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Rike Thome

Auf einen Sprung nach Paris

Kurztrip der Extraklasse


Covergestaltung: Glaux Ganz lieben Dank dafür! Ebenso der lieben Angel für das Korrekturlesen.


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Was bisher geschah

 

 

Noch nie war Juliana in Paris gewesen. Sie freute sich riesig, dass sie endlich ihre Französischkenntnisse zum Einsatz bringen konnte. Durch regelmäßige Besuche von Konversationskursen beherrschte sie die Sprache fast fließend. Bisher hatte sie noch keine Möglichkeit, nach Kanada oder gar Frankreich zu reisen.

Ihr Verlobter, Pietro, hatte für sie beide nun ein verlängertes Wochenende in der Stadt der Liebe gebucht. Dort wollte er sich unter Anderem mit ihr nach einem Brautkleid im Brautmodengeschäft Glamour, einem sehr exklusiven Laden, umsehen. Über das Internet hatte Juliana die exklusive Adresse ausfindig gemacht. Bisher hatte sie Amerika nie verlassen und sie freute sich trotz erneut widriger Umstände auf diese Reise.

 

Sie verstaute die letzten Dinge in ihrem Koffer und schloss ihn sorgfältig ab. Das kleine Päckchen, das ihr Pietro für einen Freund aus Paris mitgegeben hatte, verwahrte sie in ihrem Handgepäck. Wie ihr baldiger Ehemann ihr sagte, handelte es sich dabei um eine Antiquität, welche der Freund sammeln würde. Juliana solle sehr gut auf sie aufpassen. Ursprünglich sollte er mit ihr reisen, hatte ihr aber in letzter Minute, wegen dringender Geschäfte abgesagt. Woraufhin sie sich einmal mehr fürchterlich gestritten hatten.

 

Juliana fragte sich nicht zum ersten Mal, ob es wirklich richtig wäre, ihn zu heiraten. Er war noch nicht einmal überrascht, als sie ihm in ihrer Wut erklärte, dass sie eben allein reisen würde, wenn er sich nicht einmal für ein verlängertes Wochenende Zeit für sie nehmen könnte. Ob ihre Freundinnen recht hatten?

Dina und Mira hatten ihn von Anfang an nicht gemocht und glaubten sogar, er hätte keine ernsten Absichten. Juliana konnte dies jedoch widerlegen, als er ihr vor zwei Wochen einen Antrag gemacht hatte. Und trotzdem beharrten sie weiter darauf. Als sie die Zwei gefragt hatte, was sie gegen ihn hätten, sagten sie ihr:

"Juliana denk nach! Ihr seid jetzt seit einem halben Jahr zusammen und wie oft habt ihr euch gesehen? Glaub mir, er liebt dich nicht! Für ihn existiert nur sein Geschäft. Ständig ist er auf Reisen. Und kein einziges Mal hat er dich gefragt, ob du ihn begleiten würdest."

 

Recht hatten sie! Denn sie selbst hatte sich das auch schon gefragt. Dennoch ergriff sie damals Partei für ihn und konterte:

"Wie sollte das auch gehen? Ich habe einen Beruf und kann nicht so mir nichts, dir nichts, ständig Urlaub machen, wenn Pietro für ein paar Tage vereisen möchte."

"Pah, was für eine Ausrede! Hier geht es doch nur darum, dass er es dir noch nicht einmal angeboten hat. Natürlich wissen wir, dass das nicht geht! Aber in sechs Monaten einmal? Das ist doch nicht zu viel verlangt!"

 

War sie wirklich so blind, um das Offensichtliche nicht zu sehen? In letzter Zeit lief es sogar noch schlechter zwischen ihnen. Pietro war noch häufiger auf Reisen, um die nächste Antiquität billig zu ersteigern. Nur um diese dann nach seiner Restaurierung gewinnbringend verkaufen zu können. Das wurmte sie mehr, als das es sollte. Ihre Freundinnen, die wie sie als Kindergärtnerinnen arbeiteten, hielten ihn sogar als exzentrisch und zu selbstverliebt. Sie konnte ihnen darin nicht widersprechen, denn Pietro war wirklich so. Er mochte es sogar nicht, wenn sie seine neu erworbenen Skulpturen anfasste. Nach ihrem letzten Streit gestern Abend war sie sich nun selbst nicht mehr sicher, ob sie seinen Antrag annehmen sollte. Daher unternahm sie das verlängerte Wochenende nach Paris jetzt allein. Diese Zeit wollte sie unter anderem auch nutzen, um sich über ihre Gefühle für ihn klar zu werden.

 

"Er hat die Reise bezahlt und das sollte ich ihm mindestens wert sein", sagte sie sich trotzig. Mit ihrem Koffer und der großen Handtasche verließ sie ihre Wohnung und verstaute ihr Reisegepäck im Kofferraum ihres Wagens. Danach setzte sie sich hinter das Steuer und fuhr zum Flughafen. Dabei schwor sie sich, sich dadurch nicht das Wochenende in Paris verderben zu lassen. Zwei ganze Tage waren ausgefüllt mit ihren Wünschen, was sie sich alles ansehen wollte.

 

***

 

"Zielperson ist in den Wagen gestiegen und befindet sich auf dem Weg zum Flughafen", sprach er ins Mikro.

"Hunter vermassle es nicht!", vernahm er die forsche Stimme seines Bosses aus dem Mikrofon. Als ob Hunter das nicht selbst wüsste.

"Dieser Kerl scheint seinen Coup jetzt zu drehen und es ist unsere einzige Möglichkeit, ihn endlich zu fassen. Wir brauchen nicht seine kleinen Handlanger, sondern den ganz Großen. Er wird uns nicht noch einmal durch die Lappen gehen!"

 

Das lag ganz in seinem Sinne. Es durfte sich nicht wiederholen, dass durch die Droge, die Pietro Fontaine unter die Menschen brachte, noch jemand den Tod fand.

"Ich werde seine Verlobte nicht eine einzige Minute aus den Augen lassen. Sind Connor und Pirelli auf ihrem Posten?"

"Kümmern Sie sich nicht darum! Ihre Aufgabe ist es, seiner Verlobten auf Schritt und Tritt zu folgen. Wenn es sein muss, bis ins Bett. Fontaine wird sich bald auf den Weg zu seiner Frau nach Mexiko machen. Connor und Pirelli hängen an ihm dran. Auch Interpol ist informiert. Dieses mörderische Paar muss aus dem Verkehr gezogen werden!", vernahm Hunter die wutverzerrte Stimme seines Bosses aus dem Mikro.

 

Er hatte sein vollstes Mitgefühl. Letzte Woche starb sein Neffe an der Droge, die dieses skrupellose Ehepaar in Umlauf gebracht hatte. Für den Kurierdienst benutzte das Paar ohne Scheu ihre Urlaubsbekanntschaften, sogar ihre Freunde. Keiner von ihnen ahnte etwas davon. Wenn nicht einem Bekannten versehentlich eine Skulptur aus der Hand gefallen und diese auf dem Boden zerbrochen wäre. Dieser hatte die versteckten Drogen entdeckt und daraufhin die Polizei verständigt. Dann aber aus Angst um Schutzhaft gebeten. Dadurch kam das FBI auf die Spur der beiden. Der Bekannte befand sich seitdem in Sicherheit und würde es auch bleiben, bis das sie das verbrecherische Ehepaar gefasst hatten.

 

Leider aber ging der erste Zugriff in die Hose, als Pietro sich mit dem Käufer traf, um ihm Ersatz für die verlorengegangene Ware zu übergeben. Er konnte flüchten und hatte alles verschwinden lassen, sodass sie ihm nichts nachweisen konnten. Dennoch beschatteten sie ihn weiter. Nun war dieser Kerl sogar so weit gegangen, mit den Gefühlen einer unschuldigen Frau zu spielen. Einen Heiratsantrag hatte er ihr sogar gemacht, nur um ihr die Reise nach Paris aufschwatzen zu können. Allerdings hatten sie nicht mit dem FBI gerechnet, das sie weiterhin im Visier hatte.

Hunter zweifelte nicht daran, Pietro Fontaine und seine Frau dieses Mal zu bekommen. Die besten Leute waren darauf angesetzt. Und er würde dafür sorgen, dass dieser Mittelsmann in Paris ebenfalls dingfest gemacht wurde.

 

Das FBI, für das er arbeitete, wusste, dass Juliana Connor nicht die geringste Ahnung von den kriminellen Machenschaften ihres sogenannten Verlobten hatte. Seit Wochen hatte Hunter sie nun im Visier. In dieser Zeit hatte er ihr Leben gründlich durchforsten können, um zu diesem Ergebnis zu kommen. Er wusste, dass sie sechsundzwanzig Jahre alt war, als Kindergärtnerin arbeitete, zwei Freundinnen hatte, die ebenfalls diesen Beruf ausübten.

Noch interessanter war es zu hören, dass sie mit zwanzig ihre Eltern bei einem Verkehrsunfall verloren und sie keine weiteren Verwandten hatte. Ihm war somit klar, was Juliana an diesem Kerl gefunden haben musste. Dieser Mistkerl konnte charmant und großzügig sein. Sicher aber hatte die unschuldige Frau keine Ahnung, dass er zum Einen verheiratet, zum Anderen ein lang gesuchter Krimineller war.

 

Hunter tat sie leid. Er wusste, wie man sich fühlte, ausgenutzt und hinterher weggeworfen zu werden. Diese Erfahrung hatte ihn die letzten Jahre bei Frauen vorsichtig werden lassen. Und dennoch fühlte er sich zu Juliana hingezogen, wie eine Motte vom Licht. Dass er sie observieren musste, machte die Sache noch schlimmer. Er kannte jetzt ihre Gewohnheiten, ihre Tagesabläufe und ihre innere Einsamkeit, die sie in die Arme des Blenders getrieben hatten. Nie war sie straffällig geworden. Noch nicht einmal einen Strafzettel für zu schnelles Fahren hatte sie bekommen. Pietro war der dritte Freund in ihrem Leben, was ihm sagte, dass sie zu wenig Erfahrung besaß, um hinter die Fassade ihres Verlobten blicken zu können.

 

Er aber würde nicht zulassen, dass sie wegen diesem Verbrecher in Schwierigkeiten geriet.

"Wenn es sein muss, bis ins Bett", schmunzelte er im Nachhinein über die Worte seines Bosses. Er musste zugeben, dass ihm diese Order gefiel, seit er sie gesehen hatte.

 

***

 

Entspannt lehnte Juliana sich im Flugzeug zurück und schloss kurz die Augen.

Bald würde der Flieger starten und sie in die Traumstadt Paris bringen. Plötzlich klingelte ihr Handy. Ein Glück, dass sie noch nicht gestartet waren, denn dann dürfte sie es während des Flugs nicht benutzen. Schnell kramte sie es aus ihrer großen Tasche hervor. Als sie den Anrufer erkannte, stöhnte sie frustriert auf.

 

"Pietro! Was willst du?", fragte sie.

"Hallo Liebling! Bist du schon im Flieger?"

Was sollte das jetzt?

"Weißt du Pietro, wenn du mitgeflogen wärst, so wie du es mir versprochen hattest, dann wüsstest du es! Bilde dir bloß nicht ein, dass ich dir jedes Mal eine SMS schicke, um Dir mitzuteilen, was ich gerade in Paris tue. Ich bin immer noch stocksauer auf dich!"

"Ich weiß, Liebling und ich mache es auch wieder gut", sprach er besänftigend auf sie ein. Aber dieses Mal wollte sie sich nicht so leicht einlullen lassen und fragte ihn forsch, ob das alles wäre, was er wissen wollte.

"Nein! Ich rufe an, um dich zu bitten, gleich nach deiner Ankunft meinem Freund sein Geschenk zu bringen. Er wartet schon sehnsüchtig darauf. Tust du mir den Gefallen?"

 

Na das war doch die größte Frechheit.

"Ist dir dieser Scheiß wichtiger als ich? Darf ich nicht einmal erst zum Hotel fahren und meine Sachen dort abstellen?"

Am liebsten hätte sie jetzt das Handy ausgeschaltet.

"Schatz, beruhige dich doch! Es ist ein Geburtstagsgeschenk an seine Frau. Daher die Eile!"

Na, ob das stimmte? Aber egal, sie würde es tun und hätte dann ihre Ruhe. So konnte sie sich im Anschluss ohne Hast die Stadt ansehen.

"Okay, ich werde es gleich nach der Landung in Angriff nehmen. Aber dafür tu mir einen Gefallen und ruf mich die nächsten Tage nicht mehr an. Ich möchte meinen Kurztrip nämlich genießen können! Mit diesen Worten beendete sie das Gespräch und ließ ihr Handy wieder in ihrer Tasche verschwinden. Gerade rechtzeitig, denn schon kam die Ansage, dass sie gleich starten würden und sie sich anschnallen sollten.

 

***

 

Hunter saß auf dem Sitz hinter ihr und konnte dadurch jedes Wort mithören. Alle Achtung! Da schien der Haussegen ja ganz schön schief zu hängen. Ob diese Frau schon genug von diesem Armleuchter hatte? Besser konnte es gar nicht laufen. Dennoch würde es ihr einen Schock versetzen, wenn sie erfuhr, mit wem sie sich in den letzten Monaten abgegeben hatte. Und das, wie es nun aussah, schon sehr bald. Aber er würde an ihrer Seite sein. Denn Juliana reizte ihn.

Schnell schickte er eine Nachricht an seinen Boss und informierte ihn über das Gehörte. Sein Boss würde nun Interpol informieren und schon bald könnte Hunter, Pietros Komplizen die Handschellen anlegen.