen gefeit gegen psionische Angriffe des Supermutanten.

Ein Laut, hoch und unartikuliert wie das Weinen eines Säuglings, erscholl aus den Lautsprechern der Tonübertragung. Die drei Wächter beugten sich alarmiert vor.

Ribald Corello krümmte sich zusammen. Seine winzigen Hände fuchtelten ziellos herum. Der einundfünfzig Zentimeter durchmessende Schädel hob sich um einige Zentimeter. Die daumendicken bläulichen Adern schwollen unter der dünnen rotbraunen Kopfhaut gefährlich an. Dann fiel der monströse Kopf auf das Thermo-Polster zurück.

Ein Instrument summte warnend.

Tschubai stand auf und ging zu der Anzeigetafel am Sockel des Inkubators.

»Einundvierzig Grad überschritten«, teilte er beunruhigt fest. »Das ist schon zum dritten Mal an diesem Tag. Wenn das so weitergeht, stirbt Corello vor unseren Augen.«

»Was kein Verlust für die Menschheit wäre«, sagte Lloyd.

»Vielleicht doch!«, protestierte Gucky. »Ohne seine Hilfe dauert es Jahre, bevor wir auf technischem Wege stabilisiertes Sextagonium für den Dakkar-Tastresonator herstellen können. Eine psionische Stabilisierung des Minerals dagegen wäre eine Sache von höchstens wenigen Stunden.«

»Trotzdem«, beharrte Lloyd. »Er ist ein Scheusal und ...«

Von weiteren abfälligen Bemerkungen hielt ihn Ribald Corello ab. Der Supermutant lachte plötzlich hysterisch. Dann murmelte er einige unverständliche Worte vor sich hin. Speichel trat ihm vor den Mund.

Gucky watschelte besorgt zum Inkubator.

Corello öffnete die Augen, blickte mit dem irrlichternden Blick eines Wahnsinnigen um sich und schrie:

»Mutter!«

Dann verfiel er wieder in seine eigentümliche Starre.

Der Ilt seufzte. Sein Blick fiel auf den Paralysator. Schweigend, mit hängenden Schultern kehrte Gucky an seinen Platz zurück und verfiel in dumpfes Brüten.

Ras Tschubai schnäuzte sich laut. Er zog die Beine an und blickte angestrengt zwischen den Knien hindurch auf den Boden.

Auch Lloyd fühlte sich seltsam berührt. Wie die beiden anderen Mutanten musste er an die Szene denken, die ihm geschildert worden war: die rätselhafte Belebung der toten und energetisch konservierten Mutter Ribalds durch Alaska Saedelaeres Cappin-Fragment – und ihr jäher Tod und Zerfall. Ribald Corello war seiner Meinung nach noch immer ein Ungeheuer – doch die Reaktion auf den endgültigen Tod seiner Mutter war die eines Menschen gewesen ...

 

Ein anderer Raum in der INTERSOLAR: die Kommandozentrale mit ihren vielfältigen gedämpften Geräuschen, den huschenden Lichtern zahlloser Kontrollen, dem Raunen aus den Interkomlautsprechern und dem Wispern des Bordgehirns, das durch eine Sonderverbindung indirekt an der Besprechung teilnahm.

Perry Rhodan sprach leise mit dem Chef der Ortungszentrale, Major Kusumi. Die Auskunft schien ihn zu erfreuen, denn er beendete das Gespräch mit einem zufriedenen Lächeln.

Dann wandte er sich seinen Gesprächspartnern am Kartentisch zu. Atlan mit vor der Brust verschränkten Armen und ausdruckslosem Gesicht. Reginald Bull mit dem scheinbar jungenhaften Gesichtsausdruck – und Tipa Riordan, die lederhäutige, klapperdürre Chefin der Galaktischen Piraten.

Tipa betrachtete den Terraner forschend.

»Nun, mein Junge, gute Nachrichten?«

Rhodan nickte.

»Wir treffen in anderthalb Stunden mit der 196. Abwehrflotte zusammen. Fünfhundert Großkampfschiffe und zehn große Lazarettschiffe unter General Tentasy. – Bully, ich habe eine Bitte an dich. Würdest du den Oberbefehl über die Hundertsechsundneunzigste übernehmen und sie sicher durch die Durststrecke der Lasztman-Ballung führen?«

»Papperlapapp!«, fuhr die Piratin dazwischen. »Seit wann fragt ein Großadministrator des Solaren Imperiums, anstatt zu befehlen?«

Atlan musterte Tipa unter halbgeschlossenen Lidern voller Verachtung.

»Mische dich nicht in unsere Angelegenheiten, Giftnatter!«, fuhr er sie an.

»Maul halten, Beuteterraner!«, gab die Piratin zurück. »Wenn ich mich nicht in ›eure‹ Angelegenheiten gemischt hätte, liefe Corello immer noch frei herum.«

Sie drohte dem Arkoniden mit ihrem hydraulisch gefederten Spezialstock. Zwischen ihr und Atlan herrschte noch immer die alte Hassfreundschaft, die seit über fünfhundert Jahren bestand.

»Bitte«, sagte Perry Rhodan. »Bleiben wir doch sachlich. – Also, Bully?«

»Einverstanden, Perry.« Rhodans Freund und Stellvertreter nickte und zwinkerte der alten Piratin heimlich zu. »Ich nehme an, dir liegt das Schicksal der Menschen des Targo-Systems am Herzen?«

»So ist es. Diese bedauernswerten Marionetten sind subjektiv völlig unschuldig an den Verbrechen, die ihr Meister begangen hat oder zu denen er sie zwang. Als wir ihnen Corello wegnahmen, verurteilten wir sie zur Hilflosigkeit. Folglich sind wir moralisch verpflichtet, sie zu beschützen, vor allem aber dafür zu sorgen, dass sie medizinisch und psychologisch behandelt werden.«

»So ist es recht, mein lieber Junge«, fiel Tipa ein. Sie massierte sich den schmalen Rücken ihrer Geiernase. »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.«

»Soweit wäre alles klar«, fuhr Rhodan fort. »Ich werde mit der INTERSOLAR Kurs auf Last Hope nehmen. Dort wird sich herausstellen, inwieweit Corello uns helfen kann. – Und du, ›Tante‹ Tipa?«

Tipa Riordan stemmte sich mit Hilfe ihres Stockes hoch.

»Ich werde euch verlassen. Eine Menge Arbeit wartet auf mich.« Sie blickte Rhodan mit der Zärtlichkeit einer Mutter an, die stolz auf ihren Sohn ist. »Und du, mein lieber Junge, sei vorsichtig. Corello wird immer eine Gefahr für die Menschheit darstellen. Er ist wie eine Bombe, die bei der geringsten Unvorsichtigkeit hochgehen kann.«

»Ich werde aufpassen, Tante Tipa«, erwiderte Rhodan.

Tipa verzog ihr runzliges Gesicht.

»Auf Wiedersehen, mein Junge. Auf Wiedersehen, Dicker ...«, sie sah Bully an, »... und auf Wiedersehen, Beuteterraner.«

»Ab durch den Schornstein, Kräuterhexe«, sagte Atlan.

Die Piratin erstarrte.

»Schornstein ...?«

Sie drohte dem Lordadmiral wütend mit dem Stock, dann durchquerte sie mit seiner Hilfe die geräumige Kommandozentrale mit drei großen Sprüngen. Zwei sehr höfliche und sehr wachsame Sicherheitsoffiziere begleiteten Tipa Riordan zum Haupttransmitter, mit dem sie zu ihrem Flaggschiff, der nur vierhundert Kilometer entfernten DREADFUL, zurückkehrte.

Reginald Bull erhob sich.

»Tja, Perry, dann werde ich in die Funkzentrale gehen und Oberst Bhaleme anrufen, damit er über den neuen Auftrag informiert ist.«

Als er gegangen war, lehnte Perry Rhodan sich zurück und schloss die Augen.

Er grübelte darüber nach, was geschähe, wenn der die Sonne umkreisende Todessatellit erneut mit der Anheizung eines Nova-Prozesses beginnen würde. Ihm war völlig klar, dass die solare Menschheit nur eine Atempause erhalten hatte. Doch die Ferntötung der Cappins hatte gezeigt, dass der Satellit trotz aller Zerstörungen durch die Cappins noch funktionsfähig war. Sobald die Reparaturen beendet waren, würde er getreu seiner Programmierung seine tödliche Tätigkeit wiederaufnehmen.

Und die technische Herstellung stabilen Sextagoniums war ein völliger Fehlschlag gewesen. Eines Tages würde man es auf technischem Wege herstellen können, aber nicht einmal NATHAN, die lunare Positronik, vermochte den ungefähren Zeitpunkt vorauszusagen. Corellos Psi-Fähigkeiten stellten die letzte Hoffnung dar. Ohne ihn würde es keinen funktionsfähigen Dakkar-Tastresonator geben, ohne den Tastresonator keine Zeitreise um zweihunderttausend Jahre zurück – und ohne die Überwindung dieser Zeitspanne keine Möglichkeit, die Installierung des Todessatelliten zu verhindern.

Ein teuflischer Kreis.

Er schrak auf, als der Summer des Interkommelders ertönte. Major Donald Freyer, Chef der Funkzentrale, meldete sich.

»Soeben ging über Hyperfunk eine Nachricht aus dem Ghost-System über Relais Olymp ein, Sir. Soll ich sie Ihnen vorlesen?«

Rhodan schrak zusammen. Auch Atlan zeigte eine ähnliche Reaktion.

Zögernd erwiderte Perry:

»Lesen Sie vor, Major Freyer!«

Der Cheffunker nickte und blickte nach unten.

»Solarmarschall Deighton an Großadministrator. Terrania, am 8. 1. 3434 Standardzeit. Über Hauptrelais Olymp und Permanentrelais zur INTERSOLAR.

Gestern, 18.30 Uhr StZ, und heute, 5.21 StZ, ungewöhnlich heftige Ausbrüche auf Sonne beobachtet. Astrophysiker und Astronomen sind sich nicht einig, ob natürlichen oder künstlichen Ursprungs. Moral der solaren Bevölkerung unverändert, aber bereits wieder Ansteigen von Erkrankungen mit psychischen Ursachen. Belastung wächst. Empfehle dringend Vorverlegung des psionischen Experiments ...«

Freyer räusperte sich.

»Soll ich Ihre Antwort aufnehmen, Sir?«

»Nein, danke«, antwortete Perry müde. »Noch gibt es keine Antwort. Danke, Major.«

Er schaltete den Interkom ab und drehte sich mitsamt seinem Kontursessel um, als er Schritte hinter sich hörte.

Professor Dr. Serenti.

Rhodan wurde blass, als er das ernste Gesicht des Chefinternisten sah. Aus ihm ließ sich unschwer erkennen, dass Serenti keine guten Nachrichten brachte.

»Nehmen Sie bitte Platz, Professor!«, sagte Rhodan.

Khomo Serenti kam der Aufforderung nach und setzte sich zwischen Atlan und den Terraner.

Der Arkonide betätigte die Servoautomatik neben seinem Platz und ließ drei Tassen Kaffee kommen.

»Trinken Sie, Professor«, sagte er lächelnd. »Ich sehe, Sie können es gebrauchen – und du auch, Perry.«

Die beiden Männer griffen dankbar nach ihren Tassen. Sie gaben sich sichtlich gelockerter.

Rhodan forderte den Internisten auf, ihm zu berichten.

Professor Serenti schilderte Ribald Corellos Zustand, die Starre, die ab und zu von Fieberphantasien und Schreien unterbrochen wurde, sowie das neuerliche Ansteigen des Fiebers.

»Ich halte den Zustand des Patienten für kritisch«, schloss er. »Professor Katzenbach, meine Kollegin, versucht es mit allgemeiner Intensivierung der vitalkybernetischen Körperfunktionen durch mechanische Reizung. Ich kann nur hoffen, dass sie damit Erfolg hat, Sir.«

»Wie ist es mit einer Kombination von paramechanischer und psychoenergetischer Behandlung, Professor?«, warf Atlan ein.

Serenti sah ihn aufmerksam an.

»Davon würde ich mir tatsächlich einen gewissen Erfolg versprechen – aber leider, Lordadmiral, haben wir auf der INTERSOLAR weder die notwendigen Einrichtungen noch die Spezialisten dazu.«

»Ich verstehe«, erwiderte Perry Rhodan. »Vielen Dank, Professor. Sobald wir die 196. Abwehrflotte passiert haben, komme ich und sehe mir Corello an.«

Atlan sah dem Kosmomediziner, der sie verließ, in Gedanken versunken nach.

»Du weißt, Perry, was Serenti indirekt angedeutet hat ...«, sagte er nach einigen Minuten des Schweigens.

Rhodans Lippen wurden schmal.

»Natürlich weiß ich das!«, entgegnete er heftig. »Aber ich gebe die Hoffnung noch nicht auf. Jeder verlorene Tag kann für das Solsystem den Untergang bedeuten.«

Er stand auf.

»Ich gehe jetzt in die Funkzentrale. In wenigen Minuten müssten wir Kontakt zur Hundertsechsundneunzigsten bekommen.«

Er war innerlich so aufgewühlt, dass er weder nach rechts noch nach links sah, als er die Zentrale durchquerte.

Falls Deightons Nachricht den Beginn einer neuen Aufheizungsphase der Sonne ankündigte, waren vielleicht alle bisherigen und noch vor ihnen liegenden Anstrengungen schon jetzt zur Nutzlosigkeit verurteilt.

Was sollte mit den fünfundzwanzig Milliarden Menschen im Ghost-System geschehen? Evakuieren ...?

Wohin ...?

»Nein!«, sagte er zornig.

Im nächsten Moment packte ihn jemand am Arm.

»Hallo, Perry!«, sagte Reginald Bull erschrocken. »Jetzt wärst du beinahe gegen die Wand gelaufen. Was ist los mit dir, dass du nicht einmal mehr ein simples Panzerschott findest?«

Perry fuhr sich mit der Hand über die Augen, als könnte er dadurch die düsteren Schatten vertreiben, die vor der Zukunft der solaren Menschheit lagen.

»Niemals die Hoffnung verlieren, Perry«, sagte Bully leise. »Mein Gott! Wie oft hast du das in kritischen Situationen zu mir gesagt! Und sehr oft – viel zu oft – sah es verdammt kritisch für die Menschheit aus.«

Rhodan riss sich zusammen.

»Danke, Bully. Ja, es sah sehr oft hoffnungslos aus.« Er holte tief Luft. »Nun, wir werden es auch diesmal schaffen. Kommst du gleich mit in die Funkzentrale? Ich möchte General Tentasy sprechen, sobald wir Verbindung mit ihm bekommen.«

Gemeinsam gingen sie weiter. Als sie in der Funkzentrale anlangten, war Perry Rhodan nichts mehr von seinen quälenden Sorgen anzumerken.

Zehn Minuten später verließ die INTERSOLAR den Linearraum und kehrte ins Einstein-Kontinuum zurück. Beinahe im gleichen Augenblick fiel genau nach Plan die 196. Abwehrflotte wieder in den Normalraum. Sie raste mit vierzig Prozent LG auf die INTERSOLAR zu und war noch achtzehn Lichtminuten von ihr entfernt. Sowohl sie als auch Rhodans Flaggschiff bremsten mit mittleren Werten ab.

»Hyperkomverbindung mit der PANATREIRA, Sir!«, meldete Major Donald Freyer.

Perry Rhodan setzte sich vor den 3-D-Schirm des Hyperkoms. Dort war das Gesicht des Cheffunkers der PANATREIRA zu sehen, dann verschwand es und machte dem breitflächigen Gesicht von General Ron Tentasy Platz.

Rhodan gab seine Instruktionen.

»Sobald wir auf gleicher Höhe sind, wird das Flaggschiff des Staatsmarschalls sich neben die PANATREIRA setzen, General«, schloss er. »Der Staatsmarschall übernimmt den Oberbefehl über Sie und Ihre Flotte. Er kennt den Weg zum Targo-System und die Zustände auf dem Planeten Gevonia. Sie werden vor allem Ihre zehn Lazarettschiffe einsetzen müssen, um den bedauernswerten Marionetten Ribald Corellos zu helfen. Außerdem muss das gewaltige Vermögen des Supermutanten konfisziert werden. Vorläufig wird es vom Solaren Imperium verwaltet und später an die Geschädigten zurückgegeben.«

Er überlegte einen Moment und fragte dann:

»Konnten Sie meine Anforderung noch erfüllen, General?«

Ron Tentasy zeigte ein gequältes Lächeln.

»Jawohl, Sir. Major Pasha Basalok befindet sich an Bord der PANATREIRA.«

»Pasha Basalok ...«, wiederholte Perry. »Da muss ein Missverständnis vorliegen. Oder war Major Patulli Lokoshan nicht zu erreichen?«

»Doch«, erwiderte der General trocken. »Es ist nur so ...«, jemand reichte ihm einen Zettel, »... dass weder Patulli Lokoshan noch Pasha Basalok der vollständige Name des Kamashiten ist. Genau heißt er Patulli Shangrinonskowje Batulatschino Sagrimat Lokoshan. Ich gebe ihn gern an Sie weiter, Sir.«

Bully begann zu grinsen, doch Perry stieß dem Freund in die Rippen.

»Danke für die Aufklärung, General«, entgegnete er ironisch. »Bitte, senden Sie ihn während des Vorbeiflugs per Transmitter zur INTERSOLAR. Ah, Bull möchte Sie noch sprechen!«

Er machte Bully Platz.

Die beiden Männer begrüßten sich, dann befahl Bully:

»Ich halte es für erforderlich, noch während des Anfluges zur Lasztman-Ballung einige Dinge mit Ihnen zu besprechen. Deshalb gebe ich Ihnen jetzt folgende Koordinaten für Ihren Verband. Haben Sie auf Speicherung geschaltet? – Gut!«

Nachdem er die Daten durchgegeben hatte, fuhr er fort:

»Sie kommen bitte per Transmitter an Bord meines Schiffes, sobald wir Kurs und Geschwindigkeit angeglichen haben. Ihr Erster kann den Befehl übernehmen und die Flotte nach meinen Anweisungen in den Linearraum bringen. Dadurch verlieren wir nicht unnötig Zeit und können alle notwendigen Maßnahmen bis zum nächsten Orientierungsaustritt festlegen.«

General Tentasy bestätigte, und der Bildschirm erlosch.

»Perry«, sagte Reginald Bull, »ich gehe jetzt an Bord meines Schiffes. Ich drücke dir die Daumen, dass alles nach Wunsch verläuft. Wir sehen uns ja dann im Solsystem wieder.«

Sie schüttelten sich die Hände, dann ging jeder seiner Wege. Perry Rhodan kehrte in die Kommandozentrale zurück, und Bully begab sich zum großen Bordtransmitter, um sich abstrahlen zu lassen.

Atlan saß nicht mehr am Kartentisch, hatte aber sein positronisches Notizbuch liegengelassen. Perry hob das streichholzschachtelgroße Gerät auf und drückte den Aktivierungsknopf.

»Atlan an Perry«, kam es aus dem winzigen Lautsprecher. »Ich bin bei Corello. Ende.«

Für den Bruchteil einer Sekunde zitterte Rhodans Hand. Atlans Nachricht bedeutete nichts Gutes; er fühlte es. Er schob das Gerät in seine Tasche und fuhr mit dem Lift zur Bordklinik.

Sechs Spezialisten waren um den Inkubator versammelt und diskutierten erregt. Atlan stand unbewegt daneben und hörte aufmerksam zu.

Perry Rhodan trat zum Inkubator und überflog die Kontrollen. Vier Leuchtbildtafeln zeigten Rotwerte. Ribald Corello lag in verkrampfter Hockstellung auf seinem Thermopolster. Die sichtbare Körperoberfläche hatte ihre rotbraune Färbung verloren und wirkte grau und spröde. Die Adern an der kahlen Schädeldecke waren eingesunken, das Blut pulste nur noch träge.

Niemand brauchte Rhodan zu sagen, dass der Zustand des Supermutanten in eine äußerst kritische Phase getreten war.

Professor Dr. Khomo Serenti sah Perry zuerst. Er hob die Hand und bat seine Kollegen um Stillschweigen.

»Sir, der Patient liegt im Koma. Er spricht auf keine Behandlung mehr an. Wir befürchten übereinstimmend, dass dieser Zustand der tiefen Bewusstlosigkeit früher oder später zum Hirntod führen muss. Wir können ihn natürlich künstlich beatmen und das Herz zur weiteren Arbeit anregen, aber Sie wissen selbst, dass wir damit im Falle eines Hirntodes nur einen faktischen Leichnam, den Körper, erhalten würden.«

»Die Ursachen dafür sind meiner Ansicht nach psychologischer und parapsychologischer Natur«, warf Professor Dr. Dietzel ein, ein hervorragender Parapsychologe. »Der furchtbare Schock, seine längst tote Mutter für Minuten wieder zu echtem Leben erwachen zu sehen und ihre Vorwürfe und Informationen zu hören, hat wahrscheinlich zu einem unlösbaren Konflikt mit der so genannten Embryo-Blockade und dem Offensivprogramm geführt.«

Perry nickte.

Er wusste, was der Parapsychologe meinte. Es war das, worauf sich eigentlich alle seine Hoffnungen hinsichtlich Ribald Corellos gegründet hatten. Gevoreny Tatstun, Corellos Mutter, hatte es während ihres kurzen Auflebens erklärt. Die Embryo-Blockade war eine im unfertigen Gehirn des embryonalen Corello angelegte Willensblockade, die der Ausbildung eines freien Willens entgegenwirkte. Ara-Biologen hatten sie im Auftrag der Báalol-Priester auf parapsychischer Basis und mit mechano-mentaler Unterstützung der Antis angelegt.

Das Offensivprogramm war dann nach der Geburt des Supermutanten eingegeben worden. Die Antis selbst hatten es mit parapsychischen Mitteln ins Unterbewusstsein Corellos versenkt. Nach der Reife des Mutanten war es durchgebrochen, da es keinen eigenen freien Willen gab, der ihm entgegenarbeiten konnte. Gevoreny Tatstun hatte nur das Allerschlimmste verhüten können, indem sie ihrem Sohn ihren eigenen Zellaktivator überreichte.

Sonst wäre Ribald Corello längst zu einem unbesiegbaren Ungeheuer geworden, das den Untergang der galaktischen Zivilisation herbeigeführt hätte. Mit ihren Informationen an Corello hatte Gevoreny, die anfänglich aus freiem Willen beim verbrecherischen Komplott der Antimutanten mitgewirkt hatte, einen Teil ihrer Schuld abgetragen. Aber nun sah es so aus, als sollte der zwischen der Erkenntnis, dem Embryo-Block und dem Offensivprogramm tobende Widerstreit die Lebenskraft des Supermutanten eliminieren.

»Was schlagen Sie vor, meine Herren?«, fragte Rhodan sachlich.

Zwei Memokybernetiker betraten den Raum und veränderten das Lebenserhaltungsprogramm des Inkubators. Ein rotes Warnlicht erlosch kurz darauf, wenig später ein zweites. Aber noch blinkten die anderen beiden Leuchtplatten Gefahr.

Khomo Serenti sah Perry Rhodan ernst an.

»Wir müssen darauf verzichten, den Patienten nach Last Hope zu bringen, wie es Ihr ursprünglicher Plan vorsah, Sir. Hier kann nur noch die Paraklinik auf dem USO-Planeten Tahun helfen.«

»Das ist leider unmöglich, Professor«, sagte der Arkonide. »Ich habe Tahun vor zwanzig Tagen wegen des begründeten Verdachts sperren lassen, dass dort eine starke feindliche Spionageorganisation arbeitet. Bringen wir Corello dorthin, erfahren es unsere Gegner wahrscheinlich wenige Stunden später. Es gab da einige technische Raffinessen der Spionagetätigkeit, die wir erst in etwa einem Monat ausschalten können.«

Rhodan nickte. Er kannte die Probleme des Lordadmirals.

»Also fällt Tahun aus, Professor Serenti. Aber wie wäre es mit der neuen Paraklinik auf Mimas? Die letzten Einrichtungen sind vor wenigen Wochen fertiggestellt worden; das wissenschaftliche Personal wurde um dreißig Prozent verstärkt. Meiner Meinung nach leistet die Saturnmond-Klinik jetzt ebensoviel wie die Paraklinik auf Tahun.«

Der Chefinternist der INTERSOLAR zögerte. Offenbar betrachtete er die Mimas-Klinik noch immer als zweitrangig, wie sie es bis vor kurzem gewesen war, nachdem während der Second-Genesis-Krise der Mutanten der erste Saturnmond verwüstet worden war.

Perry jedoch hatte nicht die Absicht, noch länger zu zögern. Sein Entschluss stand fest.

»Bitte setzen Sie sich sofort über Relaiskette mit der Paraklinik auf Mimas in Verbindung!«, befahl er. »Sobald wir uns von der 196. Flotte getrennt haben, werden wir Kurs auf das Ghost-System nehmen. Inzwischen muss alles getan werden, um Corellos Leben zu erhalten. Ich weiß, dass Sie mit unzulänglichen Mitteln arbeiten müssen, aber das werden Sie schaffen. Das Schicksal der solaren Menschheit hängt mit großer Wahrscheinlichkeit davon ab.«

Das war das richtige Wort zur richtigen Zeit!

Die Wissenschaftler erhielten neuen Auftrieb. Professor Serenti eilte davon, um die Mimas-Klinik anzurufen. Die anderen Wissenschaftler fassten Beschlüsse, um das Schlimmste für Ribald Corello zu verhindern.

Menschen gaben ihr Äußerstes, um den Menschenfeind Nummer eins zu retten!

Perry Rhodan und Atlan fuhren erneut zur Zentrale hinauf, wo sich inzwischen Alaska Saedelaere und Icho Tolot am Kartentisch eingefunden hatten.

Rhodan berichtete kurz. Der Haluter stimmte sofort zu. Sein unglaublich schnell arbeitendes Plangehirn beurteilte die Lage richtig. Rhodan hatte das menschenmöglichste getan, um Ribald Corellos Los zu erleichtern.

Nach wenigen Minuten glitten die INTERSOLAR, Reginald Bulls Flaggschiff und die der 196. Flotte vorausgeeilte PANATREIRA in geringem Abstand und mit entgegengesetztem Kurs aneinander vorbei. Das blauschwarze Gesicht von Oberst Nigdan Bhaleme, dem Kommandanten der POSEIDON, erschien auf einem der Übertragungsschirme der Hyperkoms. Bhaleme meldete, dass Staatsmarschall Bull wieder an Bord sei und soeben auch General Tentasy per Transmitter erschienen sei.

Die beiden Schiffe verschwanden nebeneinander in Richtung Lasztman-Ballung. Eine halbe Minute später eilten die Einheiten der 196. Flotte vorüber.

Rhodan befahl Kommandant Korom-Khan, die Position des Ghost-Systems anzusteuern, sobald Professor Serenti mit der Mimas-Klinik gesprochen hatte. Dadurch griff die Hektik nun auch auf die Emotionauten, die Kosmonautischen Offiziere und die Bordpositronik über. Es durfte keine Zeit verloren werden.

Erneut blendete ein Übertragungsschirm auf.

Professor Khomo Serenti sprach – über Zehntausende von Lichtjahren hinweg, über Hauptrelais Olymp und Nebenrelaisketten sowie über den Großhyperkom an der Zeitschwelle zum Ghost-System – mit dem Leiter der Paraklinik auf dem ersten Saturnmond, dem erfahrenen Parapsi-Mechaniker Kiner Thwaites.

Perry Rhodan verfolgte das Gespräch auf zwei Übertragungsschirmen sowohl optisch als auch akustisch.

Thwaites sagte nicht viel. Er versprach nichts, was er nicht halten konnte. Aber er sagte zu, alles für die sofortige Intensivbehandlung des Supermutanten vorzubereiten. Und die INTERSOLAR sollte sich beeilen.

Kaum war das Gespräch beendet, da grollten im Schiffsinnern die mächtigen Reaktoren und Umwandlerbänke auf. Die INTERSOLAR ging auf neuen Kurs, beschleunigte und tauchte zehn Minuten später in den Linearraum ein, wo es keinerlei Geschwindigkeitsbeschränkungen gab – außer denen, die Zeit und Beschleunigungswerte einem Raumschiff auferlegten.

2.

 

 

Sieht man die Galaxis vereinfachend als elliptische Scheibe an, so stieß die INTERSOLAR – vom subjektiven Standpunkt ihrer Besatzung – nach einem langen Linearflug »über« der Galaxis senkrecht auf jene Stelle des Orion-Sektors hinab, wo sich, zehn Stunden Linearflug später, die Koordinaten des Sol- oder Ghost-Systems befinden würden.

Die Koordinaten – aber nicht das Sonnensystem selbst.

Zwar befand es sich – galaktometrisch gesehen – an diesem Punkt, aber nicht innerhalb des normalen Raum-Zeit-Kontinuums. Die letzte Etappe des Fluges würde deshalb nicht durch den Raum, sondern durch die Zeit gehen müssen – fünf Minuten in »Richtung« Zukunft.

Die Atomreaktoren, Waring-Konverter und Triebwerke des Ultraschlachtschiffes arbeiteten mit maximaler Effektivleistung. Ständig wurden die Kurswerte mit den tatsächlichen Werten verglichen, winzige Änderungen von den Positroniken errechnet und von den Kosmonauten durchgeführt.

Dennoch verging den Menschen an Bord, die nicht unmittelbar mit der Steuerung des Schiffes und der Regulierung seiner kaum noch vorstellbaren Energien beschäftigt waren, die Zeit nur quälend langsam.

Nach einer Ruhepause von einer halben Stunde war Perry Rhodan in die Kommandozentrale zurückgekehrt. Er hatte es in seiner Kabinenflucht nicht mehr ausgehalten. Die Furcht vor der Ungewissheit zerrte an seinen Nerven. Dieser Mann konnte kalt und logisch denken und handeln, wenn es die Lage erforderte – und wenn er Handlungsspielraum besaß.

Doch wo gab es den angesichts einer Bedrohung, die sich nicht in direkter Gegenwehr beseitigen ließ?

Und angesichts der Hoffnungen auf Corellos Fähigkeiten, die nun zu schwinden drohten?

Als Lordadmiral Atlan wenige Minuten nach ihm ebenfalls wieder in der Zentrale erschien, musste Perry dennoch lächeln. Sie beide waren in ihrem Denken, Fühlen und Handeln so innig zusammengewachsen, dass sie vom Psychischen her effektiv eineiige Zwillinge waren. Mit gewissen Mentalitätsunterschieden.

Der Arkonide lächelte zurück.

»Wir finden keine Ruhe, nicht wahr?«, fragte er, ohne eine Antwort darauf zu erwarten.

»Ja, mein Freund, die Verantwortung für fünfundzwanzig Milliarden Menschen ist eine schwere Last. Ich kann gar nicht sagen, wie stolz ich auf die solare Menschheit bin. Sie lebt nun schon so lange unter dem Damoklesschwert einer Sonnenexplosion – und resigniert nicht, sondern steigert ihre schöpferischen Leistungen von Tag zu Tag.«

Atlan blickte den Terraner eigenartig an.

»Die Gefahren und Probleme einer lebensbedrohenden Umwelt waren schon immer die stärksten Triebfedern für die Anstrengungen intelligenter Lebewesen, Perry. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich es früher nicht für möglich gehalten hätte, wozu ihr kleinen terranischen Barbarenabkömmlinge fähig seid. Ihr wachst über euch hinaus.«

In die folgende Pause hinein meldete sich der Interkom vor Rhodans Platz. Oberleutnant Hinner Kablonz, Personalchef der INTERSOLAR, erschien auf dem Bildschirm. Er wirkte etwas verwirrt, was gar nicht zu seinem Charakter passte.

»Ja ...?«, fragte Rhodan drängend.

»Sir, da ist ein Major Lokoshan per Transmitter von der PANATREIRA gekommen. Jemand muss ihm Kabinenflucht 713 auf dem Chefdeck zugewiesen haben. Er sagt, er hätte bis jetzt geschlafen, um Sie nicht zu belästigen. Achtzehn Stunden geschlafen, Sir! Nun meldet er sich bei mir und bittet um funktionsmäßige Einstufung.«

»Beachtlich, Kablonz. Hm! Ach, schicken Sie ihn zu mir, bitte!«

Er schaltete ab. Sein Gesicht wirkte nachdenklich.

Atlan lachte leise.

»Da scheint man uns ja einen seltsamen Vogel zu schicken, Perry. Ist das der Mann, den General Tentasy zuerst Pasha Basalok nannte?«

Perry nickte.

»Major Patulli Lokoshan, Sektion Fremdintelligenzen der SolAb, kommt vom Planeten Kamash. Ob ich die richtige Wahl mit ihm getroffen habe, muss sich erst noch zeigen. Lokoshan besitzt ein geringfügig mutiertes Gehirn. Er ist ein so genannter Psychokopist, das heißt, er kann sich gefühlsmäßig in die Mentalität jedes anderen Lebewesens versetzen und diese Mentalität so kopieren, als wäre er mit ihr geboren worden.«

»Wozu brauchst du einen solchen Mann?«, fragte der Arkonide verwundert. »Wir haben doch nicht vor, mit fremden Intelligenzen zusammenzutreffen.«

»Das nicht. Aber es gibt Angehörige der Gattung Homo sapiens, deren Mentalität nichtmenschlich ist. Ribald Corello beispielsweise. Ich hatte gehofft, Corello würde sich rasch erholen, so dass Lokoshan eine Art Vermittlerrolle zwischen ihm und uns spielen kann. Damals konnten wir nicht ahnen, dass Corello in einem derart hoffnungslosen Zustand in unsere Hand gelangen würde.«

»Nun ...«, entgegnete Atlan beschwichtigend, »... vielleicht findest du eine andere Aufgabe für ihn. Ich bin jedenfalls gespannt, den Major zu sehen. Er muss ein sonderbarer Kauz sein.«

Ein Räuspern ließ beide Männer mit ihren Sesseln herumfahren. Was sie sahen, verschlug ihnen die Sprache. Sie hatten noch nie einen Kamashiten gesehen und unwillkürlich vorausgesetzt, der SolAb-Spezialist würde wie ein Terraner aussehen.

Weit gefehlt. Sie sahen einen höchstens 1,40 Meter großen, klapperdürren Mann in der Einsatzuniform der SolAb-Agenten, mit goldbrauner Haut, zu kleinen Zöpfen geflochtenem grünem Haar, dichten grünen Brauen, silbrigen Fingernägeln, einer scharf gebogenen Nase und unwahrscheinlich hellblauen Augen.

Das Ding, das der Kamashite unter dem linken Arm hielt, erregte ihre Verwunderung beinahe noch mehr.

Es war eine türkisfarbene, von zahllosen feinen Sprüngen kreuz und quer durchzogene Statuette, höchstens dreißig Zentimeter groß, mit einem eiförmigen Rumpf, einem fünfzehn Zentimeter durchmessenden Kopf und zwei kurzen Armen, die dort aus dem Kopf kamen, wo bei einem Menschen die Ohrmuscheln gewesen wären. Die kurzen Beinchen verlängerten den Gesamtkörper um höchstens noch zehn Zentimeter.

Alle Formen jedoch wirkten leicht verschwommen, als hätte der Künstler, der die Statuette geschaffen hatte, auf Feinheiten und Details keinen Wert gelegt. Vor allem fehlte ein Gesicht.

Patulli Lokoshan verzog seinen schmallippigen Mund zu einem breiten Grinsen, das zwei Reihen silbrig schimmernder Zähne entblößte.

»Major Lokoshan meldet sich zum Dienstantritt auf der INTERSOLAR«, sagte er mit einer tiefen Bassstimme, die überhaupt nicht zu diesem kleinen schmächtigen Körper zu passen schien. Wahrscheinlich besaß er besonders lange Stimmbänder.

Rhodan erhob sich, um den neuen Mitarbeiter zu begrüßen. »Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl bei uns. Nehmen Sie bitte Platz.«

»Danke, Sir.«

Lokoshan stellte seine Statuette behutsam nieder, bevor er sich setzte.

Atlan beobachtete ihn unverwandt. Der Arkonide war offensichtlich fasziniert – und wahrscheinlich auch ein wenig misstrauisch.

»Sie sind Lordadmiral Atlan, nicht wahr?«, meinte der Major freundlich. »Einen Vornamen haben Sie wohl nicht, oder?«

Der USO-Chef holte tief Luft.

»Leider nein, Major«, antwortete er distanziert. »Darf ich fragen, wozu Sie Ihr Souvenir mit sich herumschleppen?«

Patulli Lokoshan drehte sich zu seiner Statuette um, zwinkerte und sagte dann bedächtig:

»Es ist mehr als ein Souvenir, Lordadmiral. Lullog wird in meiner Familie von Generation zu Generation vererbt, und ich lasse ihn nie allein.«

»Das behindert Sie sicher bei Ihrer Arbeit. Warum überhaupt ›ihn‹ und nicht ›sie‹?«

Der SolAb-Major lächelte.

»Der Große Erbgott Lullog ist männlichen Geschlechts, Sir, und schon mein Großvater hat mir beigebracht, dass ich ihn mit allergrößter Ehrfurcht zu behandeln hätte. Man könnte sagen, Lullog ist mein Talisman, und er hat mir oft genug das Leben gerettet.«

»Bitte, Major!«, sagte Rhodan eindringlich. »Ihr Fetischismus in allen Ehren, aber die Kabinen in der INTERSOLAR sind vollkommen sicher. Niemand wird Ihren Lullog beschädigen oder gar stehlen. Ich wünsche, dass er ab sofort dort aufbewahrt wird.«

Lokoshan gab keine Antwort. Er sah den Großadministrator nur aus seinen glasklaren Augen unverwandt an.

»Wer hat Sie zur INTERSOLAR abgestellt, Major?«, fragte Atlan.

Lokoshan wandte sich dem Arkoniden zu.

»Solarmarschall Deighton persönlich, Sir. Ich bin sein bester Sonderagent der Sektion Fremdintelligenzen, und er hat mir niemals verboten, meinen Lullog überallhin mitzunehmen.«

Rhodan seufzte. »In Gottes Namen, Major. Schleppen Sie die Figur meinetwegen immer mit sich herum. Aber ich übernehme keine Verantwortung dafür, dass sie nicht beschädigt wird. An Bord dieses Schiffes geht es manchmal sehr turbulent zu.«

Major Patulli Lokoshan strahlte.

»Dann ist es genau richtig für Lullog und mich, Sir. Und vielen Dank auch. – Welche Aufgabe darf ich erledigen?«

»Vorläufig keine«, antwortete Perry. »Wir mussten umdisponieren. Halten Sie sich bitte in Ihrer Kabinenflucht bereit. Sobald ich Sie brauche, werde ich Sie rufen lassen.«

»Ich bin stets bereit, Sir«, antwortete der Major, erhob sich, klemmte sich die Lullog-Plastik unter den linken Arm, grüßte und marschierte aus der Zentrale.

»Oh, du große Galaxis!«, entfuhr es Rhodan. »Bin ich froh, dass ich ihn vorerst auf Eis legen konnte!«

»Hm!«, meinte Atlan nachdenklich. »Wenn Galbraith Deighton ihn tatsächlich ausgesucht hat, muss Lokoshan-Basalok verborgene Qualitäten besitzen. Nur diese Statuette stört mich. Ich weiß nicht, warum, aber als ich sie ansah, hatte ich ein komisches Gefühl.«

Rhodan lächelte.

»Ach was! Figur bleibt Figur. Vielleicht glaubst du noch den Unsinn von einem ›zauberkräftigen‹ Talisman.«

»Ich weiß nicht«, entgegnete der Arkonide geistesabwesend.

Perry Rhodan aktivierte den Interkom und stellte die Verbindung zu Ras Tschubai her, der zusammen mit Lloyd und Gucky bei Corello wachte.

Der Zustand des Supermutanten, berichtete Tschubai, hatte sich leicht gebessert. Das bedeutete, dass er noch nicht tot war, mehr aber auch nicht.

Von Unruhe getrieben, begab sich Rhodan auf den Weg zur Bordklinik. Wenn er schon nicht unmittelbar etwas für Corello tun konnte, so wollte er sich doch wenigstens mit seinen drei Mutanten unterhalten.

»Kommst du mit?«, fragte er Atlan. Der Arkonide bejahte.

Schulter an Schulter traten sie in den Zentralen Kraftfeldschacht, um sich nach oben befördern zu lassen – zwei Männer, die gegen ein unabwendbar scheinendes Schicksal ankämpften ...

 

Die Automatenstimme zählte die letzten dreißig Sekunden bis zum endgültigen Linearraum-Austritt herunter.

Wie immer, wenn ein solares Raumschiff sich den Koordinaten des Solsystems näherte oder im Begriff war, es durch die Temporalschleuse zu verlassen, waren alle Gefechtsstationen voll besetzt. Die mannigfachen Ortungsanlagen waren in Betrieb. Positronengehirne und Menschen warteten bis zur entscheidenden Sekunde.

Auch die Plätze am Kartentisch der Zentrale waren besetzt. Perry Rhodan, Atlan, Icho Tolot und die übrigen Mitarbeiter und Freunde lauschten der Automatenstimme.

Alle Gespräche erstarben.

»Zehn – neun – acht ...!«

Rhodan und Atlan wechselten einen raschen Blick.

»Drei – zwei – eins – null!«

Für einen Sekundenbruchteil das Gefühl eines Fallens, dann war alles wieder wie gehabt.

Nur die Wiedergabe auf der Panoramagalerie hatte sich krass verändert. Statt des konturlosen grauen Hintergrundes und der zahllosen immer wechselnden Formen eines atemberaubenden Farbenspiels zeigte sich nun wieder die vertraute Schwärze des Normalraums mit den Lichtpunkten ferner und relativ naher Sterne.

»Noch zwei Lichtminuten!«, erscholl die Stimme des Schiffskommandanten.

Jeder wusste, was gemeint war. Die von dieser Seite der Zeit unsichtbare Gegenwartsschwelle am »äußeren« Ende der Temporalschleuse war nur noch zwei Lichtminuten entfernt. Bei der gegenwärtigen Fahrt der INTERSOLAR würde man in zwanzig Minuten in den Tunnel aus Zeitenergie eintauchen.

Plötzlich erhellte sich einer der Hyperkomübertragungsschirme am Kartentisch. Major Freyers Gesicht erschien darauf.

»Funkspruch von der Großstation Zeitschwelle!«

Dann wechselte das Bild bereits wieder.

Das Gesicht eines unbekannten Terraners tauchte auf. Die Lippen bewegten sich.

»Schwelle an Panzerechse ...« Panzerechse war der Kodename für die INTERSOLAR. »Schwelle an Panzerechse! Vier fremde Objekte in Plankubus P-123-KL-Rot! Identifiziert als D-500-F. – Nicht eingreifen, Panzerechse, und nicht antworten! P-Würfel im Anflug. Aktion Fuchsköder ist angelaufen.«

Das Gesicht verblasste und verschwand. Erneut erschien Major Freyer auf dem Bildschirm.

»Ich gebe Klartext: Vier fremde Raumschiffe im bezeichneten Planquadrat aufgetaucht. Als Fünfhundert-Meter-Kugelraumer des Imperiums Dabrifa identifiziert. Forschungsschiffe. Ein Raumschiff der Posbis fliegt an und soll die Dabrifa-Schiffe ablenken. Ende.«

»Dabrifa ...«, meinte Perry Rhodan nachdenklich. »Was wird den Diktator wohl argwöhnisch gemacht und zu den Koordinaten des Ghost-Systems gelockt haben?«

»Der Funkverkehr kann es kaum sein«, sagte Atlan. »Es ist höchst unwahrscheinlich, dass ein fremdes Schiff ausgerechnet in einen kurzdauernden Richtstrahl hineinfliegt und dazu noch berechnen kann, aus welcher galaktischen Richtung er kommt.«

»Dabrifa wird aus angeborenem Misstrauen herumschnüffeln lassen«, vermutete Icho Tolot. »Er weiß, dass Sie noch leben, Rhodanos, und er ahnt natürlich, dass auch ein Solares System noch existiert. Das genügt ihm, alle Möglichkeiten überprüfen zu lassen.«

Rhodan nickte und stellte eine Interkomverbindung zur Ortungszentrale her.

»Major Kusumi, wie steht es mit unserem Ortungsschutz?«

Der Cheforter lächelte höflich.