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Das Wissen dieser Welt aus den Hörsälen der Universitäten.

Fachbereich PHYSIK

Quantenmechanik – eine Einführung

Von Prof. Dr. Harald Lesch

Die Welt im ganz Kleinen

Die Quantenmechanik. Das wird jetzt nicht einfach. Im Gegenteil: Es wird eher kompliziert. Das ist die Theorie, von der die Physiker selbst sagen: Man kann sie nicht verstehen. Es ist die Theorie, von der die Physiker sagen: Man muss sie hinnehmen. Sie lebt ein bisschen von dem Motto: „Der Erfolg heiligt die Mittel.“ Man macht etwas, stellt fest, dass man damit Erfolg hat, und macht dann damit weiter. Das ist Quantenmechanik.

Das einmal vorab. Wenn Sie folgend nicht alles sofort schlagartig verstehen, was ich sage, wundern Sie sich nicht. Mir wäre es an Ihrer Stelle auch nicht anders ergangen.

Quantenmechanik ist etwas ganz Merkwürdiges. Die Quantenmechanik beschreibt die Welt im ganz Kleinen.

Schauen Sie sich an. Der „Homo sapiens sapiens“ bringt so im Mittel sagen wir 80 Kilogramm auf die Waage oder 70, was Sie wollen. Hauptsache es bewegt sich im Bereich von einigen 10 Kilogramm. Wie viele Teilchen sind da jetzt drin in so einem „Homo sapiens“?

Nehmen wir einmal 100 Kilogramm. 1 Kilogramm hat 1.000 Gramm, 1 Proton wiegt 10-24 Gramm. Jetzt können Sie schnell ausrechnen, aus wie vielen Teilchen Sie bestehen, nämlich – na, machen Sie mal, 10-24. 105 Gramm (100 Kilo), das sind 1029 Teilchen. Sie bestehen aus 1029 Teilchen. Das ist aber nicht alles. Sie bestehen natürlich vor allen Dingen aus Zellen, denn Sie sind genau wie ich ein biologisches Lebewesen. Dieses Lebewesen besteht aus 1 Billion Zellen.

Aber die Zelle ist schon kein „quantenmechanischer Apparat“ mehr. Das kann man leicht einsehen. Man kann die Zelle im Mikroskop betrachten, kann sehen, wie sich Zellen bewegen, wie sie sich vermehren. Die Quantenmechanik, die beginnt da, wo die Dinge – ich will Ihnen das Wort schon mal nennen – wo die Dinge „unscharf“ werden, „unbestimmt“. Wo Dinge anfangen, sich merkwürdig zu verhalten.

Ein ganz einfaches Beispiel: Nehmen wir die Welt um uns rum. Ich bin hier, Sie sind da. Sie können sich einmal kurz anfassen, damit Sie merken, dass Sie auch da sind. Jawoll, Sie spüren sich. Also da, wo Sie sind, kann ein anderer nicht sein. Der kann nicht dahin, wo Sie sind, weil er Sie verdrängen müsste. Sie verdrängen also Raum, Sie verbrauchen Raum und Sie wissen ganz genau: Ich stehe hier. Sie müssen nicht sagen: Ich kann nicht anders. Aber Sie sind da.

In der quantenmechanischen Welt ist das nicht so. Das darf auch gar nicht so sein. Eine klare Positionierung, eine klare Ortsangabe hätte katastrophale Folgen da unten, in der Welt der allerallerallerkleinsten Teilchen. Dass da etwas ist, das auch da bleibt, wenn es sich nicht bewegt. Das ist klassische Physik. Ich kann in jedem Moment die Bewegung von etwas nachvollziehen, kontinuierlich. Wenn die Welt des Allerkleinsten sich so verhalten würde, wie die Dinge um uns herum, dann würde es uns gar nicht geben.

Die Masse des Atoms

Ein konkretes Beispiel nach diesem langen Vorwort:

Da geht es um einen Zusammenhang, den Sie alle kennen. Es geht um die Anziehung von Ladungen und zwar von ungleichen Ladungen. Da haben wir das positiv geladene „Proton“, das ist ein Kernbaustein. Der Atomkern besteht aus „Protonen“ und „Neutronen“. Die Neutronen sind elektrisch nicht geladen, die Protonen aber sind positiv geladen. Nehmen wir mal so ein positiv geladenes Proton. Das kann man sich gut merken, Proton ist positiv geladen, also gut gelaunt und auf der anderen Seite ein Elektron, negativ geladen.

Was machen ungleichnamige Ladungen in dieser Welt hier um uns herum? Sie ziehen sich an. Eine brennende Lampe ist an einen Stromkreislauf angeschlossen. Dieser funktioniert nur deshalb, weil Ladungen sich in einem Leiter aufgrund von Ladungsunterschieden bewegen. Da, wo viele positive Ladungen sind, da fließen die negativen Ladungen hin, um diesen Überschuss an positiven Ladungen auszugleichen. So funktioniert das mit der Spannung in der Steckdose.

Atome bestehen zu 99,9 % in ihrer Masse aus einem Atomkern. Und in dem Atomkern gibt es Protonen und Neutronen. Das sind die richtig schweren Teilchen. So ein Proton ist im Vergleich zu einem Elektron 1.836 Mal schwerer. Ein Proton ist also rund 2.000 Mal schwerer als ein Elektron. Im Atomkern steckt also die Masse des Atoms. Und um diesen positiv geladenen Atomkern herum rast das Elektron. Das weiß man schon lange.

Das ist komisch, denn eigentlich sollte das Elektron da gar nicht sein. Nach allem, was ich Ihnen vorhin erzählt habe, dass sich positive und negative Ladungen anziehen, müssten die Elektronen, die um die Atomkerne, aus denen wir bestehen, rasen, schon längst in den Atomkern hineingefallen sein. Denn erstens ist der Atomkern viel schwerer und zweitens ist er positiv geladen.