Meine Schuld – 13 – Was Frauen berichten: Schonungslos - Indiskret

Meine Schuld
– 13–

Was Frauen berichten: Schonungslos - Indiskret

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Impressum:

Epub-Version © 2016 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: http://www.keltermedia.de

E-mail: info@kelter.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74091-846-0

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Geschichte 1

Ein Mann gesteht

Roman von Fabian F. (38)

»Ich sitze unschuldig im Gefängnis, aber ich tue es gern.«

Der Tag, an dem meine Frau im Park vergewaltigt wurde, war der schlimmste unseres Lebens. Carola war seitdem nicht die alte, sie glitt in eine tiefe Depression. Vor mir und allen anderen Männern hatte sie Angst. Unsere Ehe stand am Abgrund.

Ich werde den Anruf nie vergessen. »Herr Finger«, sagte eine freundliche Frauenstimme. Ihr Tonfall sagte mir aber schon alles. »Können Sie bitte ins Krankenhaus kommen? Ihre Frau ist hier.«

»Was ist passiert? Hatte sie einen Unfall?«

»Kommen Sie einfach vorbei. Wir sagen Ihnen dann alles.«

Ich raste sofort los. Ich wusste, dass etwas ganz Furchtbares passiert war. Carola hatte sich nicht einfach ein Bein gebrochen. Sie war nicht angefahren worden oder so etwas. Es musste etwas Schlimmeres gewesen sein. Die Stimme der Frau hatte mir das schon gesagt.

In der Notaufnahme kam die Krankenschwester auch direkt zu mir.

»Herr Finger«, sagte sie, »Ihre Frau schläft dahinten. Sie können gleich zu ihr. Aber Sie müssen sich auf Schlimmes gefasst machen. Wichtig ist: Wenn sie aufwacht, müssen Sie stark sein. Es wird ihr nicht helfen, wenn Sie mit ihr weinen. Auch wenn das mehr als verständlich wäre.«

Sie brachte mich in ein Zimmer, in dem sie mir alles erklärte, was sie wusste. Fußgänger hatten Carola am Abend in einem Park auf der Wiese gefunden. Sie hatte da gekauert. Nur halb bekleidet, obwohl wir gerade Winter hatten.

»Sie war voller Blut. Man kann ihr Gesicht kaum erkennen. So hat der Kerl sie zugerichtet.«

»Hat er sie…« Ich konnte das Wort ›vergewaltigt‹ einfach nicht aussprechen. Schon wenn ich davon in der Zeitung las, wurde mir schlecht vor Grauen. Dass das nun meiner Frau passiert sein sollte? Das durfte einfach nicht sein!

»Wir fürchten, ja. Wir konnten noch keine genauen Untersuchungen durchführen. Es geht ja jetzt vor allen Dingen darum, das Leben Ihrer Frau zu retten. Aber es sieht sehr danach aus. Es tut mir sehr leid.«

Ich ging zu Carola ans Bett. Die Krankenschwester hatte nicht übertrieben. Der Mistkerl hatte sie wirklich fürchterlich zugerichtet. Ich konnte ihre Augen nicht mehr sehen, so sehr waren sie zugeschwollen. Ihre Nase war kaum noch da. In ihrem Mund fehlten Zähle. Und alles war geschwollen und blau und rot.

Den Rest ihres Körpers konnte ich nicht sehen. Es waren weiße Laken darüber. Nur eine Hand konnte ich sehen, weil man dort eine Kanüle gesetzt hatte, deren Schlauch zu verschiedenen Tröpfen führte.

Unter den Nägeln sah ich noch verkrustetes Blut. Viele waren abgebrochen. Es war klar, dass sie sich gewehrt hatte. Und dafür hatte er sie büßen lassen. Wie sollte ich da noch tapfer bleiben? Ich weinte einfach nur. Das war dann auch das Erste, was Carola sah, als sie aufwachte: Ihr Mann weinte. Wegen ihr. So fühlte sie sich auch noch schuldig für mein Leid!

*

Nach zwei Wochen konnte Carola das Krankenhaus wieder verlassen. Körperlich war sie so weit wiederhergestellt. Sie musste zwar noch den Zahnarzt besuchen, um ihre Zähne zu erneuern. Aber sie hatte sonst keine bleibenden Schäden. Der Chirurg hatte ihre Nase wieder gerichtet. Die Schwellungen waren einigermaßen gut abgeheilt. Sie hatte sonst nichts gebrochen. Und auch die Verletzungen im Intimbereich waren verheilt.

Was aber kaputt war, das war Carolas Psyche. Sie machte einfach zu. Sie weinte nicht. Sie schrie nicht. Sie war einfach nur eine Art lebende Mumie geworden. Ihr Gesicht bewegte sich nicht. Ihre Bewegungen waren unnatürlich. Ganz wie bei einem Roboter.

Dass sie überhaupt noch etwas spürte, merkte ich nur daran, wenn ich ihr zu nahe kam. Dann zuckte sie zusammen und wich zurück. Nur kurz. Dann blieb sie wieder ganz ruhig.

Wahrscheinlich hätte sie mir sogar erlaubt, dass ich sie umarmte. Ich hätte sie bestimmt auch küssen können, und sie hätte sich nicht gewehrt. Aber ich spürte ja, dass sie sich vor mir ekelte. Aber sie hatte auch die Hoffnung aufgegeben, dass sie sich gegen mich wehren könnte.

Gerade das war das Schlimme: Ich und der Mann, der sie vergewaltigt hatte, wir waren für sie beide die gleiche Spezies: Tiere, die sich jederzeit wieder auf sie stürzen könnten.

Ich war ihr keine Hilfe. Ich war eine Bedrohung. Und gleichzeitig war ich der Grund, warum sie auch ein schlechtes Gewissen bekam. Denn sie wusste ja, dass ich ihr nichts Böses wollte. Sie sah, wie ich darunter litt, wie sie litt. Aber sie konnte auch nicht anders. Und das tat ihr dann für mich wieder leid.

Ich spürte, dass ich einfach nur eine Last für sie war.

*

Von der Polizei hatten wir auch keine große Unterstützung erfahren. Die Art, wie sie Carola befragten, war eine Zumutung! Sie wollten, dass sie alles noch mal ganz genau und im Detail erzählte. Je schlimmer das war, was sie schilderte, desto öfter fragten sie nach. Dann kamen Fragen nach ihrer Kleidung dazu.

»Hatten Sie einen kurzen Rock an, zum Beispiel?«, fragte der Beamte.

Carola hatte sowieso Angst vor ihm, das konnte ich von Anfang an spüren. Aber sie traute sich nicht, um einen anderen Beamten zu bitten. Sie hatte ja den Glauben an ihren eigenen Willen verloren.

»Was soll denn dieser Mist? Es ist Winter! Meine Frau hatte keinen kurzen Roch an! Und selbst wenn? Selbst wenn sie nackt durch die Gegend getanzt wäre, darf man sich dann deshalb einfach an ihr vergehen?«, brüllte ich den Mann an.

Daraufhin wurde ich gebeten, den Raum zu verlassen.

Der Polizist und eine Kollegin blieben mit Carola zunächst allein im Raum. Sie riefen noch eine Psychologin hinzu, aber Carola sagte kein Wort mehr.

Als die Beamten herausgingen, knurrte der Mann: »Wie soll man da denn jemanden überführen, wenn die ihren Mund nie aufkriegen?«

Ein anderer Polizist hielt mich zurück, bevor ich etwas tun konnte. Aber ich schrie den Mann an.

»Wenn solche Ärsche wie du hier die Frauen verhören, was denkst du dann, was dabei herauskommt? Ich warne dich: Wenn du dich nicht beeilst und das Schwein einbuchtest, dann finde ich den Kerl und bringe ihn um!«

Der Beamte guckte mich nur spöttisch an. Und ich wusste, dass er so etwas dachte wie: Deine Frau hat es doch gewollt! Stell dich nicht so an.

Die Psychologin kam zwar nachher zu mir und entschuldigte sich für ihren Kollegen. »Er erlebt so viel hier. Er muss sich abschotten, sonst geht der auch drauf. Er wird alles tun, um Gerechtigkeit zu bringen.«

Aber was sollte das für Gerechtigkeit sein? Selbst wenn der Kerl gefunden würde, so würde er doch nur für ein paar Jahre einsitzen.

Meine Frau aber würde noch viel länger leiden müssen. Sie saß auch zu Hause im Gefängnis. Sie traute sich nicht ohne mich heraus. Und gleichzeitig hatte sie Angst vor mir.

*

Mittlerweile war es den Ärzten im Krankenhaus gelungen, DNS-Spuren von dem Monster zu sichern. Wenn die Polizei ihn fangen würde, dann würde man ihm immerhin beweisen können, dass er der Täter gewesen war. Aber was war das für ein Trost?

Meine Frau würde keinen Mut daraus ziehen. Sie würde nicht gegen ihn aussagen im Gericht, das wusste ich jetzt schon. Und dann würde der Rechtsanwalt von dem Mann es so drehen, dass Carola einfach auf Gewalt beim Sex stand und dass es bei dem einen Mal danebengegangen wäre.

Dennoch unternahm ich selbst auch keine wirklichen Bemühungen, um den Dreckskerl zu finden. Wie sollte ich ihn denn auch finden? Das Schreckliche war ja: Carola hatte ihn kaum gesehen. Er hatte eine Maske getragen.

Einzig eine weitere Vergewaltigung, bei der er ertappt würde, hätte zu seiner Überführung führen können. Und auch, wenn ich dem Kerl die Pest an den Hals wünschte, so wünschte ich doch keiner Frau, dass ihr das Gleiche passierte wie Carola.

Doch dann kam alles ganz anders.

*

Wieder saß ich mit Carola im Wohnzimmer, wie die ganzen vergangenen Monate schon. Wir schauten fern. Ich schaute fern. Carola saß nur daneben, starrte auf den Bildschirm, nahm aber nichts auf.

Sie lauschte mehr nach Dingen, die um sie herum passierten. Sie wollte nicht mehr unvorbereitet bei irgendetwas überrascht werden. Ich fühlte, wie sie mich dabei unauffällig beobachtete.

Wollte ich ihr zu nahe kommen? Hatte ich vielleicht auch vor, mich auf sie zu stürzen? Solche Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Sie musste es mir gar nicht sagen. Ich spürte es durch ihre Maske hindurch.

Auf einmal zuckte sie zusammen. Ich hatte gar nichts gehört. Aber keine zwei Sekunden später klingelte es.

»Wer mag das sein?«, fragte ich und stand auf.

Zwar glaubte ich nicht, dass wir noch Besuch bekämen. Wahrscheinlich waren es die Kinder der Nachbarschaft, die bei der komischen geisterhaften Frau Klingelmäuschen spielten.

Aber ich wusste, dass Carola die ganze Zeit unruhig bleiben würde, wenn ich nicht doch zur Tür ging und hinausschaute. Wenn ich wiederkäme, würde sie mir sagen, dass ich die Rollladen schließen sollte. Egal, wer draußen gewesen war.

An diesem Abend waren es aber keine Kinder. Es waren auch keine Türverkäufer oder gar Freunde. Es war die Polizei.

»Herr F.«, sagte einer der Beamten. »Dürfen wir reinkommen?«

»Sicher«, sagte ich.

Ich dachte mir noch nichts dabei. Wahrscheinlich hatte ich mein Auto irgendwo falsch abgestellt. Oder in der Nachbarschaft war eingebrochen worden. Irgendetwas Unwichtiges halt.

Dann aber hielt ich inne. »Am besten bleiben wir im Flur. Meine Frau sitzt im Wohnzimmer. Sie muss nicht unbedingt mitbekommen, dass Sie hier sind.«

Diese beiden Männer würden sie an die Verhöre erinnern. Dann käme wieder alles hoch, und die Chance, dass sie irgendwann auch im Herzen wieder zu mir zurückkäme, wäre noch kleiner.

»Kein Problem«, sagte der eine Beamte. »Vielleicht geht es ja auch ganz schnell.«

»Wo waren Sie gestern Abend um zweiundzwanzig Uhr?«, fragte der andere.

Die Antwort war sehr einfach. Ich hatte im Bett gelegen. Meine Frau hatte neben mir geschlafen, und ich hatte auf ihren Atem gelauscht. Sie musste immer Beruhigungsmittel nehmen, damit sie überhaupt schlafen konnte. Ich hatte immer Angst, dass sie eines Nachts zu viele nehmen würde, um ihrem Leben ein Ende zu setzen. Deshalb lag ich immer lange wach, um mitzubekommen, wenn etwas nicht normal wäre.

Aber ich antwortete nicht direkt. »Warum wollen Sie das wissen?«, fragte ich zurück.

Der erste Polizist wollte es mir nicht sagen. Aber der zweite Polizist erklärte es mir.

»Gestern Abend gegen zehn Uhr wurde Herr Gernot G. überfallen und totgeschlagen. Wir haben von Herrn G. DNA-Proben genommen. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass Herr G. der Mann war, der Ihre Frau vergewaltigt hat.«

Hinter mir hörte ich etwas klirren.

»Carola? Was ist los?«, rief ich und stürzte zu meiner Frau.

Und da saß Carola. Das erste Mal seit langer, langer Zeit war sie wieder wach und aufmerksam. Und sie sah mich nicht mehr mit Abscheu an. Sie sah aus, als erkannte sie wieder mich in meiner Gestalt. Den Mann, den sie einmal geliebt hatte und dem sie einmal vertraut hatte. Sie hatte wieder Vertrauen zu mir. Von einem Moment auf den anderen. Sie glaubte wieder an mich.

Vor ihr auf dem Boden lag ein zerbrochenes Glas. Ich ging direkt zu ihr und fing an, die Scherben aufzuheben.

»Ich gebe dir ein Alibi«, flüsterte sie mir zu. »Du sagst einfach, dass wir da miteinander Karten gespielt haben.«

Sie war stolz auf mich. Stolz und auch ein wenig glücklich. Ich gab ihr gerade Kraft. Endlich. Aber tatsächlich gab nicht ich ihr Kraft, sondern ein völlig Fremder.

»Das brauchst du nicht, Schatz«, sagte ich.

Ich sagte das nicht, weil ich nichts getan hatte und man mir mit Sicherheit nichts anhängen konnte. Ich sagte es, weil ich dachte, dass es so gut war, dass dieser Mann umgebracht worden war. Und auch wenn ich nicht selbst diese Missgeburt umgebracht hatte, so hatte ich es doch im Geiste immer getan. Ich war regelrecht neidisch auf den, der es gemacht hatte. Und ich fühlte mich dem gegenüber minderwertig.

Ich stand auf. »Ruf doch bitte deine Eltern an. Du solltest hier jetzt nicht allein sein. Könnte etwas länger dauern.«

Ich gab ihr noch einen Kuss, dann ging ich zu den Polizisten. »Ich nehme an, Sie möchten mich lieber auf der Wache sprechen.«

»Wie Sie wollen«, erwiderten die Männer.

*

Im Wagen redeten wir gar nicht. Zum Glück. Denn in meinem Kopf gingen die Gedanken rund und rund. Ich fragte mich nicht, ob es wirklich gut war, was ich da tun wollte. Ich wollte mich für die Tat schuldig bekennen. Ich wollte Carolas Held sein. Ich wollte ihr dadurch den Glauben an die Menschen wiedergeben.

Worüber ich nachdachte, war, was ich sagen sollte. Ich wollte schließlich einen Mord auf mich nehmen, den ich nicht begangen hatte. Wenn ich wollte, dass die Polizisten das nicht mitbekamen, dann musste ich geschickt vorgehen.

Schließlich wusste ich noch nicht mal, wie dieser Mann getötet worden war. Ich wusste nicht, wer er war. Wo er wohnte.

Am Abend davor war Carola um neun Uhr ins Bett gegangen. Wir hatten noch etwas zusammen im Fernsehen gesehen. Wenn der Mord in weiterer Entfernung geschehen war, dann hätte Carola gewusst, dass ich es nicht gewesen sein konnte. Dann hätte sie ihren Glauben an mich wieder verloren.

Ich musste also alles Mögliche herausbekommen, ohne dass die Polizisten merkten, dass ich log. Je nachdem musste ich mir auch noch Verletzungen zufügen, falls der Mann sich noch gewehrt hatte. Eigentlich dachte ich schon, dass ich es vergessen könnte. Dass das, was ich vorhatte, zum Scheitern verurteilt war.

Gleichzeitig dachte ich mir, dass ich nun nicht völlig dumm war. Beruflich war ich es gewöhnt, Leute kommen zu lassen. Dass sie mir viel von sich erzählten, ohne dass ich allzu viel fragen musste. Diese Gabe musste ich für mich nutzen. Und so folgte ich den Polizisten in das Verhörzimmer.

Ich hatte beschlossen, auf stur zu schalten. Vorzugeben, jemand zu sein, der die Aussage verweigerte. Das würde sie schon so weit reizen, dass sie mir die Grundinformationen gaben und ich mir dann den Tathergang zusammenreimen könnte.

Tatsächlich verwirrte ich die Männer durch mein Verhalten. Ich war ja mitgekommen. Sie waren überzeugt gewesen, dass ich gestehen würde. Und auf einmal saß ich da, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und schwieg.

Und sie stellten ihre Fragen.

»Wann haben Sie Herrn G. gefunden?«

»Woher wussten Sie, dass es Herr G. war, der Ihre Frau vergewaltigt hat?«

»Wie haben Sie ihm hinter dem Fitnessverein T. aufgelauert?«

»Woher hatten Sie die Eisenstange?«

Sie zeigten mir Fotos von dem toten Mann. Darauf konnte ich erkennen, dass er von hinten erschlagen worden war. Er war sicherlich sehr schnell gestorben. Viel zu schnell, wenn es nach mir ginge. Aber immerhin hatte er sich nicht mehr wehren können. Und das hieß für mich, dass ich mir keine Wunden würde zufügen müssen. Ich hatte also ein paar Mal mit der Stange zugeschlagen und bin dann geflohen.

Den Fitnessverein kannte ich. Er war ganz in der Nähe. Ich hätte also die Möglichkeit gehabt. Und ich war da sogar selbst einmal Mitglied gewesen. Das wussten die Polizisten auch. Darüber waren sie überhaupt auf mich gekommen.

Und es hätte sein können, dass ich G. gehört hätte, wie er unter der Dusche mit seinem Tun geprahlt hätte. Oder ich hätte Wunden an ihm sehen und mir meinen Reim darauf machen können.

Ich schwieg, hörte weiter aufmerksam zu und schrieb mir ein gutes Drehbuch für den Tathergang. Das mit den Wunden gefiel mir am besten. Keiner würde öffentlich mit Vergewaltigungen prahlen. Jedenfalls nicht in einem ordentlichen Fitnessverein wie diesem. Aber ich hätte die Wunden sehen können. Ich hätte mir von ihm Haare beschaffen können und die auf DNA untersuchen lassen können. Irgendwo. Geheim und billig.

Den Informanten würde ich nicht preisgeben. Irgendein Laborant hätte das schwarz für mich gemacht, und ich wollte dem keinen Ärger machen. Dann, als ich Gewissheit hatte, wartete ich einfach ein paar Jahre. Ich wollte Gras über die Sache wachsen lassen, damit man mir nicht direkt drauf käme. Dann hätte ich ihn erschlagen.

Je größer und logischer meine Geschichte wurde, desto ruhiger wurde ich. Ich musste sogar lächeln, wodurch ich die Polizisten fast zur Weißglut trieb. Und so gaben sie immer mehr Informationen preis.

Nach zwei Stunden stand auch auf einmal ein Anwalt da, der mich verteidigen wollte. Der Mann ist der beste Anwalt der Stadt. Carola hatte ihn für mich gefunden und so lange auf ihn eingeredet, bis er sich bereiterklärt hatte, zu mir zu kommen. Auch wenn wir nicht zu den Reichen gehörten, die er normalerweise verteidigte.

»Sie bringen mir sicher gute Presse«, sagte er mir.

Er unterbrach das Verhör und sagte, dass es schlau gewesen wäre, dass ich geschwiegen hätte. Während er mit mir sprach, legte er mir direkt seinen Verteidigungsplan dar. Er fragte noch nicht mal, ob ich den Mord begangen hatte. Er war davon überzeugt, weil Carola davon überzeugt war.

»Ich werde gestehen«, erklärte ich ihm auch direkt. »Ich brauche nur etwas Zeit.«

»Verstehe«, sagte der Anwalt. »Wir sehen uns die Unterlagen genauer an. Und dann plädieren wir auf Todschlag. Sie haben den Mann mit Ihrem Wissen konfrontiert. Er hat sie ausgelacht. Er hat so etwas gesagt wie ›Sie hat es doch gewollt‹, und dann sind Sie ausgerastet.«

»Ich habe ihn umgebracht«, sagte ich. »Eiskalt.«

Der Anwalt sah mich an. »Sie stehen unter Stress. Das ist klar. Kein normaler Mensch bringt einen anderen um und bleibt danach klar bei Verstand. Aber Sie hatten alles Recht der Welt, den Typen umzubringen. Deshalb sollten Sie nicht zu schwer bestraft werden. Das will auch Ihre Frau nicht. Sie braucht Sie.«

Das stimmte natürlich. Aber ich wollte doch ihr Held sein!